WHO gibt Entwarnung: Kein Hinweis auf neues Pandemievirus in China

Genf – Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht derzeit keine Hinweise auf ein neues Pandemievirus. Die ungewöhnliche Häufung von schweren Pneumonien, zu denen es in den vergangenen Wochen im Norden Chinas und in der Hauptstadt Peking gekommen ist, wird von Experten mit dem Nachholeffekt im ersten Winter nach dem Ende der Null-COVID-Politik in Verbindung gebracht. Ein möglicher Erreger ist das Bakterium Mycoplasma pneumoniae.
In den vergangenen Tagen hatten Posts auf der Plattform ProMed für Aufregung gesorgt. Am 21. November war dort auf den Beitrag eines chinesischen Fernsehsenders hingewiesen worden. Dort wurde berichtet, dass die Kinderkrankenhäuser in Peking, Liaoning und anderen Orten mit kranken Kindern überfüllt seien und Schulen und Klassen kurz vor der Schließung stünden.
Die Kinder seien an einer ungewöhnlichen Lungenentzündung erkrankt, hieß es, die mit hohem Fieber, aber ohne Husten einhergehe. Im Fernsehbericht kamen verschiedene Eltern zu Wort, die sich schlecht informiert fühlten und sich deshalb fragten, ob die Behörden eine Epidemie vertuschen würden.
Auch auf ProMed setzten daraufhin Spekulationen ein. Die meisten Experten vermuteten dort einen durch den „lockdown exit“ bedingten Nachholeffekt. Die chinesische Regierung hatte ihre Null-COVID-Politik erst Anfang Dezember letzten Jahres aufgegeben.
Zuvor hatte es Einschränkungen der persönlichen Kontakte gegeben. Die Maßnahmen hatten nicht nur die Ausbreitung von SARS-CoV-2 eingedämmt, auch die saisonalen Atemwegserkrankungen waren ausgeblieben. Die nachwachsenden Kinder konnten keine Immunität entwickeln und sind nach dem Ende des Lockdowns wehrlos gegenüber den saisonalen Erregern.
Zu denen gehört in China (aber auch anderswo) Mycoplasma pneumoniae. Laut einem Bericht in Emerging Microbes & Infections (2022; DOI: 10.1080/22221751.2022.2078228) hatte es vor der Pandemie in Peking jedes Jahr eine Epidemie gegeben, die im August einsetzte und im Oktober ihren Höhepunkt erreichte. Diese war in den letzten beiden Jahren ausgefallen.
Mycoplasma pneumoniae kann bei Kindern eine Pneumonie auslösen. Diese geht allerdings im Röntgenbild eher mit kleinfleckigen pulmonalen Infiltrationen einher. In den Posts war von knotenartigen Läsionen die Rede, was nicht zu Mycoplasma pneumoniae passt.
Es ist aber möglich, dass sich das Krankheitsbild bei fehlender Immunität verändert. Andere mögliche Kandidaten, die in den Wintermonaten Erkrankungswellen auslösen, sind Influenza, das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) und in Zukunft wohl auch SARS-CoV-2.
Laut der Stellungnahme der WHO hat die nationale chinesische Gesundheitskommission bereits am 13. November auf einen Anstieg der Inzidenz von Atemwegserkrankungen in Nordchina hingewiesen, der bereits Mitte Oktober begonnen habe.
China verfügt laut WHO über Systeme zur Erfassung von saisonalen Atemwegsinfektionen und beteilige sich an Plattformen wie dem „Global Influenza Surveillance and Response System“. Die chinesischen Behörden sehen laut WHO ebenfalls einen Zusammenhang mit dem Ende der Null-COVID-Maßnahmen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte, für Deutschland sei keine Gefahr ersichtlich. „Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass es sich um eine saisonale Häufung mit bekannten Erregern handelt, also keine neuen Erreger, keine besondere Gefahr, insbesondere auch keine Gefahr für Europa“, sagte er.
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