Studie: Akupunktur lindert postprandiales Distress-Syndrom bei chinesischen Patienten

Peking − Eine 4-wöchige Akupunkturbehandlung hat an einer naturheilkundlichen Universität in der chinesischen Hauptstadt die Symptome eines postprandialen Distress-Syndroms signifikant besser gelindert als eine Scheinakupunktur. Die Wirkung war nach einer Publikation in den Annals of Internal Medicine (2020; DOI: 10.7326/M19-2880) auch 12 Wochen nach dem Ende der Behandlung noch nachweisbar.
Das postprandiale Distress-Syndrom (PDS) ist eine Variante der funktionellen Dyspepsie, bei der die Patienten über ein unangenehmes Völlegefühl im Anschluss an normal große Mahlzeiten berichten. Die frühe Sättigung führt häufig zur vorzeitigen Beendigung einer normalen Mahlzeit. Die Störung tritt im asiatischen Raum häufiger auf als in westlichen Ländern. Die Ursache ist wie bei allen funktionellen Dyspepsien nicht bekannt. Die medikamentöse Behandlung besteht in der Gabe von Prokinetika, auf die allerdings nur wenige Patienten ansprechen.
In China wird die Störung seit längerem durch eine Akupunktur behandelt. Ein Team um Cun-Zhi Liu von der Universität für Chinesische Medizin in Peking hat jetzt versucht, die Wirksamkeit nach den Maßstäben der (westlichen) Evidenz-basierten Medizin in einer randomisierten placebokontrollierten Studie zu belegen.
An der Studie nahmen 278 Patienten teil, die die Rom-IV-Kriterien für funktionelle Störungen des Verdauungsapparates erfüllten. 3/4 der Teilnehmer waren weiblich. Das Durchschnittsalter betrug etwa 42 Jahre und die Betroffenen litten im Durchschnitt seit 5 Jahren unter den dyspeptischen Beschwerden.
Die Behandlung bestand aus 12 Akupunktur-Sitzungen von jeweils 20 Minuten, in denen ein Akupunkteur mit mindestens 3 Jahren Berufserfahrung 9 Nadeln in die Haut stach. Bei der Hälfte der Patienten wurden die Nadeln an den von der traditionellen chinesischen Medizin dafür vorgesehenen Stellen eingestochen, gefolgt von etwa 30 Sekunden langen Manipulationen. Diese sollen ein Schwere- und Druckgefühl („De Qi“) erzielen, das nach den Regeln der Akupunktur für die Wirksamkeit erforderlich ist.
In der Vergleichsgruppe wurden die Nadeln am „falschen“ Ort nur oberflächlich eingestochen und auf die Erzeugung eines „De Qi“-Gefühls verzichtet. Eine echte Scheinakupunktur ohne Einstechen der Nadel würden chinesische Patienten durchschauen, berichtet Liu.
Die Wirksamkeit wurde durch Befragen der Patienten ermittelt. Diese gaben zum einen auf einer 7-Punkte Likert-Skala an, ob sich die Magensymptome gebessert haben. Die beiden besten Bewertungen („extrem verbessert“ oder „verbessert“ wurden als Erfolg (Response) gewertet. Zum anderen wurden die Patienten danach gefragt, ob die 3 Kardinalsymptome (postprandiale Fülle, Blähungen im Oberbauch und frühe Sättigung) verschwunden waren.
Die echte Akupunktur erzielte laut Liu nach Ende der 4-wöchigen Behandlung eine Ansprechrate von 83,0 % gegenüber 51,6 % nach der Scheinakupunktur. Die Differenz von 31,4 %-punkten war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 20,3 bis 42,5 %-punkten signifikant.
Die Eliminationsrate aller 3 Hauptsymptome betrug nach 4 Wochen in der Akupunktur-Gruppe 27,8 % gegenüber 17,3 % in der Scheinakupunktur-Gruppe. Die Differenz von 10,5 %-punkten war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,08 bis 20,9 %-punkten ebenfalls signifikant.
Die Wirksamkeit der Akupunktur blieb während der 12-wöchigen Nachbeobachtung weitgehend erhalten. Sie war unabhängig davon, ob bei den Patienten eine Infektion mit H. pylori nachgewiesen wurde.
Für Liu sind die Ergebnisse ein Beleg für die Wirksamkeit der Akupunktur bei der häufigen Gesundheitsstörung. Dass westliche „Schulmediziner“ diese Ansicht teilen, ist trotz der statistisch eindeutigen Ergebnisse unwahrscheinlich.
Zu den möglichen Einwänden gehört, dass die für die Akupunktur aufgeschlossenen chinesischen Patienten durchaus das Fehlen des „De Qi“-Gefühls wahrgenommen haben und entsprechende Schlüsse daraus gezogen haben könnten. Auch der Akupunkteur könnte durch seine Ausstrahlung − mit Absicht oder unwillentlich – den Patienten ein entsprechendes Signal gegeben haben.
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