Politik

Astrazeneca: Bund und Länder schließen sich STIKO-Empfehlung an

  • Mittwoch, 31. März 2021
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erläutern den Bund-Länder-Beschluss zur Verimpfung von Astrazeneca /picture-alliance
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erläutern den Bund-Länder-Beschluss zur Verimpfung von Astrazeneca /picture-alliance

Berlin – Bei den Coronaimpfungen in Deutschland kommt eine neue vorsorgliche Altersbeschränkung für das Mittel von Astrazeneca. Das Präparat soll ab diesem Mittwoch in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden, wie die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Dienstagabend beschlossen. Unter 60-Jährige sollen sich „nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung“ weiterhin damit impfen lassen können. Hintergrund sind Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen. Erst Mitte März waren Astrazeneca-Impfungen nach einer mehrtägigen Impfpause und neuen Überprüfungen wieder angelaufen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rechtfertigte die Entscheidung mit Blick auf das Vertrauen in die Corona-Impfungen, räumte aber auch eine Verunsicherung ein. „Vertrauen entsteht aus dem Wissen, dass jedem Verdacht, jedem Einzelfall nachgegangen wird“, sagte sie nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder. Die Alternative sei gewesen, etwas unter den Teppich zu kehren oder die Fälle ernst zu nehmen. Unter allen Abwägungen sei dies daher der Weg, der noch zu „möglichst bestem Vertrauen“ führe, sagte Merkel. „Wenngleich ich die Verunsicherung nicht wegreden kann.“ Dass verschiedene Impfstoffe zur Verfügung stünden, sei ein großes Glück. Bund, Länder und Kommunen wollten nun gemeinsam Änderungen bei den Impfplanungen klären.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, die Bürger könnten sich darauf verlassen, dass in Deutschland zugelassene Impfstoffe „akribisch überwacht“ würden. „Andererseits ist es ohne Frage ein Rückschlag, dass bei einem unserer verfügbaren Impfstoffe in dieser Pandemie für eine bestimmte Altersgruppe offenbar ein erhöhtes Risiko besteht.“ Menschen über 60 könnten nun schneller geimpft werden. „Insofern kann ich alle über 60-Jährigen tatsächlich ausdrücklich nur bitten, dieses Impfangebot auch wahrzunehmen“. Der Impfstoff sei sehr wirksam, gerade auch bei Älteren. Merkel und Spahn bekräftigten das Ziel, bis Ende des Sommers allen Bürgern ein Impfangebot zu machen.

Menschen unter 60 sollen in Arztpraxen mit Astazeneca geimpft werden

Die Länder sollen nun auch schon 60- bis 69-Jährige für das Mittel von Astrazeneca mit in ihre Impfkampagnen einbeziehen können, heißt es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Beschluss der Gesundheitsminister. „Dies gibt die Möglichkeit, diese besonders gefährdete und zahlenmäßig große Altersgruppe angesichts der wachsenden 3. Welle nun schneller zu impfen.“ Derzeit laufen generell Impfungen in den ersten beiden Prioritätsgruppen, zu denen - bezogen auf das Lebensalter - Menschen ab 70 Jahre gehören. Wenn Menschen unter 60 sich für Astrazeneca entscheiden, sollen diese Impfungen grundsätzlich in den Praxen der niedergelassenen Ärzte erfolgen.

Zuvor hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) eine entsprechende neue Altersbeschränkung für Astrazeneca empfohlen. Grundlage seien derzeit verfügbare Daten zum Auftreten „seltener, aber sehr schwerer thromboembolischer Nebenwirkungen“. Diese seien 4 bis 16 Tage nach der Impfung ganz überwiegend bei Personen im Alter unter 60 Jahren aufgetreten, teilte das beim Robert Koch-Institut (RKI) angesiedelte Gremium mit. In Deutschland sind bisher 31 Fälle solcher Blutgerinnsel nach Impfungen mit Astrazeneca bekannt, wie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) am Dienstag berichtete.

Zur Zweitimpfung von Menschen, die bereits die erste Dosis Astrazeneca erhalten haben, will die Stiko bis Ende April eine Empfehlung abgeben. Nach dem Beschluss von Bund und Ländern könnten aber Menschen unter 60, die schon die erste Dosis Astrazeneca erhielten, bereits davor die Zweitimpfung von Astrazeneca bekommen - nach Rücksprache mit dem Arzt. Laut Impfquotenmonitoring des Robert-Koch-Instituts (RKI) wurden bisher rund 2,7 Millionen Erstimpfungen gemacht, aber vorerst nur 767 Zweitimpfungen.

Kontrollfunktion des Paul-Ehrlich-Instituts funktioniert

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hält durch die geänderte Impfempfehlung einen Vertrauensverlust für möglich. „Es kann sein, dass dadurch Vertrauen schwindet", sagte Mertens den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Mittwoch. Es könne aber auch das Gegenteil bewirken. Der Fall zeige, dass die Kontrollfunktion des Paul-Ehrlich-Instituts gut funktioniere.
"Sie haben mehr als 30 besorgniserregende Fälle registriert, es wurde intensiv geprüft und Alarm geschlagen und jetzt reagiert man darauf. Das sollte eigentlich vertrauensbildend sein", sagte Mertens dem Redaktionsnetzwerk.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zeigte sich am Abend optimistisch, dass die die Entscheidung keine großen Auswirkungen auf die Impfkampagne in Deutschland haben wird. „Wir werden eine kleine Delle haben von ein paar Tagen, wo es Verwirrung gibt, aber dann wird das Impftempo wieder voll anziehen“, sagte Lauterbach in den ARD-„Tagesthemen“. Generell überwiege bei über 60-Jährigen der Nutzen über möglichen Risiken. „Es ist ein sehr guter Impfstoff, den ich weiter empfehlen kann“, sagte Lauterbach. Die Entscheidung der Bundesregierung sei aber richtig gewesen. Man müsse auf die neuen Daten reagieren, denn „das ist keine Kleinigkeit, über die wir hier reden.“

FDP-Generalsekretär Volker Wissing kritisierte derweil das Krisenmanagement der Regierung: „Dieses sprunghafte, dass die Bundesregierung an den Tag legt, führt zu Vertrauensverlust. Wir verlieren Zeit, wir zerstören das Vertrauen in die Impfung, sagte Wissing bei „Bild live“ am Dienstagabend. Es sei „mehr als erklärungsbedürftig“, dass der Impfstoff „erst für Jüngere, dann für Ältere, dann wieder mit Risiko und plötzlich nur für Ältere“ sicher sei. Die Verunsicherung nehme von Tag zu Tag zu.

Die Impfungen mit Astrazeneca sind eine wichtige Säule im Kampf gegen die Pandemie. Seit einiger Zeit steigen die Infektionszahlen in Deutschland wieder deutlich. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) von Dienstagmorgen bei 135,2. Am Vortag hatte das RKI noch 134,4 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und sieben Tagen gemeldet. Ähnlich hoch waren die Werte zuletzt Mitte Januar.

dpa/afp

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