Studie: SARS-CoV-2 kann auch die Bauchspeicheldrüse infizieren

Ulm – Bei gravierenden Krankheitsverläufen kann SARS-CoV-2 offenbar auch die Betazellen des Pankreas infizieren, wie eine am Universitätsklinikum Ulm durchgeführte Studie zeigt.
Dies erkläre möglicherweise das Auftreten diabetesähnlicher Krankheitssymptome bei COVID-19-Patienten sowie die Verschlechterung des Zuckerstoffwechsels bei an COVID-19 erkrankten Diabetikern, wie die beteiligten Wissenschaftler in Nature Metabolism berichten (2021; DOI: 10.1038/s42255-021-00347-1).
„Bei Patienten mit einer COVID-19-Erkrankung gibt es immer wieder Verläufe, bei denen auch die Regulation des Blutzuckerspiegels gestört ist“, erklärt Martin Wagner, kommissarischer Sektionsleiter der Endokrinologie an der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Ulm. So treten bei schweren Krankheitsverläufen häufiger Symptome wie Hyperglykämien oder Ketoazidosen auf.
„Aktuelle Studien berichten dazu über Verschlechterungen bekannter Diabeteserkrankungen, aber auch über Fälle von neu aufgetretenem Diabetes nach durchgemachter COVID-19 Erkrankung“, ergänzte Alexander Kleger, dessen Arbeitsgruppe sich intensiv mit der Erforschung von Pankreas-Erkrankungen beschäftigt.
In der Ulmer Studie wurde kultiviertes humanes Pankreasgewebe gegenüber SARS-CoV-2 exponiert. Dabei zeigte sich, dass das Virus in die insulinproduzierenden Betazellen eindringen kann. Sie bilden ebenso wie Zellen in der Lunge oder im Darm die Serinprotease TMPRSS sowie das Transmembranprotein ACE2, die SARS-CoV-2 für die Infektion von Zellen braucht.
Bei den Untersuchungen stellte sich zudem heraus, dass sich mit SARS-CoV-2 infiziertes Pankreasgewebe morphologisch, transkriptionell und funktional verändert. So war zum Beispiel die Anzahl der Insulingranula verringert und die durch Glukose ausgelöste Insulinsekretion gestört Virusproteine im Pankreas postmortem nachweisbar.
Ein weiterer Befund: Die SARS-CoV-2-Infektion des Pankreas war auch bei Autopsien von 4 verstorbenen COVID-19-Patienten sichtbar. „Wir fanden SARS-CoV-2-Nukleokapsidprotein in exokrinen Pankreaszellen sowie in Zellen mit dem Betazellmarker NKX6.1, die sich in der Nähe der Langerhans`schen Inseln befinden“, schreiben die Autoren.
„Selbst nachdem in der Lunge keine Virusproteine mehr zu finden waren, konnten diese in der Bauchspeicheldrüse noch nachgewiesen werden, und dies bei unterschiedlich langen Krankheitsverläufen“, berichtet der Ulmer Pathologe Thomas Barth. Dies deute möglicherweise darauf hin, dass SARS-CoV-2 nicht nur – wie bereits vielfach gezeigt – andere Organe als die Lunge infiziert, sondern dass diese Infektionen auch häufiger und andauernder sind als bisher angenommen.
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