Medizin

SARS-CoV-2 auch im Herzmuskel nachweisbar

  • Montag, 24. August 2020
/alexlmx, stock.adobe.com
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Mainz und Berlin – Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 kann offenbar auch das Herz an­greifen. Kardiologen konnten den Erreger von COVID-19 bei mehreren Patienten in Myo­kardbiopsien nachweisen.

Die Patienten waren laut den Publikationen in ESC Heart Failure (2020; DOI: 10.1002/ehf2.12805) und Cardiovascular Research (2020; DOI: 10.1093/cvr/cvaa160) re­lativ jung und häufig ohne Vorerkrankungen, und sie schienen die Infektion bereits über­standen zu haben, als es zu einer Pumpschwäche des Herzens kam, die die Biopsie ver­anlasst hat.

Es steht mittlerweile fest, dass SARS-CoV-2 nicht nur die Lungen infiziert, sondern auch andere Organe. Schon in den ersten Studien aus China war aufgefallen, dass es bei vielen Patienten zu einem Anstieg des Herzinfarktmarkers Troponin kommt – häufig erst im Anschluss an die Infektion, wenn andere Symptome bereits abgeklungen sind.

Auch die beiden Patienten, die am Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz behandelt wurden, hatten einen grippeähnlichen Infekt mit Kopfschmerzen, Fieber und Husten überstanden. SARS-CoV-2 war bei ihnen nicht nachgewiesen worden.

4 Wochen später kam es bei den beiden adipösen Männern im Alter von 36 und 39 Jahren zu einer zunehmenden Atemnot, die die Kardiologen auf eine Funktionsstörung des Herzmuskels zurückführten. Wegen des Verdachts auf eine Myokarditis wurde eine Herzmuskelbiopsie durchgeführt.

In den Gewebeproben wurden dann zur Überraschung des Teams um Prof. Philip Wenzel die Gene von SARS-CoV-2 nachgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt fielen mehrere Nasen-Rachenabstriche auf SARS-CoV-2 negativ aus. Ob die Virus-Gene im Herzmuskel eine fortgesetzte Infektion von SARS-CoV-2 anzeigen, ist unklar.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Entstehen der Myokarditis und der SARS-CoV-2-Präsenz im Herzmuskel ist nach Einschätzung von Prof. Wenzel nicht gesichert.

Dass es sich um keine Einzelfälle handelt, zeigen Untersuchungen am Institut Kardiale Diagnostik und Therapie (IKDT) in Berlin, das auf die Untersuchung von Herzmuskel­biopsien spezialisiert ist.

In einer prospektiven Fallserie wurden die Gewebeproben von 104 Patienten untersucht. Die Biopsien waren wegen des Verdachts (oder zum Ausschluss) einer Myokarditis oder anderer entzündlicher Herzkrankheiten entnommen worden. Wie das Team um Heinz-Peter Schultheiss berichtet, konnten die Virusgene von SARS-CoV-2 bei 5 der 104 Patien­ten nachgewiesen werden.

Die 5 Patienten waren zwischen 36 und 62 Jahre alt, also für COVID-19-Verhältnisse relativ jung. Bei allen war es zu einer deutlichen Pumpschwäche (linksventrikuläre Ejektionsfraktion: 22 bis 60 %) gekommen.

Der Nachweis der Virusgene beweist nicht, dass die Viren die Herzmuskelzellen attackie­ren. Der Anstieg des hochsensitiven Troponins bei 4 der 5 Patienten legt dies nach An­sicht von Schultheiss jedoch nahe. Die genaue Rolle von SARS-CoV-2 bei der Myokarditis müsse aber noch geklärt werden.

Die Studie zeige aber, dass im Anschluss an eine COVID-19 mit einer kardialen Erkran­kung gerechnet werden muss, auch wenn die Anfangssymptome milde waren. Schultheiss rät den Kardiologen, bei allen Patienten mit einer ungeklärten Herzschwäche oder von neu auftretenden Herzrhythmusstörungen an die Möglichkeit einer SARS-CoV-2-Infektion zu denken.

Die Erfahrungen aus China haben gezeigt, dass Patienten mit einer kardialen Beteiligung ein erhöhtes Sterberisiko haben. Die mutmaßliche Infektion des Herzmuskels muss aber nicht zu bleibenden Schäden führen.

Bei den beiden Patienten aus Mainz ist es zu einem Rückgang der Troponin-Werte ge­kommen. Auch 3 der 5 Patienten, deren Biopsien in Berlin untersucht wurden, haben sich zwischenzeitig wieder erholt.

rme

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