Änderungen am Gesetz zur Epidemischen Lage kurz vor der Abstimmung

Berlin – Die SPD erhofft sich von dem neuen Gesetz zur Fortgeltung der epidemischen Lage mehr Rechtssicherheit für die Maßnahmen in der Coronapandemie. Bei der Frage nach Lockerungen oder Verschärfungen sollen neben dem Inzidenzwert auch andere Kriterien eine Rolle spielen, wie SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese heute in Berlin sagte.
Auf eine entsprechende Gesetzesänderung verständigte sich die große Koalition. Nach Wieses Worten sollen neben den Inzidenzwerten von 50 oder 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnen binnen einer Woche auch der Fortschritt bei den Impfungen und der so genannte R-Wert eine Rolle spielen. Er gibt an, wie viele weitere Menschen ein Infizierter rein rechnerisch ansteckt. Weitere Kriterien könnten hinzukommen, betonte der SPD-Politiker.
Mit dem Gesetz will der Gesetzgeber auch ein „parlamentarisch Begleitgremium“ einsetzen, das bereits heute vom Gesundheitsausschuss beschlossen wurde. Das Gremium soll als Unterausschuss vom Gesundheitsausschuss geführt werden und insgesamt 21 Mitglieder haben, hieß es aus der SPD-Fraktion.
Demnach stellt die Union sieben Mitglieder, die SPD fünf, die AfD drei, FDP, Linke und Grüne jeweils zwei Mitglieder. Der Ausschuss solle auch in der folgenden Parlamentarischen Sitzungswoche zu einer ersten Sitzung zusammen kommen. FDP, Linke und Grüne votierten gegen die Einsetzung. Nach Angaben der Linken votierte neben der großen Koalition auch die AfD für das Gremium.
„Dass die Koalitionsfraktionen mit den rechtspopulistischen Coronaleugnern gemeinsame Sache machen, ist unfassbar“, erklärte der gesundheitspolitischer Sprecher der Linken, Achim Kessler. Der Unterausschuss solle „nicht öffentlich hinter verschlossenen Türen beraten“. CDU/CSU, SPD und AfD verhinderten so weiterhin „die transparente öffentliche Beratung über Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie“.
„Es ist ein erster weiter Schritt, das Parlament besser zu beteiligen“, entgegnete Dirk Heidenblut in einer Bundestagsdebatte. Anhörungen von Expertinnen und Experten wären öffentlich und nicht hinter verschlossenen Türen.
Auch in der Debatte unter Vertragsärzten bei möglichen Honorarausfällen gerade in Arztgruppen mit einem hohen Anteil an extrabudgetären Leistungen stellt das Gesetz nun klar, dass Kassenärztliche Vereinigungen die Honorarverteilungsmaßstäbe anpassen können. Es werde klargestellt, „dass auch Kompensationszahlungen für Fallzahlrückgänge im Bereich der extrabudgetären Leistungen möglich sind“, heißt es.
Allerdings geht der Gesetzgeber davon aus, dass viele der Leistungen „zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden können.“ Das Gesetz sieht zudem vor, dass der Bund zusätzlich 450 Millionen Euro für die Prämien von Pflegekräften zur Verfügung stellt, die durch die Pandemie besonders belastet sind. Dadurch sollen mehr Beschäftigte die Leistung bekommen.
Veränderungen im Gesetz gab es auch bei der Frage der Evaluation der Pandemiemaßnahmen: Ursprünglich war eine Evaluation für Ende März 2022 durch die Leopoldina vorgesehen. Nun soll die Evaluation „interdisziplinär erfolgen“ und von unabhängigen Sachverständigen, die „jeweils zur Hälfte von der Bundesregierung und vom Deutschen Bundestag benannt werden.“ In der Anhörung zum Gesetz hatten Expertinnen und Experten angezweifelt, ob das Evaluierungsgremium angemessen ist.
Das „Gesetz zur Fortgeltung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite" soll morgen im Bundestag verabschiedet werden und am 1. April in Kraft treten. Weitere Verbesserungen wird es nach Angaben der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Bärbel Bas auch beim Kinderkrankengeld geben, das Eltern in Anspruch nehmen können, wenn ihre Kinder wegen der Pandemie zuhause bleiben. Ein Entschädigungsanspruch werde nun auch dann bestehen, wenn die Eltern die Möglichkeit zum Homeoffice haben.
Geholfen werden soll durch das Gesetz zudem den Pflegeeinrichtungen, die wegen der Coronapandemie mit Mindereinnahmen zu kämpfen haben. Denn viele ältere Menschen vermeiden es wegen der Ansteckungsgefahr, sich in eine vollstationäre Einrichtung zu begeben. Die Häuser bekommen pandemiebedingte Minderausgaben noch bis zum 30. Juni erstattet.
In die Neufassung des Gesetzes soll zudem die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) vorgeschlagene Priorisierung der Coronaimpfungen aufgenommen werden. In das Gesetz soll ein Absatz eingefügt werden, der die Bedingungen benennt, unter denen Bürgerinnen und Bürger prioritär geimpft werden – etwa „Personen mit einem besonders hohen Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf“.
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