Studie: Multivalente Nanobodies neutralisieren SARS-CoV-2 effektiver

Bonn – Die chemische Kopplung mehrerer Nanobodies, „Mini“-Antikörpern aus dem Blut von Alpakas und Lamas, hat in einer Studie in Science (2021; DOI: 10.1126/science.abe6230) die neutralisierende Wirkung gegen SARS-CoV-2 mehr als 100-fach verstärkt. Ein Start-Up-Unternehmen der Universität Bonn will noch in diesem Jahr mit klinischen Studien beginnen.
Monoklonale Antikörper ermöglichen eine gezielte Behandlung von Virusinfektionen. In den USA wurden mit Bamlanivimab und Casirivimab/Imdevimab zuletzt 2 Antikörperpräparate zum Einsatz bei COVID-19 zugelassen. Beide haben sich in klinischen Studien bei Patienten in der Frühphase der Erkrankung als wirksam erwiesen. Ihre Herstellung ist jedoch schwierig und zeitaufwendig und ihre Wirksamkeit nicht garantiert, da sich die Viren durch Mutationen schnell dem Zugriff der Antikörper entziehen können.
Ein Team um Florian Schmidt vom Institut für Angeborene Immunität an der Universität Bonn setzt deshalb auf sogenannte Nanobodies. Es handelt sich um Antikörper, die nur eine Bindungsstelle haben, dafür aber leichter zu produzieren sind. Sie sind chemisch stabiler und können aufgrund ihrer geringeren Größe tiefer ins Gewebe eindringen. Ein weiterer Vorteil könnte die bessere Verträglichkeit sein. Die Forscher verweisen auf den Nanobody Caplacizumab, der zur Behandlung einer erworbenen thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura zugelassen ist und sich als sicher erwiesen hat.
Nanobodies kommen natürlicherweise bei kamelartigen Tieren vor, zu denen Alpakas und Lamas gehören. Die Forscher haben je einem Exemplar der beiden Arten das Spikeprotein von SARS-CoV-2 injiziert. Das Immunsystem der Tiere bildete daraufhin verschiedene Nanobodies gegen SARS-CoV-2.
In einem aufwendigen Verfahren haben die Forscher in Blutproben der Tiere nach den genetischen Bauplänen für die Bildung der Nanobodies gesucht und diese dann in Zellkulturen hergestellt. In Labortests wurde untersucht, wie gut die Nanobodies eine Infektion verhindern können.
Experten des Karolinska Instituts in Stockholm und des Scripps Research Institute in La Jolla/Kalifornien haben dann ermittelt, auf welche Weise die Nanobodies mit dem Spikeprotein des Virus interagieren. Dabei wurde entdeckt, dass die Nanobodies nicht einfach an den Viren an der Bindungsstelle „kleben“, sondern auch deren Struktur verändern, was die neutralisierende Wirkung der Nanobodies verstärken könnte.
Die Bonner Forscher nutzten diese Information, um verschiedene Nanobodies chemisch zu verbinden. Dabei entstanden multivalente Nanobodies, die in den Laborexperimenten eine mehr als 100-fach stärkere neutralisierende Wirkung erzielten. Die mehrfache Bindung der Nanobodies am Spikeprotein senkt nach Einschätzung von Schmidt auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus durch eine Mutation eine Resistenz entwickelt, was als „Immunescape“ bezeichnet wird.
Die Firma Dioscure Therapeutics, eine Ausgründung der Universität Bonn, will die Nanobodies jetzt in klinischen Studien testen. Erste Tests mit den Präparaten DIOS-202 und DIOS-203 sollen noch in diesem Jahr beginnen, teilt der Hersteller in einer Pressemitteilung mit.
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