Politik

Antimikrobielle Resistenzen nehmen weiter zu

  • Donnerstag, 21. November 2024
/Dr_Microbe, stock.adobe.com
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Berlin – Antimikrobielle Resistenzen (AMR) sind eine große Bedrohung für die Menschen und ihre Zahl nimmt weiter zu. Das betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute auf dem AMR-Workshop im One-Health-Kontext, der im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) stattfand.

Aktuell setze sich die Menschheit mit vielen Krisen auseinander – etwa Kriege oder große politische Umbrüche, sagte Lauterbach. Dennoch sollten wichtige andere Aspekte wie der Erhalt der Biodiversität und die Bewältigung des Klimawandels, aber auch der Kampf gegen AMR nicht aus den Augen verloren werden. „Wir müssen diesen Kampf weiterführen.“

„Die antimikrobiellen Resistenzen steigen seit Jahren an, es geht einfach immer nur in die gleiche Richtung – mehr Resistenzen entstehen“, warnte Lauterbach. So gebe es derzeit mehr Erreger, die Resistenzen entwickeln, als Erreger, die mit Antibiotika behandelt werden können.

Es brauche angesichts der zunehmenden AMR eine weltweite Initiative, die aktuell noch fehle, betonte der Minister. Dennoch konnten Erfolge erzielt werden. So seien die Raten an Infektionen mit methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA) seit Jahren in Deutschland rückläufig. Sie lägen deutlich unter dem Durchschnitt in der Europäischen Union (EU). Weiterhin sei der Antibiotikaverbrauch in der Veterinärmedizin rückläufig.

Sepsis ist ein großes Problem

Doch dies reiche nicht aus, so Lauterbach. „Die Bemühungen sind da, aber wenn wir jetzt nachlassen würden, würden wir den Kampf gegen die Resistenzen verlieren.“ Hierzulande träten etwa deutlich mehr sepsisbedingte Todesfälle auf als im europäischen Durchschnitt. „Sepsis ist der große unbekannte Killer in unserer Gesellschaft.“ Sie sei die dritthäufigste Todesursache in Deutschland.

Die Sepsisquote liegt Lauterbauch zufolge in Deutschland über derjenigen in Ländern mit einem vergleichbaren Gesundheitssystem. Dafür sei auch die Krankenhausstruktur verantwortlich. Prävention und Sepsiskontrolle würden nicht als Schwerpunkte gelten, es fehlten Fachabteilungen für Infektiologie. Bei der Krankenhausreform sei es deshalb ein wichtiges Ziel gewesen, die Leistungsgruppe Infektiologie aufzubauen.

Sepsis würde etwa durch den falschen Einsatz von Antibiotika verursacht, sagte der Bundesgesundheitsminister. Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge stürben fünf Millionen Menschen weltweit pro Jahr an einer Sepsis. Dabei seien die meisten Fälle vermeidbar.

Nicht zuletzt deswegen habe das BMG den Fachdialog im AMR-Workshop im One-Health-Kontext veranstaltet, so Lauterbach. Es gehe darum, Empfehlungen für den Kampf gegen AMR zu erhalten, die in Gesetze oder Verord­nungen umgesetzt werden könnten.

Im Kampf gegen AMR sei es unbedingt notwendig, die Perspektive der Betroffenen zu betrachten, forderte Chris­toph Baller von der AMR Patient Group. So haben viele Menschen mit durch resistente Erreger hervorgerufene Infektionen und ihre Angehörigen häufig das Gefühl der Machtlosigkeit. Darüber hinaus empfänden sie die ärzt­liche oder medizinische Aufklärung als unzureichend. Zudem seien die Informationen zu AMR etwa im Internet für die Patientinnen und Patienten oft nicht verständlich.

Ohne den One-Health-Ansatz geht es nicht

Ein wichtiger Aspekt, um gegen AMR vorzugehen, ist der One-Health-Ansatz, den auch Lauterbach betonte. Dieser galt lange als die Schnittstelle zwischen den Bereichen Mensch, Tier und Umwelt, berichtete Thomas Mettenleiter vom One-Health-High-Level-Expert-Panel (OHHLEP). Das Konzept der Interaktion zwischen Mensch, Tier und Umwelt sei vor der COVID-19-Pandemie vor allem auf die AMR bezogen worden. Das habe sich nun geändert und Zoonosen seien etwa mehr in den Blickpunkt geraten.

Der Biologe und ehemalige Direktor des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI) Mettenleiter wies in diesem Zusammen­hang darauf hin, dass sich Erreger oder AMR nicht nur von Tieren, Umwelt auf die Menschen, sondern auch um­gekehrt von Menschen auf Tiere ausbreiten könnten.

Das OHHLEP – ein Gremium, das die Quadripartite bestehend aus der WHO, der Ernährungs- und Landwirt­schafts­organisation der UN (FAO), dem Umweltprogramm der UN (UNEP) und der Weltorganisation für Tierge­sundheit (WOAH) wissenschaftlich und strategisch berät, – sollte politikrelevante Empfehlungen geben und dabei mithelfen, eine langfristige, strategische Entwicklung in die Wege zu leiten, so Mettenleiter.

„Aber das Wichtigste, was wir geliefert haben, ist, dass wir One-Health neu definiert haben“, hob der Biologe hervor. Demnach handelt es sich um einen Ansatz, der drei Bereiche verbindet: Sektoren und Disziplinen (Mensch, Tier, Umwelt) sowie alle Ebenen der Gesellschaft (etwa ländlicher, städtischer Lebensraum, lokal und national oder regional und global) münden mittels Kommunikation, Kooperation, Koordination und Kapazitäts­aufbau in eine gesunde Umwelt, gesunde Tiere und gesunde Menschen.

„Der Mensch ist Teil des Tierreichs und hat eine gemeinsame Umwelt“, vereinfachte Mettenleiter die Definition. Was häufig vergessen würde, dass die Definition auf fünf Grundprinzipien beruhe. Dazu gehöre Gleichheit zwi­schen den Sektoren und Disziplinen, soziopolitische und multikulturelle Gleichberechtigung, sozioökologisches Gleichgewicht, Stewardship sowie transdisziplinäre Zusammenarbeit. Dies gehöre zusammen. „One Health ist kein Konzept, One Health ist eine Art zu leben.“

One Health in Deutschland

Die Deutsche Antibiotikaresistenz-Strategie (DART) 2030 berücksichtigt den One-Health-Ansatz. Sie wurde 2030 veröffentlicht, berichtete Alexandra Clarici vom BMG. Beteiligt sind neben dem BMG das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das Bundes­ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie das Bundesministerium für Um­welt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV).

Der dazu gehörige Aktionsplan laufe bis Ende 2025 und solle dann revidiert und angepasst werden, sagte Clarici. Er umfasse die sechs Handlungsfelder Prävention, Surveillance und Monitoring, sachgerechter Einsatz der Anti­biotika inklusive Labordiagnostik, Kommunikation und Kooperation, europäische und internationale Zusammen­arbeit sowie Forschung und Entwicklung. Für diese Bereiche seien Maßnahmen geplant oder bereits umgesetzt worden.

Im ersten Bereich Prävention von Infektionen und AMR gebe es etwa beim Robert-Koch-Institut die Kommission für Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen und in Einrichtungen und Unternehmen der Pflege und Eingliederungshilfe (KRINKO), erklärte Clarici. Sie entwickele etwa Empfehlungen zur Prävention von nosoko­mialen Infektionen.

Eine weitere Maßnahme sei das Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung, berichtete Thilo Nölke vom BMEL. Primär gehe es darum, die Haltungsbedingungen tiergerechter zu gestalten und damit letztlich auch ihre Gesundheit zu verbessern.

Darüber hinaus etwa solle der Ausbau der Abwasserbehandlung gefördert werden, sagte Ines Rönnefahrt vom BMUV. Spezifische Maßnahmen dienten dazu, den Eintrag von Antibiotika und AMR in die Umwelt zu verringern. Sie betonte: „Jede Maßnahme der Prävention ist natürlich auch immer ein Beitrag zum Umweltschutz, weil jedes Antibiotikum, jedes Medikament, das gar nicht erst angewendet wird, endet auch nicht in der Umwelt.“

dpa/aks

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