Politik

Bund will Kranken- und Pflegeversicherung mit Darlehen stützen

  • Dienstag, 24. Juni 2025
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) (M) bei der heutigen Vorstellung des Entwurfs des Bundeshaushalts 2025 und der Eckwerte für den Entwurf des Bundeshaushalts 2026. Links: Staatssekretär (BMF), Steffen Meyer. /picture alliance, SZ Photo, Jürgen Heinrich
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) (M) bei der heutigen Vorstellung des Entwurfs des Bundeshaushalts 2025 und der Eckwerte für den Entwurf des Bundeshaushalts 2026. Links: Staatssekretär (BMF), Steffen Meyer. /picture alliance, SZ Photo, Jürgen Heinrich

Berlin – Die Bundesregierung will die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV) nicht über zusätzliche Finanzmittel stabilisieren. Stattdessen sollen neue Darlehen gewährt und bestehende später zurückgezahlt werden. Darauf hat sich das Bundeskabinett heute verständigt.

Als frische Darlehen sind in den Haushalten je 2,3 Milliarden Euro für die GKV in den Jahren 2025 und 2026 verankert. Die Darlehen sind ab 2029 schrittweise zurückzuzahlen.

Durch die Darlehen kann die Finanzierungslücke in der GKV für das Jahr 2026 „erheblich reduziert, aber nicht geschlossen werden“, schreibt das Bundesministeriums für Gesundheit (BMG).

Die zugesagten Darlehen würden somit nicht ausreichen, um im kommenden Jahr Beitragssatzsteigerungen zu verhindern. Ursächlich sei „eine extrem hohe Ausgabendynamik“. Nach derzeitiger Einschätzung dürfte die verbleibende Finanzierungslücke bei etwa vier Milliarden Euro liegen.

Um die Finanzsituation der Pflegeversicherung kurzfristig zu stabilisieren, will der Bund 2025 und 2026 zwei nicht zu verzinsende Darlehen gewähren. 2025 werden 500 Millionen Euro an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung und 2026 weitere 1,5 Milliarden Euro überwiesen. Beide Darlehen sind ab 2029 über einen Zeitraum von fünf Jahren zurückzuzahlen.

Für 2025 kann damit aus Sicht des BMG voraussichtlich die Finanzlage der Pflegeversicherung stabilisiert werden. Für 2026 sind zusätzliche Finanzierungselemente notwendig, um die Beitragssätze konstant zu halten. Es fehlen mindestens weitere zwei Milliarden Euro, um das zu erwartende Defizit zu decken, wie es hieß.

Die Krankenhäuser in Deutschland erhalten in den Jahren 2025 und 2026 zudem zusätzlich vier Milliarden Euro über den Krankenhaustransformationsfonds. Der Anteil des Bundes soll nicht wie zunächst vorgesehen von den Krankenkassen, sondern aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität finanziert werden.

Ziel der Bundesregierung sei es, die Beitragssätze in den beiden Sozialversicherungen stabil zu halten und weder die Wirtschaft noch die Verbraucher zusätzlich zu belasten, teilte das BMG mit. Ressortchefin Nina Warken (CDU) sagte, die Etateinigung der Regierung zeige die Handlungsfähigkeit der Koalition in schwierigen Zeiten.

„Trotzdem ist uns bewusst, dass dieser Haushaltsentwurf nicht das letzte Wort sein kann. Ich setze dabei aufs parlamentarische Verfahren.“ Sie sei sich mit Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) einig, dass Beitragserhöhungen verhindert werden müssten, um den Wirtschaftsaufschwung nicht zu gefährden.

Die Bundesgesundheitsministerin räumte zugleich ein, dass die Probleme der Kassen mit den Darlehen aufgeschoben, aber nicht aufgehoben seien. „Deshalb begleiten wir die aktuellen Nothilfen mit Strukturreformen. Zwei Kommissionen werden schnell Ergebnisse vorlegen müssen, um mittel- und langfristige Lösungen zu finden.“

Auch Klingbeil sprach heute in der Bundespressekonferenz von einer Übergangslösung, die die Darlehen darstellten. Die Mittel sollten greifen, bis die Kommissionen Reformen der Sozialsysteme vorgelegt hätten.

Die Finanzspritzen kommen zudem zusätzlich zum regulären Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro. Wegen steigender Kosten waren die Zusatzbeiträge, die die Krankenkassen jeweils für ihre Versicherten festlegen, zu Jahresbeginn bereits auf breiter Front gestiegen.

Der Etat für Gesundheit im Einzelplan 15 steigt insgesamt von 16,7 Milliarden Euro auf 19,3 Milliarden Euro. Einbezogen sind dabei aber auch die Darlehen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds. Bereits im Mai hatte der Bund eine Finanzspritze von 800 Millionen Euro für die GKV vorgezogen.

Kritik von allen Seiten

Die Opposition im Bundestag hat die Beschlüsse zum Bundeshaushalt für die kommenden Jahre als unzureichend kritisiert. „Was Warken hier an zusätzlichen Steuermitteln in Kranken- und Pflegekassen zuschießt, reicht vorn und hinten nicht“, sagte Paula Piechotta, Mitglied im Haushaltsausschuss und Berichterstatterin für den Gesundheitsetat der Grünen Bundestagsfraktion.

Aus ihrer Sicht gleicht das „nicht mal die Schulden aus, die das BMG aus den Coronajahren den Pflegekassen bis heute nicht zurückerstattet hat“. „Das ist kein nachhaltiger Beitrag zur Beitragsstabilisierung, sondern hilft der Koalition nur über einen Sommer ohne notfallmäßige Beitragserhöhung.“

Der vorgelegte Haushaltsentwurf nutze die „historische Chance nicht“, erklärte der Grünen-Haushaltspolitiker Sebastian Schäfer. Vor allem der Klimaschutz „verkommt zur Randnotiz“.

Die Linke kritisierte vor allem den starken Fokus auf die Verteidigungsausgaben. „Unsere Kommunen brauchen keine Panzer, sondern funktionierende Kitas, Busse und eine bezahlbare Energiewende“, sagte der Sprecher für Kommunalfinanzen im Bundestag, Sascha Wagner.

Kritik kam auch von den Krankenkassen. „Wir sind enttäuscht, dass die vollständige Refinanzierung versicherungsfremder Leistungen wieder nicht angegangen wird“, sagten Uwe Klemens und Susanne Wagenmann, Verwaltungsratsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes.

Einmal mehr fehle in der Haushaltsplanung des Bundes die vollständige Gegenfinanzierung der gesundheitlichen Versorgung der Bürgergeldbeziehenden und die Finanzierung der Rentenbeiträge für die pflegenden Angehörigen. Staatliche Sozialleistungen und versicherungsfremde Leistungen seien vom Staat zu bezahlen und nicht an die Beitragszahlenden der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung weiterzureichen, betonten sie.

Was die Eckwerte zur mittelfristigen Haushaltsplanung offenbarten, sei „enttäuschend“ und bleibe „weit hinter unseren Erwartungen und den Ankündigungen von Ministerin Warken zurück“, sagte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands.

Die erhoffte nachhaltige Stabilisierung der Finanzen von GKV und SPV durch die kostendeckende Refinanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeldbeziehenden durch den Bund suche man in den Eckwerten vergeblich. Auch die vollständige Erstattung der vorgestreckten Coronakosten seien nicht berücksichtigt.

„Stattdessen wurden völlig unzureichende Teilbeträge auf Darlehensbasis eingestellt, und es wird auf mögliche Ergebnisse der Kommissionen verwiesen. Das sieht eher danach aus, als wolle man GKV und SPV in die Schulden treiben, statt die Beitragssätze nachhaltig zu stabilisieren“, sagte sie.

Aus Sicht von Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V., ist die Überbrückung der akuten Liquiditätsprobleme „auf Pump“ zum einen nicht ausreichend und zum anderen das Gegenteil von nachhaltig.

„Alleine die verfassungsmäßig erforderliche Rückzahlung der von der GKV übernommenen Gesundheitskosten von Bürgergeldbeziehenden würde jährlich etwa zehn Milliarden Euro für den Gesundheitsfonds bedeuten“, sagte er. Dagegen seien die jetzt vorgesehenen 2,3 Milliarden Euro Darlehen nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

„Die Bundesregierung lässt die Pflege im Stich“, sagte der Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP), Thomas Greiner. Von Milliardenzuschüssen für versicherungsfremde Leistungen bis zu großzügigen Leistungen für pflegende Angehörige – die großen Versprechen erwiesen sich als Luftschlösser.

„Statt echter Unterstützung gibt es Darlehen, die im besten Fall kurzfristig stabile Beiträge sichern. Es geht um Kosmetik, nicht um wirksame Lösungen. Die Planlosigkeit der Union und der Bürokratiefetisch der SPD treiben die Altenpflege in den Versorgungskollaps.“

Florian Reuther, Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV), betonte, weitere Steuerzuschüsse für die Kranken- und Pflegeversicherung bedeuteten eine zusätzliche Schuldenfinanzierung und eine unverhältnismäßig starke Belastung jüngerer Generationen.

„Auch wenn der Entwurf des Bundeshaushalts neue Zuschüsse als Darlehen vorsieht, stellt das keinen nachhaltigen Ansatz dar. Langfristig bringen nur echte Strukturreformen eine Lösung. Dafür sind eine Stärkung der Eigenverantwortung und mehr Kapitaldeckung zwingend erforderlich“, sagte er.

Insgesamt steigen die Ausgaben des Bundes 2025 um 6,1 Prozent auf 503 Milliarden Euro, 28,8 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Für 2026 sind Ausgaben von 519,5 Milliarden Euro vorgesehen. Bis 2029 steigen sie dann auf 573,8 Milliarden Euro. Ab 2028 müssen Ausgaben für Verteidigung aus dem Kernhaushalt finanziert werden, da das Bundeswehrsondervermögen dann nicht mehr zur Verfügung steht.

Die Nettokreditaufnahme steigt 2025 deutlich auf 81,8 Milliarden Euro, nach 33,3 Milliarden Euro im Jahr 2024. Gründe sind vor allem die Mehrausgaben für Verteidigung und für Investitionen sowie die Folgen der schwachen Konjunktur.

Für 2026 ist ein Anstieg der Neuverschuldung auf 89,3 Milliarden Euro geplant, 2027 ein Wert von 87,5 Milliarden Euro. Nach Auslaufen des Bundeswehrsondervermögens geht die Neuverschuldung 2028 steil nach oben auf 115,7 Milliarden Euro, 2029 dann auf 126,1 Milliarden Euro.

Dies führt auch zu deutlich höheren Zinskosten des Bundes, die von 30,2 Milliarden Euro 2025 bis auf 61,9 Milliarden Euro im Jahr 2029 ansteigen sollen. Ungeachtet der hohen Neuverschuldung bleiben in der Finanzplanung zudem noch Lücken in dreistelliger Milliardenhöhe.

Weitere Kredite sind für Ausgaben aus dem seit 2022 bestehenden Bundeswehrsondervermögen sowie für das neue Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz erforderlich. Für 2025 wird deren Umfang mit insgesamt 61,3 Milliarden Euro angegeben, für 2026 mit 83,4 Milliarden Euro und 2027 mit 57,0 Milliarden Euro. 2028 beträgt die Kreditaufnahme dann nur noch für das Infrastruktur-Sondervermögen 58,0 Milliarden Euro, 2029 dann 59,4 Milliarden Euro.

Weitere Mittel kommen aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF), der selbst vorwiegend aus Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel gespeist wird. Eine zuvor geplante Abführung von 20 Milliarden Euro aus dem KTF in den Kernhaushalt soll es nun nicht geben, dafür soll der KTF aber zur Senkung der Gaspreise herangezogen werden.

Die Summe der Investitionen des Bundes wird für 2025 mit 115,7 Milliarden Euro angegeben. Das sind deutlich mehr als die 74,5 Milliarden Euro für 2024. 2026 soll das Investitionsvolumen auf 123,6 Milliarden Euro ansteigen.

Im Haushalt berücksichtigt sind auch finanzielle Auswirkungen des geplanten „Investitionsboosters“ zur Ankurbelung der Wirtschaft sowie zur Senkung der Energiekosten für Betriebe und in geringerem Maße auch für private Verbraucher. Weitere finanzielle Belastungen für den Bund bedeuten dessen aktuell vereinbarte Kompensationsleistungen für Steuerausfälle an Kommunen und Länder.

dpa/afp/kna/may

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung