Bundesregierung will mehr gegen Einsamkeit unternehmen

Berlin – Mit einer „Allianz gegen Einsamkeit“ will die neue Bundesfamilienministerin Karin Prien dem gesellschaftlichen Phänomen verstärkt entgegenwirken. Hintergrund sind auch mögliche gesundheitliche Folgen für Betroffene, wie die CDU-Politikerin heute in Berlin betonte.
„Einsamkeit kann krank machen“, sagte Prien zur Eröffnung der Konferenz „Gemeinsam aus der Einsamkeit“, die das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) zusammen mit dem Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) ausrichtete.
Einsamkeit komme oftmals leise daher, sie könne etwa bei Jugendlichen unbemerkt bleiben. „Umso mehr sind wir gefordert, das Thema laut und offensiv anzugehen.“ Es gelte, den Betroffenen Wege aus ihrer Lage aufzuzeigen.
An der geplanten Allianz sollen sich Bund, Länder, Kommunen, Verbände, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Gesundheit beteiligen, „um Einsamkeit in der Gesellschaft vorzubeugen, zu lindern und Menschen ganz konkret zu unterstützen“, hatte das Ministerium kürzlich erklärt.
Sie wolle das bestehende Netzwerk ausbauen und verstärken, erläuterte Prien in Berlin. Datenerhebung und Forschung sollen demnach gestärkt werden, um zielgenaue Maßnahmen ableiten zu können. Zudem sollen neue Themenbereiche „mit den passenden Partnern“ angepackt werden, etwa soziale Gesundheit in Unternehmen und im Homeoffice.
Insbesondere in der Prävention müsse mehr getan werden, um beispielsweise Krankheitsbilder wie eine Depression zu vermeiden, sagte Sven-Olaf Obst, Unterabteilungsleiter in Priens Ministerium. Einsamkeit könne in jungen Jahren losgehen und sich über das gesamte Leben ziehen.
Der Gesundheitsbereich hänge bei dem Thema noch „etwas hinterher“, aber solle stärker mit eingebunden werden, betonte Obst. „Wir wissen, dass viele Menschen über ihre Arztkontakte versuchen, auf ihre Einsamkeit aufmerksam zu machen.“
Man wolle prüfen, ob das Thema über das Präventionsgesetz stärker verankert und damit auch stärker ins Bewusstsein etwa der Krankenkassen gerufen werden könnte. Zudem gebe es die Überlegung, ein Gesundheitsziel zur Einsamkeit festzulegen.
Einsamkeit an sich sei keine Krankheit, sondern in gewissem Maße sogar hilfreich – als eine Art Warnsignal für Menschen, die wieder in Kontakt gehen sollten, betonte Caroline Mitschke vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik. „Da muss man differenzieren und aufpassen, weil eine Pathologisierung auch immer zu einer Stigmatisierung führt.“
Die Einsamkeitsstrategie wolle die Bundesregierung fortschreiben und und weiterentwickeln, bekräftige Prien. Darauf hatten sich Union und SPD im Koalitionsvertrag verständigt.
Von heute an will die Bundesregierung mit der inzwischen dritten Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ auf das Thema aufmerksam machen. Dabei sollen auch mögliche niedrigschwellige Angebote zum Austausch und zur Begegnung in der Gemeinschaft aufgezeigt werden.
Einem Bericht der Techniker Krankenkasse (TK) vom Dezember zufolge leiden vor allem jüngere Menschen in Deutschland unter Einsamkeit. 68 Prozent der 18- bis 39-Jährigen gaben darin an, sich häufig oder zeitweise einsam zu fühlen.
Insgesamt leiden über alle Altersgruppen hinweg 58 Prozent der Menschen unter einem Gefühl der Einsamkeit. Häufig geht diese mit einer Depression einher.
Die alte Bundesregierung hatte bereits im Dezember 2023 eine ressortübergreifende Strategie gegen Einsamkeit mit mehr als 100 Maßnahmen beschlossen. Diese soll auf einen systematischen Umgang mit Einsamkeit in Deutschland abzielen.
Das Thema sei inzwischen angekommen, aber man habe auch noch Weg vor sich, sagte Sven-Olaf Obst aus dem BMFSFJ. Die im Gesundheitsbereich geplante Erhöhung der Zahl der Psychotherapeutenstellen etwa sei „sicher ein langwieriges Verfahren“. Insgesamt seien von den Maßnahmen mehr als 80 Prozent in der Umsetzung, so der Unterabteilungsleiter.
Im Juni 2023 fand die erste Aktionswoche gegen Einsamkeit statt, im Juni 2024 die zweite, am heutigen Montag beginnt nun die dritte. In ganz Deutschland sollen sich Vereine, Initiativen und Projekte mit Aktionen beteiligen. Dieses Jahr lautet der Impuls „Gemeinsam spielen“.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: