Debatte um Malus bei Impfpflichtverstößen

München – Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat vorgeschlagen, bei Verstößen gegen die geplante allgemeine Coronaimpfpflicht nicht nur Bußgelder zu verhängen, sondern auch finanzielle Konsequenzen zu erwägen. Das stößt auf Kritik.
„Wir sollten zusätzlich auch prüfen, ob Malusregelungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung möglich und sinnvoll wären“, hatte Holetschek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gesagt.
Denn das Risiko für Ungeimpfte, an Corona schwer zu erkranken, sei deutlich erhöht, so der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK). „Die Prüfung, ob dies gegebenenfalls möglich und sinnvoll wäre, hat durch den Bund zu erfolgen im Kontext der Umsetzung einer allgemeinen Impfpflicht.“
Holetschek nannte keine Präferenzen. Infrage kämen höhere Krankenkassenbeiträge für Ungeimpfte, eine Beteiligung an den Behandlungskosten oder die Streichung des Krankengeldes. Die beiden letztgenannten Möglichkeiten sind schon geregelt, nämlich bei Folgebehandlungen nach medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operationen, Tattoos oder Piercings.
Dann habe „die Krankenkasse die Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern“, heißt es im Sozialgesetzbuch.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, lehnte höhere Krankenkassenbeiträge für Impfunwillige und Impfgegner strikt ab. „Die solidarische gesetzliche Krankenversicherung mit über 100-jähriger Geschichte kennt keine risikoadaptierten Prämien“, sagte Gassen der Rheinischen Post.
„In der Logik des bayerischen Gesundheitsministers müsste es zukünftig auch Zuschläge für Raucher oder Patienten mit Übergewicht geben, da auch diese regelhaft hohe Behandlungskosten auslösen“, sagte Gassen. Es bleibe zudem rätselhaft, wie Malusregelungen bei Menschen greifen sollen, die im Rahmen von Transferleistungen krankenversichert sind.
„Es wäre besser, die Menschen zu überzeugen“, sagte der KVB-Chef. Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin hatte sich hingegen kürzlich für eine Kostenbeteiligung Ungeimpfter an Krankenhausleistungen ausgesprochen.
„Holetschek sollte nicht mit dem Feuer spielen. Das setzt Fliehkräfte frei, die wir nicht mehr beherrschen können“, erklärte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Wenn dies im Zusammenhang mit einer Impfpflicht gelten solle, müsse alles auf den Prüfstand, was ein Risiko für den Menschen bedeute.
„Das fängt bei Sport an und geht über das Rauchen weiter“, sagt Brysch. Etwa Raucher oder Adipöse an den Kosten ihrer Behandlung beteiligen, wenn sie als Folge ihres Lebenswandels erkrankten, „wäre ein Irrweg“. Bei Schönheits-OPs, Piercings oder Tattoos gehe um risikoreiche Eingriffe. „Nichtgeimpft ist damit in keiner Weise vergleichbar. Unterlassen ist etwas ganz anderes als Handeln. Es wäre eine 180-Grad-Wende im Sozialgesetzbuch“, so Brysch.
Der Bundestag hatte am 10. Dezember eine Impfpflicht für Beschäftigte in Krankenhäusern oder auch in Pflegeheimen beschlossen. Bis zum 15. März 2022 müssen alle Beschäftigten in diesen Bereichen eine vollständige Impfung nachweisen.
Die Union drängt auf eine Verschärfung der Coronaimpfpflicht für Gesundheitsberufe. Für diese sollte „zeitnah über eine Verkürzung des Impfintervalls beraten werden“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), der Bild am Sonntag.
Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) müssen sich die Beschäftigten in Kliniken und Pflegeheimen erst neun Monate nach der Zweitimpfung boostern lassen, um die ab Mitte März geltende Impfpflicht zu erfüllen. Das reiche nicht, so Sorge. Beim Schutz von Senioren und vorerkrankten Personen „können wir uns keine Unsicherheit erlauben“.
Um die Impfquote zu erhöhen, ist auch eine allgemeine Impfpflicht im Gespräch. Angedacht ist, dass der Bundestag ohne Fraktionszwang über eine allgemeine Impfpflicht abstimmt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach den Bund-Länder-Beratungen kurz vor Weihnachten zu einer solchen Pflicht gesagt: „Ich bin nicht der Meinung, dass wir davon Abstand nehmen sollten.“
Allgemeine Impfpflicht soll zügig im Bundestag beraten werden
Die erste Debatte zur allgemeinen Impfpflicht ist laut dem Vizechef der SPD-Fraktion Dirk Wiese für Anfang Januar im Bundestag vorgesehen. Für eine rechtssichere Regelung stellten sich einige „nicht einfache Fragen im Detail“, sagte er der Zeitung. Das betreffe „insbesondere die Frage, ab wann jemand seinen Impfstatus rechtlich verliert und folglich eine Auffrischung notwendig ist“.
Der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz regte einen Stufenplan an. Eine allgemeine Impfpflicht werfe eine Reihe von ethischen, verfassungsrechtlichen und organisatorischen Fragen auf, die vor einer Beschlussfassung geklärt sein müssten, sagte Merz dem RND. „Vielleicht könnte eine Art Stufenplan für gruppenbezogene Impflichten auch zum Ziel führen“, fügte er hinzu.
Dazu zählt er die Bediensteten in Kitas, Schulen und Universitäten, aber auch die der sogenannten kritischen Infrastruktur auf der Hand. Er nannte Polizei und Feuerwehr, die Hilfsorganisationen vom Roten Kreuz bis zum THW sowie „andere wichtige Institutionen, die wir für das Land auch außerhalb von Corona brauchen“. „Ihnen könnte man eine solche Pflicht auferlegen, weil sie von Anfang ihrer Tätigkeit an eine Verpflichtung eingegangen sind, diesem Land zu dienen“, betonte der CDU-Politiker.
Holetschek forderte die Bundestagsparteien auf, die allgemeine Impfpflicht noch im Januar auf den Weg zu bringen. „Wir müssen die allgemeine Impfpflicht zeitnahe zum Wirksamwerden der einrichtungsbezogenen Impfpflicht starten.“ Viele Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen fühlten sich durch die Neuregelung stigmatisiert. „Mit einer allgemeinen Impfpflicht sorgen wir für eine Gleichbehandlung und verhindern zudem, dass noch mehr Pflegekräfte ihren Beruf verlassen.“
Eine mögliche Impfpflicht werde „die Spaltung der Gesellschaft eher überwinden als vertiefen“, zeigt sich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der Welt am Sonntag überzeugt. Zum einen würden Vorurteile überwunden. Viele Menschen würden feststellen, dass es nicht so schlimm sei, sich impfen zu lassen, sondern im Gegenteil sogar schütze und Freiheit gebe. Zum anderen könne eine Impfpflicht einigen helfen, „ihr Gesicht zu wahren“, so Söder. „Eine einheitliche Pflicht, die für alle gilt, schweißt zusammen. Das Wichtigste ist nur, dass das Thema jetzt nicht zerredet wird.“
Die erste Debatte zur allgemeinen Impfpflicht ist laut dem Vizechef der SPD-Fraktion Dirk Wiese für Anfang Januar im Bundestag vorgesehen. Für eine rechtssichere Regelung stellten sich einige „nicht einfache Fragen im Detail“, sagte er der Zeitung. Das betreffe „insbesondere die Frage, ab wann jemand seinen Impfstatus rechtlich verliert und folglich eine Auffrischung notwendig ist“.
Der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz regte einen Stufenplan an. Eine allgemeine Impfpflicht werfe eine Reihe von ethischen, verfassungsrechtlichen und organisatorischen Fragen auf, die vor einer Beschlussfassung geklärt sein müssten, sagte Merz dem RND. „Vielleicht könnte eine Art Stufenplan für gruppenbezogene Impflichten auch zum Ziel führen“, fügte er hinzu.
Dazu zählt er die Bediensteten in Kitas, Schulen und Universitäten, aber auch die der sogenannten kritischen Infrastruktur auf der Hand. Er nannte Polizei und Feuerwehr, die Hilfsorganisationen vom Roten Kreuz bis zum THW sowie „andere wichtige Institutionen, die wir für das Land auch außerhalb von Corona brauchen“. „Ihnen könnte man eine solche Pflicht auferlegen, weil sie von Anfang ihrer Tätigkeit an eine Verpflichtung eingegangen sind, diesem Land zu dienen“, betonte der CDU-Politiker.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat seine Äußerungen zu einer möglichen Coronaimpfpflicht unterdessen gegen die Kritik des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) verteidigt. „Die Menschenwürde garantie unserer Verfassung gilt auch für Ungeimpfte“, sagte Kubicki den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
„Dass dieses unverrückbare Wesenselement unseres Gemeinwesens nun zum Teil infrage gestellt wird, halte ich für hochgradig besorgniserregend“, erklärte Kubicki. „Das sollte auch Ministerpräsident Kretschmann, der in der Vergangenheit selbst ja unverhältnismäßige Anticoronamaßnahmen gefordert hat, zu denken geben.“
Kretschmann hatte Äußerungen Kubickis zuvor harsch kritisiert. „Die Aussage von Wolfgang Kubicki, dass es vielen Impfpflichtbefürwortern um Rache und Vergeltung gehe, ist schlichtweg verantwortungslos und völlig ungeeignet, um die Debatte inhaltlich angemessen zu führen“, hatte der Grünen-Politiker gesagt.
Kubicki hielt dagegen. „Winfried Kretschmann rate ich dringend, in der Debatte um die Impfpflicht mehr auf die Zwischentöne zu hören“, sagte er den Funke-Zeitungen. Er habe ausdrücklich betont, dass die politische Diskussion über die Impfpflicht in der Regel von Fairness und Respekt getragen sei.
„Mich besorgt aber, wenn in der allgemeinen Debatte erklärt wird, Ungeimpfte sollten nicht mehr Weihnachten feiern, sollten die Kosten einer möglichen ärztlichen Behandlung selbst tragen oder sollen gar in Kauf nehmen, im Zweifel nicht behandelt zu werden.“
Kubicki führte aus: „Ich hielt es für nicht vereinbar mit dem menschenfreundlichen Impetus des Grundgesetzes, als von einer „Tyrannei der Ungeimpften“ gesprochen wurde oder zum Beispiel Joshua Kimmich in den sozialen Medien mit schlimmsten Respektlosigkeiten überzogen und klammheimliche Freude über seine Coronaerkrankung geäußert wurde.“
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