Ursprung von SARS-CoV-2: Die Diskussion geht weiter

Würzburg − Die Frage, wie SARS-CoV-2 entstanden ist, beschäftigt weiterhin die Forschung. Nun gibt es eine neue Debatte um eine als Preprint veröffentlichte, noch keinem Peer-Review unterzogenen Studie (BioRxiv 2022, DOI: 10.1101/2022.10.18.512756). Darin kommen Wissenschaftler aus Deutschland und den USA zu dem Schluss, SARS-CoV-2 könnte sehr wahrscheinlich in einem Labor und nicht durch natürliche Evolution entstanden sein.
Doch es regt sich Widerstand: Experten von der Universität Würzburg haben die Daten geprüft. Ihrer Meinung nach liegen nicht genügend Hinweise für einen synthetischen Ursprung des Virus vor. Zudem weisen sie auf erhebliche methodische Mängel der Untersuchung hin.
In der Preprint-Studie haben die Autoren das Genom von SARS-CoV-2 analysiert. Den statistischen Analysen zufolge gäbe es ein auffälliges Muster an Schnittstellen für bestimmte Restriktionsenzyme, hieß es. Daraus schlussfolgern sie, dass das Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit in vitro beziehungsweise im Labor entstanden sei.
So würde die Restriktionskarte des Virus, die die Positionen dieser Schnittstellen darstellt, alle Kriterien erfüllen, die für ein reverses Genetiksystem sprechen. Außerdem stimme sie mit vielen zuvor berichteten synthetischen Coronavirusgenomen überein und unterscheide sich von den engsten Verwandten durch eine signifikant höhere Rate an stillen Mutationen in diesen Positionen. Darüber hinaus habe sie einen synthetischen Fingerabdruck, der sich so nicht aus den engsten Verwandten entwickeln konnte.
Dem widersprechen Florian Erhard und Lars Dölken, Institut für Virologie und Immunbiologie, Universität Würzburg, sowie Oliver Kurzai, Institut für Hygiene und Mikrobiologie, Universität Würzburg, in einer Pressemitteilung. „Anders als von den Autoren behauptet, kann das Schnittstellenmuster auch natürlich entstanden sein – ähnliche Muster finden sich auch bei eng mit SARS-CoV-2 verwandten Coronaviren.“
Zudem würde die Position der Schnittstellen im Bereich des Gens, das für das Spikeprotein kodiert, nicht sicher darauf hinweisen, dass eine gentechnische Manipulation des SARS-CoV-2 Genoms vorliegt. Weiterhin bemängelten die Würzburger Forscher unter anderem die fehlerhaften und unvollständigen statistischen Analysen.
Sie bescheinigen jedoch, dass das Preprint „sorgsam ausgearbeitet und die grundlegenden wissenschaftlichen Anforderungen insbesondere im Hinblick auf eine einwandfreie und transparente Darstellung der verwendeten Methodik erfüllt.“
Aber aufgrund der aus ihrer Sicht methodischen Schwachstellen würden wesentliche Folgerungen der Autoren des Preprints einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten und seien überinterpretiert worden.
„In der Summe ergibt sich aus den in der Studie vorgelegten Analysen keine sichere Evidenz für die von den Autoren formulierte Schlussfolgerung, dass SARS-CoV-2 synthetischen Ursprungs sei“, schreiben Erhard, Kurzai und Dölken. „Die Frage nach dem genauen Ursprung von SARS-CoV-2 bleibt damit weiterhin offen.“
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