Zeitlupe oder Zeitraffer: Pandemie bringt innere Uhr durcheinander

London – Viele Menschen haben den Lauf der Zeit während der ersten Coronawelle anders wahrgenommen als sonst. Das geht aus einer in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlichten Studie britischer Forscher hervor (DOI: 10.1371/journal.pone.0235871).
Ein Team der John-Moores-Universität in Liverpool befragte dafür rund 600 Menschen in Großbritannien zwischen dem 7. und 30. April in einer Online-Umfrage zu Zeitempfinden, Gemütszustand und persönlichen Umständen.
Mehr als 80 % der Befragten gaben an, die Zeit der Kontaktbeschränkungen sei für sie entweder schneller oder langsamer vergangen als sonst. Wer älter und unzufrieden mit dem Maß seiner sozialen Kontakte war, für den verging die Zeit häufig langsamer. Wer jünger und zufriedener war, verspürte eher eine Beschleunigung der Ereignisse.
Interessant ist dieses Ergebnis vor allem, weil frühere Studien zeigten, dass ältere Menschen einen Zeitraum von 10 Jahren im Rückblick gewöhnlich als kürzer wahrnehmen als jüngere Menschen.
Der Psychologieprofessor Helmut Prior von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main sieht keinen Widerspruch. Wer in der Zeit der coronabedingten Kontaktbeschränkungen ein nur wenig ereignisreiches Leben hatte, habe einzelne Tage möglicherweise als quälend lang empfunden, so Prior. Später einmal im Rückblick könne sich das anders darstellen.
„Wenn diejenigen, für die das über viele Wochen so lief, zurückschauen, haben sie fast das Gefühl, da war überhaupt keine Zeit“, sagte der selbst nicht an der Studie beteiligte Wissenschaftler.
Für Menschen, die in der Krise stärker gefordert waren als vorher, beispielsweise Eltern und Beschäftigte in systemrelevanten Berufen, sei die Zeit im momentanen Empfinden offenbar schneller vergangen. Doch im Rückblick könne es sich für sie so anfühlen, als seien es beinahe Jahre gewesen, sagte Prior.
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