SARS-CoV-2 erstmals resistent auf Remdesivir

New Haven/Connecticut – SARS-CoV-2 kann eine Resistenz gegen das Virustatikum Remdesivir entwickeln.
US-Mediziner stellen in Nature Communications (2022; DOI: 10.1038/s41467-022-29104-y) den Fall einer abwehrgeschwächten Lymphompatientin vor, bei der eine 10-tägige Behandlung mit Remdesivir erfolglos blieb, weil die Viren eine Mutation entwickelten, die den Angriff von Remdesivir wirkungslos machte, gleichzeitig aber auch das Virus schwächte.
Resistenzen sind nicht nur bei bakteriellen Infektionen ein Problem. Auch Viren können sich durch Mutationen dem Zugriff von Medikamenten entziehen. Bei Remdesivir war die Entwicklung bereits in Laborstudien vorhergesagt worden. Virologen hatten gezeigt, dass eine bestimmte Mutation (E802) im Gen NSP12 die RNA-abhängige RNA-Polymerase so verändert, dass sie durch Remdesivir nur noch geringfügig gehemmt werden kann (PLOS Pathogens, 2021; DOI: 10.1371/journal.ppat.1009929).
Jetzt haben Infektiologen der Yale University School of Medicine in New Haven/Connecticut diese Mutation bei einer 70 Jahre alten Patientin entdeckt, die nach der Behandlung eines Non-Hodgkin-Lymphoms mit dem Antikörper Rituximab nicht mehr in der Lage war, eine Antikörperantwort gegen SARS-CoV-2 zu entwickeln. Es kam zu einer chronischen Infektion. Nach 148 Tagen entschlossen sich die Ärzte zu einer Behandlung mit Remdesivir, die aus Sorge vor einem Rückfall von 5 auf 10 Tage verlängert wurde.
Wie Shiv Gandhi und Mitarbeiter berichten, war die Behandlung zunächst erfolgreich. Ein steigender Ct-Wert im PCR-Test zeigte eine sinkende Viruslast an. Doch noch während der Behandlung mit Remdesivir kam es zu einem Rückfall. Den Medizinern gelang es, die Infektion schließlich durch eine Infusion der Antikörper Casirivimab und Imdevimab zu beenden (die gegen die damals kursierende Variante noch wirksam waren).
Die Forscher konnten mehrere Isolate untersuchen, die im Verlauf der Erkrankung gewonnen wurden. Das Genom von SARS-CoV-2 wurde insgesamt 27 Mal sequenziert. Die Mutation E802 wurde erstmals am 7. Tag der Remdesivirbehandlung entdeckt. Nach wenigen Tagen hatte sie sich gegen andere Varianten durchgesetzt. In vitro-Tests bestätigten, dass die Mutation die Wirksamkeit von Remdesivir deutlich abschwächte. Die IC50 – also die Konzentration, bei der die Hälfte der Viren abgetötet werden – stieg um den Faktor 6.
Gleichzeitig verminderte die Mutation die Infektiosität der Viren. Unter normalen Umständen würde sich die Mutante nicht durchsetzen können. Nur wenn Remdesivir die Replikation anderer Varianten verhindert, haben Mutanten mit E802 eine Chance. Es muss deshalb nicht befürchtet werden, dass sie sich ausbreitet. Tatsächlich zeigte eine Analyse der weltweiten Datenbank GISAID, das es immer wieder zu Mutanten mit E802 kommt.
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