Debatte in Bayern über Widerspruchslösung

München – In Deutschland gibt es zu wenig Spenderorgane. Wie eine Lösung aussieht, darüber ist nun in Bayern eine Debatte entbrannt. Während die CSU die Widerspruchslösung befürwortet, lehnen die Freien Wähler im Landtag diese Lösung ab.
Derzeit warten bundesweit etwa 8.400 Menschen auf ein Spenderorgan. Deutschland liegt bei der Zahl der Organspenden international auf einem hinteren Platz. Die Zahl der Spender stagniert seit Jahren. 2023 wurden 2.877 Organe von 965 Menschen gespendet.
Um die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen, planen eine Gruppe von Parlamentariern der meisten Fraktionen und mehrere Bundesländer einen zweiten Anlauf für die Einführung einer Widerspruchslösung.
Dann wäre jeder Bürger ein potenzieller Organspender, außer er hat ausdrücklich widersprochen. Nach derzeitigem Recht bedarf es einer ausdrücklichen Zustimmung zu Lebzeiten, um einem hirntoten Menschen Organe zu entnehmen.
Der bayerische CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek sagte gestern, die bayerische Bundesratsinitiative für eine erweiterte Widerspruchslösung ebne den Weg dazu. Sollte sie Gesetz werden, wäre Organspende künftig „der Normalfall und nicht mehr der Sonderfall“.
Wichtig sei, Menschen mit Kampagnen aufzuklären. „Alle Bürgerinnen und Bürger sollen am besten selbst eine Entscheidung treffen, das nimmt dann auch viel Last von den Schultern der nahen Angehörigen.“
Der CSU-Gesundheitspolitiker Bernhard Seidenath sagte mit Blick auf fehlende Organe: „In unserem Land sterben Menschen, die nicht sterben müssten.“ Bei Lichte besehen handle es sich bei der angestrebten Rechtsänderung nur um einen „ganz kleinen Schritt“.
Die Koordinatoren für Transplantationen führten wie bisher Gespräche mit Angehörigen. Die zu fällende Entscheidung bleibe gleich. Die Herangehensweise für die Organspende sei nur viel positiver. Der Gesetzgeber würde damit dokumentieren, „dass er Organspende für eine gute Sache hält“.
Um mehr Organspenden zu ermöglichen, setzt die Landtagsfraktion der Freien Wähler hingegen auf eine eigene Strategie: eine Erklärpflicht. Den Vorstoß des Bundesrates zu einer Organspendereform mittels Widerspruchslösung lehnen die Freien Wähler ab, wie Fraktionsvorsitzender Florian Streibl in München sagte. Bei einer Erklärpflicht würden alle Bürger einmal im Leben aufgefordert, sich für oder gegen Organspende zu entscheiden.
In der vom Bundesrat angestrebten Widerspruchslösung sehen die Freien Wähler bestenfalls eine Übergangslösung, so Streibl. „Eine Organ- oder Gewebespende muss immer freiwillig sein – das legt bereits der Begriff „Spende“ nahe.“
Menschen dürften nicht automatisch und ohne ausdrückliche Einwilligung zu Organspendern werden. Bei der Erklärpflicht – etwa in Zusammenhang mit dem Ausstellen eines Personalausweises – müssten sich Bürger für oder gegen eine Organspende entscheiden. Dabei könnten sie auch festlegen, welche Organe sie zu spenden bereit wären.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der FW im Landtag, Susann Enders, kritisierte an der Widerspruchslösung, dass weiterhin unter Umständen Angehörige in einer Klinik nach dem Hirntod eines Menschen entscheiden müssten, ob ihm Organe entnommen werden dürften. Indem sich jeder Bürger und jede Bürgerin mittels Erklärpflicht ausdrücklich für oder gegen eine Organspende aussprechen, bliebe Angehörigen dies erspart.
Sollte die Widerspruchslösung den Bundestag passieren, bleibe den Freien Wählern die Möglichkeit, künftig Teil des Bundestages zu werden und dann eine neue Initiative anzustoßen, sagte Streibl. Seine Partei wolle aber auch auf die CSU zugehen und eine gemeinsame Lösung finden.
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