Medizin

SARS-CoV-2: Mutationen könnten Ansteckungsfähigkeit weiter erhöhen

  • Mittwoch, 6. Mai 2020

London und Los Alamos/New Mexico − Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich seit den ersten Infektionen genetisch verändert. Die bisher entdeckten Mutationen deuten laut einem Bericht in Infection, Genetics and Evolution (2020; DOI: 10.1016/j.meegid.2020.104351) auf eine rasche Anpassung an den neuen Wirt hin.

Mutationen in den Bindungsstellen des Spike-Proteins könnten laut neuen Erkenntnissen in BioRxiv (2020; doi: 10.1101/2020.04.29.069054) die Infektiosität des Virus erhöhen.

SARS-CoV-2 gehört schon jetzt zu den genetisch am besten analysierten Krankheitser­regern. Auf der Plattform GISAID werden fast täglich die Ergebnisse von Genom-Analysen hochgeladen. Am 2. Mai waren es 16.010 mehr oder weniger komplette Abfolgen der 29.903 Basen des Coronavirus.

Für die Genetiker sind vor allem die Unterschiede in den einzelnen Genomen inte­ressant. Zum einen lässt die Anzahl der Mutationen Rückschlüsse auf die „Geburts­stunde“ der Epidemie zu. Die derzeitigen Berechnungen gehen davon aus, dass der erste oder die ersten Menschen sich zwischen dem 15. Oktober und dem 8. Dezember infiziert haben.

Die meisten Mutationen verschwinden wieder, einige haben jedoch das Potenzial, das Verhalten der Viren zu verändern. Die Genetiker gehen davon aus, dass das Virus sich in den ersten Monaten auf den neuen Wirt anpassen wird.

Ein Team um Francois Balloux vom University College London hat aus den zahlreichen Mutationen 198 herausgefischt, die mehrfach aufgetreten sind und deshalb die Evolution von SARS-CoV-2 beeinflussen könnten.

Dafür spricht, dass fast 80 % der Mutationen zu Veränderungen in den Proteinen/Enzy­men geführt haben, die am Aufbau neuer Viren beteiligt sind oder zu den Bestandteilen des Virus gehören. Das Virus könnte seinen „Phänotyp“ bereits verändert haben, denn die Mutationen betreffen mit den Proteinen Nsp6, Nsp11, Nsp13 und dem Spike-Protein, wichtige Bestandteile des Virus.

Wie sich die Mutationen auf das Verhalten des Virus auswirken, ist laut Balloux noch unklar. Eine Mutation Nsp6 könnte jedoch Einfluss auf die Immunreaktion haben, da es sich um eine Region handelt, die von T-Zellen erkannt wird. Eine andere Mutation am Spike-Protein könnte die Infektiosität beeinflussen. Die von Balloux entdeckte Mutation befindet sich allerdings außerhalb der Bindungsstelle mit dem ACE2-Rezeptor auf den menschlichen Zellen, an denen SARS-CoV-2 andockt.

Dies könnte bei der Mutation „D614G“ anders sein, die Forscher am Los Alamos National Laboratory in New Mexico entdeckt haben. „D614G“ befindet sich an einer Stelle, die von Antikörpern des Immunsystems erkannt wird. Die Mutation könnte deshalb die Immun­reaktion des Körpers (und damit auch die Schutzwirkung von Impfstoffen) beeinflussen. Die Folge könnte eine längere Dauer der Infektion sein.

Eine längere oder stärkere Ausscheidung wäre für die Viren ein Selektionsvorteil. Laut Bette Korber befinden sich die Mutationen in der Nähe der Bindungsstelle mit dem ACE-Protein.

„D614G“ könnte deshalb auch die Infektiosität der Viren beeinflussen. Wenn die Viren leichter in die Zellen gelangen, könnte dies die Epidemie verstärken. Noch ist allerdings unklar, welchen Einfluss „D614G“ hat.

Eine Untersuchung von Viren, die in Sheffield/England isoliert wurden, zeigt jedoch, dass sich die mutierten Viren innerhalb kurzer Zeit gegenüber ihren Konkurrenten durchsetzen konnten.

rme

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