Medizin

Studie untersucht bimodales Riechtraining für COVID-19-Patienten

  • Freitag, 6. Januar 2023
/goanovi, stock.adobe.com
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St. Louis/Missouri – Für die Riechstörungen, unter denen viele Patienten nach COVID-19 leiden, gibt es der­zeit keine effektive Therapie. An einer US-Klinik wurde in einer randomisierten Studie untersucht, ob ein spe­zielles Riechtraining die Erholung beschleunigen kann. Die Ergebnisse wurden kürzlich in JAMA Otolaryn­go­logy (2022; DOI: 10.1001/jamaoto.2022.4112) vorgestellt.

Riechstörungen sind eine häufige Begleiterscheinung von Virusinfektionen. Die meisten Patienten erholen sich, wenn die Schleimhäute abgeschwollen sind und die Duftstoffe das Riechepithel wieder erreichen. Es gibt aller­dings eine Gruppe von Patienten, bei denen die Riechstörungen länger andauern. Bei COVID-19 ist dies häufiger der Fall.

Eine mögliche Behandlung dieser postviralen Riechstörung ist ein Riechtraining. Ihr Ziel ist es, durch gezielte Geruchsimpulse die Neubildung von Sinneszellen zu stimulieren. Die Patienten werden gebeten, regelmäßig an Wattebäuschen zu schnüffeln, die mit einem bestimmten Duftstoff getränkt sind und nur für die Riech­pro­be aus einem luftdichten Behälter entnommen werden.

Die Evidenz ist begrenzt. Eine jüngst in Otolaryngology – Head and Neck Surgery (2021; 164: 244-254) publi­zierte Metaanalyse kam jedoch zu dem Ergebnis, dass das Training die Riechfähigkeit verbessern kann. An den zugrunde liegenden Studien hatten jedoch keine COVID-19-Patienten teilgenommen.

Ein Team um Jay Piccirillo von der Washington University School of Medicine in St. Louis hat die Wirksamkeit in dieser Patientengruppe erstmals in einer größeren randomisierten Studie untersucht. Es beteiligten sich 275 COVID-19-Patienten im Alter von 18 bis 71 Jahren (zu 86 % Frauen), die seit durchschnittlich 6 Monaten unter Riechstörungen litten.

Die Teilnehmer schnupperten 3 Monate lang 2-mal täglich für 15 Sekunden an 4 geruchsimprägnierten Wa­t­te­pads mit einer 30-Sekunden-Pause zwischen den Gerüchen. Die Hälfte verwendete 4 konventionelle Düfte: Rose, Zitrone, Eukalyptus und Nelke. Die andere Hälfte durfte sich 4 Düfte aussuchen. Zur Auswahl standen 24 Geruchsnoten aus den 6 Kategorien „fruchtig“, „Zitrus“, „erdig“, „blumig“, „Minze“ und „Gewürz“.

In beiden Gruppen wurde jeweils die Hälfte der Teilnehmer gebeten, sich gleichzeitig Bilder der Pflanzen an­zusehen, die diese Düfte produzieren. Die Einbeziehung des Sehens wird als bimodale Therapie bezeich­net. Eine 5. Gruppe von Patienten nahm an keinem Riechtraining teil.

Der primäre Endpunkt der Studie waren die Veränderungen im „University of Pennsylvania Smell Identi­fica­tion Test“ (UPSIT). Er besteht aus einem Heftchen mit verschiedenen Duftstreifen und insgesamt 40 Fragen zu den Gerüchen. Aus den Antworten ergibt sich ein Score von 0 bis 40 Punkten.

Vor dem Riechtraining erzielten die Teilnehmer in den einzelnen Gruppen durchschnittlich zwischen 23,7 und 26,4 Punkte. Nach dem Training waren es zwischen 25,4 und 28,5 Punkte. Die Verbesserungen waren minimal und nach den Berechnungen von Piccirillo nicht signifikant. Dies ist ein enttäuschendes Ergebnis, der den Auf­wand eines Riechtrainings kaum rechtfertigen würde.

Es gab allerdings in den einzelnen Gruppen Personen, die eine klinisch relevante Verbesserung des UPSIT um 4 Punkte oder mehr erreichten. Im bimodalen Training mit den von den Patienten bevorzugten Düften waren es 18 von 34 Patienten (53 %), im bimodalen Training mit vorgegebenen Düften 15 von 37 Patienten (41 %).

In der unimodalen Gruppe erzielten 12 von 40 Patienten (30 %) bei Patientenpräferenz und 11 von 38 (29 %) bei vorgegebenen Düften eine relevante Verbesserung des Riechempfindens. In der Kontrollgruppe gingen die Riechstörungen nur bei 5 von 21 Patienten (24 %) zurück.

Auch in der Selbsteinschätzung der Patienten („Clinical Global Impressions Impression-Improvement“) kam es nach der bimodalen Therapie häufiger zu einer Verbesserung als in der Kontrollgruppe (35 % versus 19 %). In einem Fragebogen zur Lebensqualität („Olfactory Dysfunction Outcomes Rating“ ODOR), dessen Ergebnisse von 0 bis 112 Punkte reichen, kam es zu einer Verbesserung um durchschnittlich 11,6 Punkte, die allerdings nicht als klinisch relevant eingestuft wurde.

Die Ergebnisse waren damit nicht eindeutig, und die stark subjektiv geprägten Messinstrumente schließen nach Einschätzung der Editorialistin Carol Yan von der Universität von Kalifornien in San Diego einen Place­boeffekt nicht aus. Angesichts einer fehlenden evidenzbasierten Behandlung könne das Riechtraining einigen Patienten jedoch helfen, die Zeit bis zur Erholung zu überbrücken, die sich nach den bisherigen Erfahrungen bei den meisten Patienten früher oder später einstellt.

rme

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