Bundesregierung sieht keine Gefahr einer Opioidepidemie

Berlin – Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, in Deutschland eine Opioidepidemie wie in den USA zu befürchten. Das geht aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordnetengruppe Die Linke hervor. Dabei muss sie jedoch umfassende Erkenntnislücken zu vielen Aspekten des Verordnungsgeschehens einräumen.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs sowie Maßnahmen zur Aufklärung und Prävention haben aus Sicht der Bundesregierung verhindert, dass Opioidabhängigkeit zu einem ähnlich großen Problem für die öffentliche Gesundheit geworden ist wie in den USA.
Zwar ist die Zahl der Opioidverordnungen nach Zahlen des GKV-Spitzenverbands zwischen 2012 und 2018 von unter 15 auf mehr als 17 Millionen pro Jahr gestiegen. Seitdem sind die Verordnungszahlen jedoch relativ konstant und zuletzt sogar leicht gesunken.
Eine Über- oder Unterversorgung liege ebenfalls nicht vor. „Die Bundesregierung geht aktuell von einer bedarfsgerechten Versorgungslage mit opioidhaltigen Arzneimitteln aus“, schreibt das Bundesgesundheitsministerium (BMG).
Weitergehende Informationen wie eine Aufschlüsselung nach Indikationsgebieten oder die Entwicklung der Verordnungszahlen in der Palliativmedizin, in der Schmerztherapie oder der Behandlung von Nicht-Tumorschmerzen liegen der Bundesregierung hingegen nach eigenen Angaben nicht vor.
Stattdessen verweist sie auf den Opioidreport 2022, demzufolge Verordnungs- und Diagnosedaten kaum Auffälligkeiten in der Stichprobe aufzeigen würden. Auch der Report bestätige die Wirksamkeit der betäubungsmittelrechtlichen Kontrollinstrumente gegen den übermäßigen Gebrauch von stark wirkenden Schmerzmitteln.
Einblicke hätte zumindest das von der Bundesregierung finanzierte Projekt „Konsum von Benzodiazepinen und Opioiden bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ (BOJE) geboten.
„Demnach haben sich die Konsumerfahrungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Opioiden zwar merklich erhöht, es ist jedoch weiterhin von einem begrenzten Phänomen auszugehen, das in erster Linie drogenaffine Personen betrifft“, schreibt das BMG in seiner Antwort.
Genauere Angaben zur illegalen Beschaffung von Opioiden zu Missbrauchszwecken kann das Ministerium ebenfalls nicht machen. Zwar ist die Zahl der registrierten Rezeptfälschungsdelikte von 2014 bis 2020 von 1193 auf 964 gefallen. Allerdings lägen keine Daten vor, in vielen dieser Fälle es sich um Opioidverordnungen gehandelt hat. Auch eine Dunkelziffer könne nicht angegeben werden.
Um problematische Verordnungen bestimmter stark wirksamer Opioide, für die ein Zusatznutzen für Patienten nicht evidenzbasiert nachgewiesen werden konnte, zu thematisieren, sei neben Warnhinweisen auf Fentanylpräparaten vor allem eine zielgerichtete Beratung von Ärzten durch die Krankenkassen eine sinnvolle Option.
Auch, ob Pharmaunternehmen – ähnlich wie in den USA – gezielt Einfluss auf Ärzte nehmen oder das über Sponsoring von Kongressen oder Preisen zu tun versuchen, entziehe sich der Kenntnis der Bundesregierung.
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