Rückgang des Verbraucherkonsums durch Lockdowns könnte geringer sein als angenommen

Kopenhagen – Der Rückgang des Verbraucherkonsums in Ländern, die mit Lockdowns und strengen Gesetzen zum Social Distancing auf COVID-19 reagiert haben, ist nicht größer als in Ländern ohne diese Maßnahmen. Zumindest für Skandinavien leiten Wissenschaftler der Universität Kopenhagen diese Aussage aus einem Vergleich der Ausgaben von dänischen und schwedischen Kunden der zweitgrößten skandinavischen Bank ab. Durch einen indirekten Mechanismus könnten Lockdowns der Wirtschaft sogar helfen, glauben die Forscher.
Obwohl es in Dänemark im Früjahr 2020 einen Lockdown sowie Strafen für das Brechen von Ausgangssperren gab, seien die Ausgaben der dortigen Verbraucher nur unwesentlich stärker gesunken als im benachbarten Schweden, wo es keinerlei gesetzlich verordnete Social-Distancing-Beschänkungen gab, schreiben die Autoren in den Proceedings der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS) (DOI: 10.1073/pnas.2010068117).
Im Vergleich zum Vorjahr hätten die Schweden rund 25 Prozent, die Dänen etwa 29 Prozent weniger Geld ausgegeben, führen Hauptautor Adam Sheridan und Kollegen aus. Sie zogen dazu die anonymisierten Daten von etwa 760.000 dänischen und 100.000 schwedischen Kunden der Danske Bank aus dem Zeitraum von Januar 2018 bis April 2020 heran.
Diese setzten sie auch mit den zwischen Januar und April 2020 verzeichneten Todesfällen durch SARS-CoV-2-Infektionen in den beiden Ländern sowie den dortigen Google-Suchen nach bestimmten Krankheitssymptomen von COVID-19 in Beziehung.
Demnach machte sich der Lockdown in Dänemark vor allem bei den Ausgaben der jüngeren Bevölkerungsgruppe zwischen 18 und 29 Jahren bemerkbar. Die Gruppe gab während des Beobachtungszeitraums den Angaben zufolge rund zehn Prozent weniger Geld aus als die Gleichaltrigen in Schweden. Bei den über 70-Jährigen war es andersherum. Hier sanken die Ausgaben in Schweden um fünf Prozent stärker als bei den Nachbarn im Lockdown.
Daraus folgerten die Forscher, dass ein Shutdown sich positiv auf das Kaufverhalten Älterer auswirken könnte. Die Ausgangssperren hätten die Ausbreitung des Virus eingedämmt. Auf diese Weise gab es auch für Risikogruppen keinen Grund für extreme Isolation und sie gaben weiterhin Geld aus.
In Schweden gingen die Jüngeren weiterhin einkaufen, verbreiteten aber auch die Krankheitserreger, erklären die Autoren der Studie. Die ältere Bevölkerung reagierte scheinbar mit Rückzug und gab in der Folge auch weniger Geld aus. Diese indirekten Mechanismen sollten Politiker bei Maßnahmen im Rahmen von Pandemien berücksichtigen, heißt es in der Arbeit.
Im bisherigen Verlauf der COVID-19-Pandemie werde die Entscheidung für oder gegen strenge Social-Distancing-Maßnahmen immer als eine Abwägung zwischen der Rettung möglichst vieler Menschenleben sowie der Rettung der Wirtschaft dargestellt. Die Studienergebnisse deuteten darauf hin, dass sich diese Wahl womöglich gar nicht stelle.
Aus Angst vor einer Ansteckung würden sich viele freiwillig zurückziehen, Arbeitszeit reduzieren oder sich krank melden und entsprechend weniger Geld ausgeben. Ein Lockdown und andere strenge Maßnahmen, die die Ausbreitung des Virus einschränkten, könnten solchen Menschen hingegen genug Sicherheit geben, um weiterhin am gesellschaftlichen teilzunehmen und zu konsumieren.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: