Coronabelastung: Wirtschaftsinstitut empfiehlt neues Bewertungsinstrument

Essen – Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat als Entscheidungsgrundlage für ein adäquates Management der Coronapandemie ein neues Bewertungsinstrument entwickelt: die sogenannte risikoadjustierte Inzidenz.
„Eine hohe Impfquote unter den vulnerablen, älteren Bevölkerungsgruppen hat die Bedeutung der Sieben-Tage-Inzidenz für das Gesundheitswesen stark verändert“, hieß es aus dem Institut. Aber die Hospitalisierungsinzidenz sei keine geeignete Alternative, weil sie nicht als Frühwarnsystem dienen könne.
Denn ebenso wie Daten zur Belegung der Intensivstationen bilde sie erst die Meldungen von bereits erfolgten Krankenhauseinlieferungen ab. Zudem werde nicht jede Krankenhauseinweisung umgehend gemeldet.
„Die Abweichung zwischen der ausgewiesenen und der tatsächlichen Hospitalisierungsinzidenz – mit Nachmeldungen – betrug in den vergangenen Monaten nach RWI-Berechnungen rund 48 Prozent“, erklärte das Institut. Als einfache Lösung schlägt das RWI eine risikoadjustierte Inzidenz vor.
Dafür werden für jedes Meldedatum die altersspezifischen Inzidenzen mit der Wahrscheinlichkeit einer Krankenhauseinweisung in der jeweiligen Altersgruppe gewichtet. Die resultierende Kennzahl sei deutlich aussagekräftiger als die Sieben-Tage-Inzidenz und eigne sich im Gegensatz zur aktuell ausgewiesenen Hospitalisierungsinzidenz als Frühindikator, hieß es aus dem RWI.
Die Autoren des Konzeptes, Boris Augurzky, Martin Fischer und Christoph Schmidt, warnen vor Kennzahlen, die für die Kommunikation des Pandemiegeschehens zu kompliziert sind. „Zuviel an Komplexität kann im praktischen Gebrauch dazu führen, dass die verwendeten Kennzahlen schwer kommunizierbar und Entscheidungen für die Allgemeinheit damit nicht länger nachvollziehbar sind.
Zudem besteht die Gefahr, dass bei der Ableitung von Handlungsoptionen aufgrund politischer Interessen auf mehr oder weniger willkürliche Ausschnitte der Gesamtinformation zurückgegriffen wird“, schreiben sie in dem Papier. Es sei daher wichtig, „die richtige Balance zwischen Komplexität einerseits und Handhabbarkeit sowie Kommunizierbarkeit andererseits zu finden“, betonen sie.
Die risikoadjustierte Inzidenz sei eine solche handhabbare und gleichzeitig verlässliche Kennzahl. Berechnungen zeigten, dass die Abweichung zwischen der auf Basis der risikoadjustierten Inzidenz prognostizierten und der tatsächlichen Hospitalisierungsinzidenz seit April 2021 im Durchschnitt bei lediglich rund acht Prozent liege. „Die Adjustierung kann durch die Berücksichtigung weiterer Merkmale wie Geschlecht oder Impfstatus verfeinert werden und lässt sich auch regional berechnen“, erläutern die Autoren.
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