Debatte über Lockerungen für Geimpfte geht weiter

Berlin – Um Lockerungen für Menschen, die vollständig gegen das Coronavirus SARS-Cov-2 geimpft sind, wird weiter kontrovers diskutiert. Bundesregierung und Länder hatten sich vorgestern grundsätzlich darauf verständigt, Erleichterungen für vollständig gegen das Coronavirus Geimpfte sowie für Genesene auf den Weg zu bringen.
Vorgesehen ist auf Bundesebene, Geimpfte weitgehend mit negativ getesteten Menschen gleichzustellen. Doch eine Entscheidung dazu soll erst bundesweit Ende Mai fallen. Einige Bundesländer nahmen daraufhin die Sache selbst in die Hand nahmen.
Nach zum Beispiel Bayern, Berlin und Hessen gestern zog heute Sachsen-Anhalt nach. Auch dort sollen vollständig Geimpfte künftig von Testpflicht auf das Coronavirus befreit werden. Mit einem Nachweis über einen vollständigen Impfschutz sei es bereits jetzt möglich, etwa zum Friseur oder in ein Geschäft zu gehen, ohne einen negativen Test nachweisen zu müssen.
Die Bundesebene will nun nach den Länderbeschlüssen schneller agieren. Man plane die Verordnung zu Erleichterungen für Geimpfte nun vorab mit Bundestag und Bundesländern abzustimmen, um das Verfahren zu beschleunigen, hieß es heute. „Noch vor der Befassung im Kabinett soll dazu eine Verständigung mit Bundestag und Bundesländern hergestellt werden“, sagte ein Regierungssprecher.
Ungebremste Debatte
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) kündigte heute an, sie werde schnellstmöglich eine Verordnung zu Erleichterungen für Geimpfte auf den Weg bringen. Es sei wichtig, nun möglichst schnell ein Signal an alle Geimpfte zu senden, sagte Lambrecht im ARD-„Morgenmagazin“.
„Wir müssen aufzeigen, dass rechtsstaatliche Grundsätze in Normalzeiten gelten, aber auch in Pandemiezeiten“, argumentierte die Justizministerin. Wenn von Menschen keine Infektionsgefahr mehr ausgehe, falle auch die Begründung für die Einschränkung von Grundrechten weg. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung zu solchen Erleichterungen: „Das muss zügig kommen.“
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer warnte mit Rücksicht auf Menschen, die noch keine Impfung bekommen können, vor zu weitgehenden Lockerungen. Es sei wichtig, dass weiterhin „auch Rücksicht auf die Menschen genommen wird, die derzeit noch keine Impfung haben können“.
Dies gelte vor allem für junge Menschen und Familien, „die seit über einem Jahr in großer Disziplin und Solidarität die Schutzmaßnahmen eingehalten haben, um vor allem andere zu schützen“, sagte die Ministerpräsidentin der Funke Mediengruppe. Eine Gleichstellung von Geimpften mit Getesteten, etwa beim Friseurbesuch halte aber auch sie für sinnvoll. Dies sei in Rheinland-Pfalz auch bereits so geregelt worden.
„Nur die Gleichsetzung mit negativ Getesteten reicht nicht“, sagte dagegen FDP-Chef Christian Lindner den Sendern RTL und n-tv. Zum Beispiel solle es auch möglich sein, „dass Großeltern, die geimpft sind, zur Familie ihrer Kinder kommen können, ohne bei der Kontaktbeschränkung dazugezählt zu werden“, verlangte Lindner in der Sendung „Frühstart“. Auch sollten Geimpfte von Ausgangssperren ausgenommen werden.
Sachsen-Anhalts-Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte die Bundesregierung auf, das Verfahren zu beschleunigen. „Am besten noch in dieser Woche“ solle eine Verordnung für mehr Rechte für Geimpfte vorgelegt werden, verlangte er im Handelsblatt, bereits am 7. Mai könnte der Bundesrat die Neuregelung beschließen.
Zur Eile drängte auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Es müsse darum gehen, Grundrechtseingriffe „so schnell wie möglich zurückzunehmen“, sagte er in Düsseldorf.
Auf Lockerungen vor allem für geimpfte ältere Menschen drängte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. „Es ist schlichtweg nicht einsehbar, wenn etwa in Seniorenheimen mit einer hohen Impfquote weiter strenge Beschränkungen gelten“, sagte er der Welt.
Eine Gleichstellung von Geimpften und Getesteten verlangte auch der Präsident des Deutschen Städtetages, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD).
Auch der Präsident des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, forderte, Geimpften ihnen zustehende Freiheiten wieder zurückzugeben. Er kritisierte in der Passauer Neuen Presse das Fehlen einer klaren Linie von Seiten der Politik. Dies gelte auch für die Impfpriorisierung, wo Ärzte mehr Ermessensspielräume erhalten sollten.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: