Medizin

SARS-CoV-2: Argentinische Mediziner behandeln Patienten mit Antiseren aus Pferden

  • Dienstag, 13. April 2021
/charlymorlock, stock.adobe.com
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Buenos Aires – Antiseren, die im Blut von Pferden oder anderen Tieren erzeugt werden, können bei Vergiftungen durch Schlangenbisse oder Skorpionstiche Menschenleben retten. Ob die Behandlung auch gegen SARS-CoV-2 wirksam ist, haben Mediziner aus Argentinien in einer randomisierten Phase-2/3-Studie untersucht, deren Ergebnisse jetzt in EClinicalMedicine (2021; DOI: 10.1016/j.eclinm.2021.100843) publiziert wurden.

Vor kurzen konnten Mediziner aus Argentinien zeigen, dass eine Behandlung mit dem Plasma rekon­vales­zenter Patienten das Fortschreiten einer Infektion mit SARS-CoV-2 stoppen kann. Voraussetzung ist allerdings ein Behandlungsbeginn innerhalb der ersten 3 Tage nach Einsetzen der Symptome. Dies gelingt außerhalb des südamerikanischen Landes nur selten, da die wenigsten Länder über eine aus­reichende Logistik verfügen.

In Argentinien wird die Plasmatherapie dagegen seit Jahren routinemäßig zur Behandlung eines hämor­rha­gischen Fiebers eingesetzt, das in dem südamerikanischen Land verbreitet ist und für die es keine andere Behandlung gibt.

Statt des Plasmas von Rekonvaleszenten könnte im Prinzip auch das Serum von Pferden verwendet werden, die vorher gegen SARS-CoV-2 immunisiert wurden. Diese Behandlung geht auf die Serum­therapie zurück, die Emil von Behring Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt hat. Damals wurden bei Pferden durch Injektion des Diphtherie- oder Tetanustoxins Antiseren erzeugt und erfolgreich am Menschen eingesetzt. Antiseren wurden später auch zur Behandlung von Digitalisüberdosierungen verwendet.

Heute sind sie noch zur Behandlung von Schlangenbissen oder Skorpionstichen üblich. Die Behandlung mit Antiseren hat den Nachteil, dass das Immunsystem des Menschen „allergisch“ auf die Fremdeiweiße reagiert. Es kommt zur sogenannten Serumkrankheit. Auch die Isolierung der Antikörper aus dem Blut der Pferde beseitigt das Problem nicht völlig, da die Fc-Abschnitte der equinen Antikörper als fremd erkannt werden.

Für die Behandlung werden nur die Fab-Abschnitte benötigt. Die Firma Inmunova S.A., ein Startup-Unternehmen aus Buenos Aires, hat ein Verfahren entwickelt, mit dem der Fc-Abschnitt von den equinen Antikörpern entfernt werden kann.

Ursprünglich hatten die Forscher ein „Anti-Shiga-Toxin“ zur Behandlung von EHEC-Infektionen im Programm. Nach dem Beginn der Pandemie haben die Forscher mit der Entwicklung eines Antiserum gegen SARS-CoV-2 begonnen. Die Forscher immunisierten die Tiere mit jenen Abschnitten des Spike­proteins, die für die Bindung an den Epithelzellen zuständig sind.

Das so erzeugte Antiserum wurde in einer randomisierten Studie an COVID-19-Patienten getestet. Die 245 Studienteilnehmer erhielten im Abstand von 48 Stunden 2 Infusionen. Bei einer Hälfte wurde das Antiserum INM005 infundiert, die andere Hälfte erhielt ein Placebo.

Wie das Team um Fernando Goldbaum von Inmunova berichtet, litten die Patienten median seit 6 Tagen an Symptomen von COVID-19. Mehr als die Hälfte benötigte bereits Sauerstoff. Es ist deshalb möglich, dass die Behandlung zu spät kam. Die argentinische Studie zur Behandlung mit Rekonvaleszenten­plasma hatte gezeigt, dass nur ein Beginn in den ersten 72 Stunden erfolgversprechend ist.

Der primäre Endpunkt der Studie war eine Verbesserung um mindestens 2 Punkte auf der WHO-Skala. Dies erreichten 89,8 % der mit INM005 behandelten Patienten gegenüber 84,5 % in der Placebogruppe. Der Unterschied von 5,28 %-Punkten war gering und mit einem 95-%-Konfidenzintervall von minus 3,95 bis 14,50 nicht signifikant. Auch in den sekundären Endpunkten wurde keine signifikante Verbesserung erreicht, obwohl stets ein tendenzieller Vorteil erkennbar war. So wurde die Sterblichkeit der Patienten von 11,4 % auf 6,9 % gesenkt. Die Behandlung wäre es laut Goldbaum wert, in einer weiteren Studie an einer besser ausgewählten Gruppe von Patienten weiter erprobt zu werden.

Ein Blick auf die Nebenwirkungen zeigt, dass die Aufbereitung des Pferdeserums möglicherweise das Risiko einer Serumkrankheit nicht völlig verhindert. Spezifische Nebenwirkungen (Lokalreaktionen am Injektionsort und Überempfindlichkeitsreaktionen traten bei 17,6 % auf gegenüber nur 9,7 % in der Placebogruppe.

rme

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