Studie: COVID-19 erhöht Risiko auf Herzinfarkt und Schlaganfall

Umeå/Schweden – Erkrankungen an COVID-19 gehen mit einem vorübergehenden Anstieg von Herzinfarkten und Schlaganfällen einher, der in einer epidemiologischen Studie im Lancet (2021; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)00896-5) mit 2 unterschiedlichen Methoden ermittelt wurde.
Seit mehreren Jahrzehnten ist bekannt, dass schwere Infektionen der Atemwege wie Influenza, Pneumonie oder eine akute Bronchitis zu einem vorübergehenden Anstieg von Herzinfarkten und Schlaganfällen führen. Es lag deshalb nahe, auch bei COVID-19 nach einer Assoziation zu suchen. In Schweden ist dies leicht möglich, da alle Einwohner eine Identifikationsnummer haben, die in verschiedenen Registern benutzt wird.
Ioannis Katsoularis von der Universität Umeå und Mitarbeiter konnten die COVID-19-Meldungen, die in Schweden obligatorisch an die Behörde SmiNet gemeldet werden, mit dem Patientenregister für die ambulante und stationäre Versorgung abgleichen. Die Forscher führten zum einen eine „Self-Controlled-Case-Series“ (SCCS) durch, bei der die COVID-19-Kranken ihre eigenen Kontrollen waren. Die SCCS prüfte, ob die Patienten im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer COVID-19-Erkrankung häufiger Herz-Kreislauf-Ereignisse hatten als im Rest des Jahres 2020.
Die 2. Untersuchung war eine klassische Fall-Kontrollstudie, die COVID-19-Patienten einer größeren Zahl von anderen Schweden gegenüberstellte, die ihnen in möglichst vielen Eigenschaften glichen (außer dass sie nicht an COVID-19 erkrankt waren).
In die SCCS flossen alle 86.742 Schweden ein, die bis Mitte September letzten Jahres an COVID-19 erkrankt waren. Von diesen starben im Monat nach der COVID-19-Diagnose 186 an einem Herzinfarkt. Das absolute Risiko der COVID-19-Patienten war demnach gering. Dennoch war die relative Inzidenzrate (IRR) höher als zu anderen Zeiten des Jahres.
Katsoularis ermittelt für die 1. Woche eine 8,44-fach erhöhte IRR, in der 2. Woche war sie noch um den Faktor 2,56 erhöht (beide Assoziationen waren statistisch signifikant). Für die übrigen beiden Wochen ermittelt Katsoularis einen tendenziellen Anstieg der IRR um 62 %.
Auffällig war, dass viele Herzinfarkte bereits am Tag 0 auftraten, als die Diagnose gestellt wurde. Die Erklärung ist vermutlich ein „Test Bias“: In der Pandemie wurden Patienten, die wegen eines Herzinfarktes oder einer anderen Erkrankung in der Klinik aufgenommen wurden, wenn möglich auf SARS-CoV-2 getestet. Darunter waren vermutlich viele Infektionen, die normalerweise nicht aufgefallen wären.
Katsoularis hat die Analyse deshalb ohne den Tag 0 wiederholt. Die IRR für die 1. Woche sank auf 2,89, war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,51 bis 5,55 jedoch weiter signifikant. Dies traf auch auf die 2. Woche zu (IRR 2,53; 1,29 bis 4,94). Ab der 3. Woche war die IRR nur noch tendenziell höher als zu anderen Zeitpunkten des Jahres.
Die Fall-Kontrollstudie, in der den 86.742 COVID-19-Patienten jeweils 4 Kontrollen gegenübergestellt wurden, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Katsoularis ermittelte für die ersten 2 Wochen der Erkrankung eine Odds Ratio von 3,41 (1,58 bis 7,36).
Die Epidemiologen fanden in den beiden Analysen auch ein erhöhtes Schlaganfallrisiko: In der SCCS (nach Ausschluss von Tag 0) betrug die IRR 2,97 (1,71 bis 5,15) für die 1. Woche und 2,80 (1,60 bis 4,88) für die 2. Woche. Das Risiko war (anders als beim Herzinfarkt) auch noch in den Wochen 3 und 4 nach COVID-19 signifikant erhöht (IRR 2,10; 1,33 bis 3,32). Die Odds Ratio von 3,63 (1,69 bis 7,80) in der Fall-Kontrollstudie bestätigte das Ergebnis.
Epidemiologische Studien können den Zusammenhang zwar nicht beweisen (auch wenn 2 unterschiedliche Analysen zum selben Ergebnis kommen und die Dosis-Wirkungs-Beziehung passt). Von der Pathogenese her lässt sich das erhöhte Risiko jedoch gut erklären.
Herzinfarkt und Schlaganfall könnten Folge einer thrombotischen Erkrankung sein, die ein Kennzeichen von COVID-19 ist (sie wurde übrigens auch für andere schwere Atemwegsinfektionen beschrieben). Beim Schlaganfall könnte auch ein Vorhofflimmern im Verlauf der akuten Erkrankung eine Rolle spielen.
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