Politik

Debatte um Umsetzung der einrichtungs­bezogenen Impfpflicht läuft weiter

  • Freitag, 11. Februar 2022
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Berlin – Die Debatte um die konkrete Umsetzung der einrichtungsbezogenen Coronaimpfpflicht läuft weiter. Von mehreren Seiten hatte es zuletzt Be­denken gegeben, dass die Prüfung der einzelnen Fälle kaum zu leisten sei. Außerdem wird befürchtet, dass die Durchsetzung zu große Lücken beim Pflegeper­sonal reißt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat allerdings gegenüber den Bundesländern die Umsetzung der Impf­pflicht für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeheimen angemahnt.

„Es geht um den Schutz derer, die darauf ganz besonders angewiesen sind – Kranke und die ältesten Mitglieder unserer Gesellschaft“, sagte er heute in seiner Antrittsrede im Bundesrat in Berlin. „Ihr Schutz muss und wird weiterhin höchste Priorität für uns haben“, betonte Scholz und wies ausdrücklich auf die aktuelle Debatte um die Impfpflicht in Kliniken, Alten- und Pflegeheimen hin – „die wir alle gemeinsam beschlossen haben“.

Aus Sicht des Rechtsstaates ein Desaster

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) auf­gefordert, die Impfpflicht für Pflegekräfte umzusetzen. Er schaue „konsterniert auf das Verhalten der Uni­on und speziell von Markus Söder, der die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht umsetzen will“, sagte Buschmann dem Tagesspiegel laut Mitteilung von gestern Abend.

„Aus der Perspektive des Rechtsstaates ist es ein Desaster, wenn Länderchefs den Gedanken in den Raum stellen, ein vom Bundestag und Bundesrat beschlossenes Gesetz zu ignorieren.“ Sollte Söder daran fest­halten, wäre das „ein beispielloser Vorgang“, sagte Buschmann.

Söder hatte Anfang der Woche erklärt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflegekräfte zunächst nicht umsetzen zu wollen. Der Kritik an dem Gesetz schlossen sich weitere CDU-Ministerpräsidenten an.

Das Gesetz sieht vor, dass ab dem 15. März Beschäftigte von Einrichtungen wie Kliniken, Arztpraxen so­wie Alten- und Pflegeheimen eine vollständige Impfung gegen das Coronavirus nachweisen müssen. Es gibt Befürchtungen, dass drohende Kündigungen für ungeimpfte Pflegekräfte den Fachkräftemangel verschärfen könnten.

Söder rudert etwas zurück

Söder hatte für seine Ankündigung viel Kritik geerntet. Zuletzt relativierte er seine Aussagen etwas. Der Rheinischen Post sagte Söder: „Wir sind für die Impfpflicht – sowohl für die einrichtungsbezogene als auch die allgemeine. Daran hat sich nicht das Geringste geändert." Für geforderte Nachbesserungen vor dem Inkrafttreten der Impfpflicht sei „noch Zeit". Bayern werde alle rechtlichen Übergangszeiten im Voll­zug nutzen, bis die offenen Fragen geklärt seien.

Die umstrittenen Äußerungen von Söder haben auch zu einem heftigen Schlagabtausch im bayerischen Landtag geführt. SPD, Grüne und FDP warfen Söder und der Staatsregierung gestern in einer lebhaften Debatte Rechtsbruch und Allmachtsphantasien vor. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wies dies scharf zurück.

„Weder der Ministerpräsident noch die Staatsregierung noch jemand anders stellt diese Impfpflicht in Frage“, betonte er und fügte hinzu: „Wir reden über Umsetzungszeiten im Vollzug.“ Söder nahm nicht an der Landtagsdebatte teil.

Der Bayerische Städtetag übte unterdessen deutliche Kritik an der schleppenden Umsetzung der ein­richtungsbezogenen Impfpflicht. Als gravierend bezeichnete es Präsident Markus Pannermayr (CSU), dass wenige Wochen vor der geplanten Einführung wichtige Fragen ungeklärt seien. Der Städtetag forderte von Bund und Ländern eine zügige Klärung dieser Fragen. Die von Söder angekündigten Übergangs­fristen könnten Zeit verschaffen, einheitliche Regelungen zu finden.

„Genau genommen gibt es doch keine andere Wahl, als im Zweifelsfall ungeimpfte Pflegekräfte weiter arbeiten zu lassen“, sagte die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, dem Redaktions­netz­werk Deutschland. „Darüber müssen wir offen reden, ohne dass gleich der Vorwurf laut wird, wir würden ungeimpftes Personal schützen.“

Ermessensentscheidung ohne klare Richtlinien nicht möglich

Der Marburger Bund forderte, dass über die Umsetzung der Pflicht beim kommenden Treffen von Bund und Ländern beraten wird: „Anstatt über viele Lockerungen zu sprechen, sollte die Ministerpräsidenten­konferenz in der nächsten Woche viel dringender klären, wie die einrichtungsbezogene Impfpflicht um­gesetzt wird“, sagte die Verbandsvorsitzende Susanne Johna dem RND.

Es sei undenkbar, dass die Gesundheitsämter eine Ermessensentscheidung ohne klare Richtlinien vor­neh­men müssten. „Das ist den Gesundheitsämtern schon im Normalfall nicht zuzumuten und erst recht nicht angesichts der hohen Belastung in der Pandemie.“

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) machte deutlich, dass die Arbeitgeber im Falle der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht die Kontrolle der Impfungen bei Mitarbeitern strikt ablehnen.

„Der Staat darf seine Kontrollpflichten nicht auf Dritte übertragen“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der Rheinischen Post (Freitag). Der Aufbau eines Impfregisters könne ein Beitrag sein, für die Überprüfbarkeit der Impfungen zu sorgen.

afp/dpa/aha

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