SARS-CoV-2: Die meisten Infektionen erfolgen durch Ungeimpfte

Berlin – Obwohl sie bei einer Impfquote von derzeit über 65 % in der Minderheit sind, tragen Ungeimpfte in Deutschland zur Mehrheit aller Infektionen mit SARS-CoV-2 bei. Nach Berechnungen von Forschenden der Humboldt-Universität könnten sie sogar, als Ansteckende oder Angesteckte, an 8 bis 9 von 10 Infektionen beteiligt sein. Maßnahmen zur Infektionskontrolle könnten deshalb in dieser Gruppe besonders wirksam sein.
Die Dynamik einer Epidemie wird neben der Impfquote von der Wirksamkeit der Impfstoffe bestimmt. Ein Team um Dirk Brockmann, der am Robert-Koch-Institut (RKI) eine Projektgruppe zur epidemiologischen Modellierung von Infektionskrankheiten leitet, hat ihren Berechnungen 2 Szenarien zugrunde gelegt.
Im 1. Szenario liegt die Impfstoffwirksamkeit für Jugendliche bei 92 %, für Erwachsene und Senioren bei 72 %. In diesem Szenario hätten zuletzt in 51 % aller Infektionen ungeimpfte Menschen andere ungeimpfte Menschen angesteckt, in weiteren 25 % der Fälle hätten Ungeimpfte das Virus an Geimpfte weitergegeben.
Die Übertragung von Geimpften an Ungeimpfte war mit 15 % relativ gering. Noch seltener, nämlich zu 9 %, hätten nach den Berechnungen der Epidemiologen Geimpfte andere Geimpfte infiziert. Zusammen addiert wären Ungeimpfte an 91 % der Infektionen beteiligt.
In einem 2. Szenario wurde eine geringere Impfquote von 60 % für Jugendliche und Erwachsene und von 50 % für Senioren angenommen. Auch in diesem Szenario wären Ungeimpfte an 74 % der Infektionen beteiligt: zu 38 % hätten sie andere Ungeimpfte und zu 29 % Geimpfte infiziert. Zu 17 % wären sie von Geimpften infiziert worden. Die restlichen 16 % würden auf Infektionen unter Geimpften entfallen.
Damit die Epidemie wieder abflaut, müsste der R-Wert (von 1,2 in den Modellberechnungen) auf unter 1 gesenkt werden. Dies könnte durch Einschränkungen bei Geimpften und/oder Ungeimpften geschehen.
Würden die Einschränkungen nur für Ungeimpfte gelten, müsste das Übertragungsrisiko in dieser Gruppe um 22 % bis 25 % sinken, um den R-Wert auf unter 1 zu senken.
Bei Einschränkungen in beiden Gruppen würde eine Reduktion des Übertragungsrisikos um 17 % ausreichen. In einem – gesellschaftlich unrealistischen – Szenario würden die Einschränkungen nur für Geimpfte gelten. Dann könnten die Epidemie nur gestoppt werden, wenn in dieser Gruppe das Übertragungsrisiko um 52 % bis 73 % gesenkt würde – wobei die Studie offen lässt, woraus die einzelnen Einschränkungen bestehen würden.
Die einfachste Lösung wäre nach den Berechnungen des Forscherteams, wenn die Impfquote auf 90 % steigen würde. Dann könnte der R-Wert (mit einer gewissen Verzögerung) auf 0,86 gesenkt werden, was ein rasches Abflauen der Epidemie bedeuten würde.
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