Medizin

SARS-CoV-2-Tot­impfstoff beeinträchtigt in den ersten zwei Monaten Erfolg einer In-Vitro-Fertilisa­tion

  • Montag, 17. Oktober 2022
/Dmytro Sukharevskyi, stockadobecom
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Xi'an – Liegt die erste Impfung mit einem inaktivierten SARS-CoV-2-Impfstoff 60 Tage oder weniger zurück, könnte dies die Erfolgsquote einer künstlichen Befruchtung reduzieren. Zu diesem Ergebnis kommen chinesische Forschende vom Northwest Women’s and Children’s Hospital in Xi'an. Die Kohortenstudie mit 3.052 Frauen ist in JAMA Network Open erschienen (2022; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.36609). mRNA- und Vektorimpfoffe wurden nicht untersucht.

Frauen im mittleren Alter von 31 Jahren, bei denen ein Embryonentransfer mittels einer In-vitro-Fertilisation (IVF) durchgeführt wurde, wurden seltener schwanger, wenn die SARS-CoV-2-Impfung weniger als 60 Tage zu­rücklag als ungeimpfte Frauen.

Die Rate anhaltender Schwangerschaften stieg in jeder Impfuntergruppe mit der verstrichenen Zeit (maximal 30 bis zu mindestens 91 Tage) seit der Erstimpfung im Vergleich zur ungeimpften Gruppe: 34,3 %, 36,2 %, 51,4 %, 56,3 % bei den geimpften Frauen und 60,3 % in der ungeimpften Gruppe. Auch die biochemische Schwanger­schaftsrate und die klinische Schwangerschaftsrate wiesen ein ähnliches Muster auf.

Lag die Impfung maximal 30 Tage zurück, führte die IVF bei 34,3 % zu einer Schwangerschaft (12 von 35; berei­nigte Risk Ratio [aRR], 0,61; 95-%-Konfidenzintervall 0,33-0,91). Mit 36,2 % war die Schwanger­schaftsrate etwas besser in der Untergruppe mit einer zurückliegenden Impfung von 31 bis 60 Tagen (21 von 58; aRR, 0,63; 95-%-KI 0,42-0,85).

Ab Tag 61 kein signifikanter Nachteil mehr nachweisbar

Eine geringfügig niedrigere, aber statistisch nicht signifikant reduzierte Schwangerschaftsrate stellten die For­schenden bei Frauen fest, bei denen die Impfung 61-90 Tage vor der IVF durchgeführt wurde. Keinen Nachteil hatten auch jene Frauen, die mindestens 91 Tage zuvor geimpft worden waren. Eine Schwanger­schaft trat bei 56,3 % ein (264 von 469; aRR, 0,96; 95-%-KI 0,88-1,04) im Vergleich zu 60,3 % in der ungeimpften Gruppe (1.439 von 2.385).

An der Studie hatten 667 geimpfte Patientinnen teilgenommen, die sich einer IVF-Behandlung unterzogen hatten. 35 wurden mindestens 30 Tage zuvor geimpft, bei 58 lag die Impfung 31-60 Tage zurück, bei 105 Frauen waren es 61-90 Tage und 469 wurden mindestens 91 Tage vor der IVF-behandlung geimpft. Demgegenüber standen 2.385 ungeimpfte Patientinnen, die eine IVF-Behandlung erhielten. Die Stimulation der Eierstöcke und die Laborparameter waren in allen Gruppen ähnlich.

Ergebnisse nur für Totimpfstoff relevant

Von den Frauen, die auf die Umfrage antworteten, hatten 1.484 (83,7 %) den inaktivierten Totimpfstoff erhalten. Alle anderen Impfstoffe wurden aufgrund der geringen Anzahl von der Studie ausgeschlossen. Nicht bei allen Teilnehmenden wurde ein Embryonentransfer durchgeführt: Von 5.024 Frauen, die eine erste IVF-Behandlung erhalten hatten, waren 1.163 mit einem Totimpfstoff geimpft und 3,861 ungeimpft. Einen Embryonentransfer konnten die Ärzte jedoch nur bei 667 der geimpften und bei 2.385 der ungeimpften Frauen durchführen.

Die Studienautoren weisen daraufhin, dass die Untergruppen nicht optimal vergleichbar waren. Geimpfte Frauen waren älter, hatten niedrigere AFC-Werte (antrale Follikel) und einen höheren Anteil an Ovarialfaktoren als un­geimpfte Frauen. Verschiedene Arten von Impfstoffen könnten zudem die IVF verändern. In den USA und Europa wurden überwiegend mRNA-Impfstoffe verwendet; in China und anderen asiatischen Ländern hingegen inak­tivierte Totimpfstoffe.

Bisher konnten Studien keinen Zusammenhang zwischen dem COVID-19-Impfstoff und der Fruchtbarkeit, ein­schließlich der Leistung der Ovarialfollikel und Eizellen sowie der Entwicklung des Embryos und des Schwanger­schaftsergebnisses nachweisen (2022; DOI: 10.1093/humrep/deab282, DOI: 10.1007/s10815-022-02543-8, DOI: 10.1016/j.fertnstert.2022.01.009).

In einigen Studien haben Forschende auch bereits die Auswirkung von mRNA-Impfstoffen auf die IVF-Behand­lung untersucht. Sie konnten keine nachteiligen Auswirkungen der Impfung auf die Stimulation oder die frühen Schwangerschaftsergebnisse nach einer IVF-Behandlung finden (unter anderem 2022; DOI: 10.1097/AOG.0000000000004713, DOI: 10.1111/aji.13530, 2021; DOI: 10.1186/s12958-021-00757-6).

Empfehlungen zur Kinderwunschbehandlung uneinheitlich

Wie lange geimpfte Paare mit der Empfängnis warten sollten, beantworten Fachgesellschaften weltweit den­noch unterschiedlich. Die COVID-19 Task Force der American Society for Reproductive Medicine und der Centers for Disease Control and Prevention empfiehlt in ihrer Leitlinie, dass Personen, die eine Schwangerschaft planen, so bald wie möglich nach der COVID-19-Impfung mit mRNA schwanger werden sollten (mindestens 3 Tage vor und 3 Tage nach der assistierten Reproduktion).

Hingegen rät die European Society of Human Reproduction and Embryology, den Beginn einer assistierten Re­produktion (Spermienentnahme, Stimulation der Eierstöcke, Embryotransfer) auf mindestens einige Tage nach der Impfung zu verschieben, damit die Immunreaktion abklingen kann.

Die europäische Fachgesellschaft schließt aber auch das Aufschieben einer Kinderwunschbe­handlung um bis zu 2 Monate nicht aus, damit die Antikörper ausreichend Zeit hätten, sich zu entwickeln. Denn über die Wirkung des COVID-19-Impfstoffs auf Eizellen und Spermien, die Einnistung des Embryos und frühe Schwangerschaftsstadien sei zu wenig bekannt.

Die Expertengruppe des Beijing Human Assisted Reproductive Technology Center for Quality Control and Improvement empfiehlt, die Schwangerschaft um einen Monat nach der COVID-19-Impfung hinauszuzögern.

gie

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