Deutschland reißt regelmäßig Fristen bei Arzneimittelzulassungen

Berlin – Deutschland schafft es in den meisten Fällen nicht, bei Arzneimittelzulassungen nach dem dezentralisierten Verfahren die vorgegebene 30-tägige Frist einzuhalten. Grund dafür seien hauptsächlich unzureichende Unterlagen der pharmazeutischen Unternehmen, wie die Bundesregierung in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der AfD erklärt.
Das dezentralisierte Verfahren kommt bei Arzneimitteln mit bekannten Wirkstoffen wie Generika zum Einsatz. Dabei fungiert ein EU-Mitgliedstaat als verfahrensführender Staat (Reference Member State, RMS) und erarbeitet einen Bewertungsbericht (Assessment Report, AR), der den anderen Mitgliedsstaaten (Concerned Member States, CMS) dann zur Verfügung gestellt wird.
Diese können den Bericht dann annehmen oder unter Verweis auf ernsthafte Gefahren für die öffentliche Gesundheit Einwände erheben. Wenn die nationalen Behörden alle relevanten Unterlagen geprüft haben, sollen sie innerhalb von 30 Tagen nach Abschluss des gemeinsamen Bewertungsverfahrens die nationale Zulassung erteilen.
Deutschland könne diese Frist „überwiegend“ nicht einhalten, wie die Bundesregierung einräumt. Dabei zeigen sich auch deutliche Unterschiede zwischen den Zuständigkeitsbereichen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
So betrage die Dauer im Zuständigkeitsbereich des PEI im Durchschnitt 35 Tage, wobei eine große Spanne angegeben wird: Der kürzeste Fall sei demnach noch am Tag des Verfahrensschlusses beendet gewesen, der längste habe 77 Tage in Anspruch genommen. Im Zuständigkeitsbereich des BfArM wiederum betrage die Durchschnittsdauer 188 Tage – im kürzesten Fall seien es 16, im längsten 894 Tage gewesen.
Ist Deutschland nicht verfahrensführend, betrage die Dauer im Zuständigkeitsbereich des PEI im Schnitt 43 Tage mit einer Spanne von 21 bis 63 Tagen, im Zuständigkeitsbereich des BfArM im Durschnitt 208 Tage mit einer Spanne von sieben bis 1.247 Tagen. Für die Angaben seien jene Verfahren herangezogen worden, die zwischen 2020 und 2025 abgeschlossen wurden.
In den von der Bundesregierung angegebenen Zahlen lässt sich zudem vor allem beim BfArM eine fast kontinuierliche Verlängerung der Verfahrensdauer beobachten. So stieg – bezogen auf die gesamte Verfahrenszeit, also nicht nur die nationale Phase – die durchschnittliche Dauer bei Verfahren mit Deutschland als verfahrensführendem Mitgliedstaat beim BfArM von 612 Tagen im Jahr 2020 auf 746 im Jahr 2024, bei Deutschland als beteiligtem Mitgliedstaat von 669 auf 739 Tage.
Beim PEI stieg die durchschnittliche Dauer bei Verfahren mit Deutschland als beteiligten Mitgliedstaat von 142 Tagen im Jahr 2021 auf 224 im Jahr 2024, während sie bei Verfahren mit Deutschland als verfahrensführendem Mitgliedstaat von 417 im Jahr 2020 auf 220 im Jahr 2024 fiel. Dazu, wie lang die Dauer dieser Verfahren in anderen EU-Staaten im Vergleich dauern, lägen der Bundesregierung keine Angaben vor.
Ursächlich für die Dauer seien insbesondere eine verzögerte Bereitstellung der nationalsprachlichen Übersetzung der Produktinformation durch die Antragsteller sowie unzureichende Qualität der eingereichten Unterlagen. Das mache oft Rückfragen oder Korrektureinreichungen durch die Antragsteller erforderlich.
Die Bundesregierung setze sich deshalb dafür ein, dass bei der derzeit verhandelten Reform des EU-Arzneimittelrechtsrahmens die nationale Phase, also die Frist von 30 Tagen zur Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen, erst dann beginnt, wenn vom Antragsteller qualitativ hochwertige Übersetzungen der Produktinformation übermittelt wurden.
Zur Verbesserung der Situation seien zudem im vergangenen Jahr im BfArM Umstrukturierungen vorgenommen und eine zentrale Abteilung für Verfahrensmanagement aufgebaut worden. Ziel sei, durch Bündelung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten Synergien zu schaffen und Fristen besser überwachen zu können.
Dabei sei auch ein Maßnahmenpaket entwickelt worden, das gezielt die nationale Phase verkürzen soll. So sei im BfArM ein „Slot-System“ eingerichtet worden, mit dem Antragsteller verlässliche Bearbeitungszeiträume beantragen und dadurch die Verfahrenszeiten verkürzen können.
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