Politik

Drei-Wochen-Lockdown ab 20. Dezember erwartet

  • Freitag, 11. Dezember 2020
/London Photo, stock.adobe.com
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Berlin – Kurz vor dem nächsten Treffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übermorgen zeichnet sich bereits jetzt ein harter Lockdown bis zum 10. Januar in vielen Bundes­ländern ab. Heute nahmen weitere Bundesländer schon geplante Lockerungen wieder zurück. Sachsen ist diesen Weg bereits gegangen.

Ausgemacht ist dabei aber noch nichts. Einigkeit herrscht nur, dass es einen Lockdown braucht. Der Vor­sitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), will vor Weihnachten ab dem 20. Dezember Einschnitte, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) einen sofortigen Lockdown.

Müller sagte in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“, es gebe von mehreren Ministerpräsidenten Hinweise auf „erhebliche Einschnitte“ bereits ab dem 20. Dezember. Dazu zählte Müller etwa, den Einzelhandel er­heblich herunterzufahren. „Insofern kann man sagen, zwischen dem 20. Dezember und 10. Januar haben wir praktisch drei Wochen schon massive Einschränkungen, die mit Sicherheit auch dazu führen werden, dass die Inzidenzen runtergehen“, sagte Müller.

Müller nahm in der ZDF-Sendung auch zu den Plänen Stellung, in Berlin die Schulen nach den Weih­nachtsferien nicht gleich wieder zu öffnen. „Es ist ganz klar, bis zum 10. Januar wird es keinen Präsenz­be­trieb geben. Wir werden im Senat sehen, ob wir einfach sagen, wir verlängern die Ferien, oder ob wir ab dem 4. ausschließlich digitale Angebote machen, die Kinder zu Hause ansprechen“, so der Regierende Bürgermeister. „Aber wir werden auch in der Grundschule ganz deutlich sagen: Es gibt keinen Präsenz­unterricht bis zum 10. Januar.“

Zur Begründung sagte Müller, es gebe Infektionen, die reingetragen würden in die Schule und aus der Schule in die Familien. Im Umfeld der Schule gebe es viele Kontakte, die zu neuen Infektionen führten.
„Wenn ich also sage bundesweit ist das A und O, die Kontakte runterzufahren, überall, kann ich in einer so dramatischen Situation die Schulen nicht außen vor lassen.“ In Berlin beginnen die Weihnachtsferien am 18. Dezember und würden regulär am 4. Januar enden.

Bisher hatte Sachsen einen frühen harten Lockdown auf den Weg gebracht, dieser soll bereits Montag starten und auch zur Schließung großer Teile des Einzelhandels führen. In mehreren anderen Bundes­ländern gibt es bisher eher Signale, erst ab Weihnachten und damit mit Ende des für den Handel wich­tigen Weihnachtsgeschäfts in den harten Lockdown einzutreten.

Klare, autoritäre Maßnahmen des Staates nötig

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sieht in dem Lockdown die einzige Möglichkeit, die me­di­zinische Versorgung im Land zu gewährleisten. Angesichts der Situation in den Kliniken brauche es nun „ganz klare, autoritäre Maßnahmen des Staates“, sagte der CDU-Politiker heute in Aue nach einem Besuch der Helios Klinik. Dort etwa seien inzwischen alle Intensivbetten belegt. Das gesellschaftliche Leben im Freistaat müsse zur Ruhe kommen, betonte Kretschmer. Nur so werde man es schaffen, den Zulauf in die Krankenhäuser zu verringern.

Bundesinnenminister Seehofer warnte im Spiegel davor, mit dem Lockdown bis nach Weihnachten zu warten. „Die einzige Chance, wieder Herr der Lage zu werden, ist ein Lockdown, der aber sofort erfolgen muss“, sagte Seehofer. Werde bis Weihnachten gewartet, müsse noch für Monate mit hohen Zahlen ge­kämpft werden.

Baden-Württembergs Landesregierung erklärte heute, einen ab Weihnachten beginnenden harten Lock­down zu planen, der bis zum 10. Januar dauern soll. Sollte beim übermorgen anstehenden Treffen der Mi­nisterpräsidenten mit Merkel keine bundeseinheitliche Lösung gefunden werden, werde er eine ge­meinsame Lösung mit den Nachbarbundesländern anstreben, erklärte Ministerpräsident Winfried Kretsch­mann (Grüne). Er bezeichnete die Lage als „leider alarmierend“.

Ausgangssperre in Baden-Württemberg

Wegen steigender Coronazahlen gilt in ganz Baden-Württemberg ab morgen eine Ausgangsbeschrän­kung. Für Ausnahmen müsse man „triftige Gründe“ haben wie die Arbeit oder einen Arztbesuch, sagte Kretschmann.

Zugleich stellte er die bundesweit geplanten Lockerungen der Coronamaßnahmen über Weihnachten wieder infrage. Bisher ist vorgesehen, dass sich vom 23. bis zum 27. Dezember zehn Personen treffen dürfen, unabhän­gig vom Verwandtschaftsgrad und der Zahl der beteiligten Haushalte. Es stehe nun im Raum, das wieder auf Familienangehörige zu begrenzen oder den Zeitraum zu verkürzen, sagte Kretschmann. Das wolle er mit den anderen Ländern besprechen. Wenn man etwas ändere, „sollten wir das auch wieder gemeinsam tun“.

In Thüringen verschärfte die Landesregierung einige Maßnahmen. So werden dort große Teile des Han­dels mit Ablauf von Samstag, 18. Dezember, geschlossen. Ausgenommen sind Läden für den täglichen Bedarf. Sportvereine dürfen mit Ausnahme von Leistungssport bereits ab Montag nicht mehr trainieren. Schulkinder sollen ab Schließung des Handels bis einschließlich 10. Januar in den Distanzunterricht gehen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) erwartet vom Krisengipfel bun­desweit einheitliche Einschränkungen. „Wir haben ein großes Interesse, dass frühzeitig gehandelt wird“, sagte sie im ARD-„Morgenmagazin“. Jetzt werde klar, dass die derzeitigen Maßnahmen nicht ausreichten und „wir uns nochmal zusammensetzen müssen“. Die strengen Einreiseregeln in Mecklenburg-Vorpom­mern, wonach eine Einreise nur für den Besuch der Kernfamilie möglich ist, halte sie auch über die Weih­nachtstage für nötig. „Sie sehen, der Norden handelt streng“, sagte Schwesig.

Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) hatte sich in einem ZDF-„spezial“ zu den Überlegun­gen geäußert, das öffentliche Leben runterzufahren: „Ich gehe davon aus, zwischen dem 19. Dezember und dem 10. Januar werden wir ganz generell in Deutschland eine sehr, sehr ruhige Phase haben. Und das muss auch sein“, sagte Weil.

Weihnachten doch mit weniger Menschen

Weihnachtsfeiern werden in Nordrhein-Westfalen (NRW) voraussichtlich doch nur mit maximal fünf Per­sonen aus bis zu zwei Hausständen erlaubt sein. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) warb heu­te in Düsseldorf für eine entsprechende bundesweite Beschränkung.

Ursprünglich waren für die Weihnachtstage in NRW Lockerungen geplant und Familienfeiern mit bis zu zehn Personen in Aussicht gestellt worden. Laschet will auch keine öffentlichen Partys an Silvester. „An Silvester darf es auf öffentlichen Plätzen keine Versammlungen geben“, sagte er. Auch zum Jahres­wech­sel müsse dieselbe Personenbeschänkung gelten.

Angesichts der anhaltend hohen Zahl an Neuinfektionen seien nun frühere Kontaktbeschränkungen nö­tig. „Wir brauchen eine gesamtdeutsche Antwort.“ Laschet dringt darauf, dass die Ministerpräsidenten „so schnell wie möglich“ mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen bundeseinheitlichen harten Lock­down beschließen. „Der Lockdown muss schnellstmöglich kommen.“

Bei Schulen und Kitas legte sich die schwarz-gelbe Landesregierung schon vor der „schnellstmöglich“ erwünschten Abstimmung der 16 Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin fest: Schon ab Montag muss niemand mehr seine Kinder zur Schule schicken. An der Schulpflicht werde aber festgehalten, sagte NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP).

Wegen der Coronaausbreitung werden Schleswig-Holsteins Schulen ab Montag ihren Präsenzunterricht weitgehend einstellen. Ab der 8. Klasse gibt es keinen Unterricht mehr in den Schulen. Für die Klassen eins bis sieben gilt der Appell an die Eltern zu prüfen, ob ihre Kinder zuhause bleiben können. Das Bil­dungsministerium veröffentlichte heute die Regeln für die kommende Woche bis zu den Weihnachtsfe­rien. Damit können viele Schüler vom 14. Dezember bis 10. Januar einschließlich, also insgesamt vier Wochen, zuhause bleiben.

Am Vormittag hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) im Landtag die Not­wendigkeit eines harten Lockdowns eindringlich beschrieben, um eine Trendwende bei den hohen In­fektionszahlen zu erreichen. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) verwies auf Günthers Regierungserklä­rung, „das dramatische Infektionsgeschehen in Schleswig-Holstein erfordert jetzt Disziplin und Verant­wortungsbewusstsein von uns allen“. Dazu müssten jetzt möglichst umgehend alle Lebensbereiche einen Beitrag leisten.

Alkoholverbot in Bayern

In Bayern hat die Staatsregierung im Kampf gegen das Coronavirus den Alkoholkonsum in der Öffent­lichkeit komplett verboten. Das geht aus einer Änderung der neuen Coronaverordnung hervor, die heute wirksam wurde. „Der Konsum von Alkohol im öffentlichen Raum wird untersagt“, heißt es in dem Regel­werk nun.

In der ursprünglichen Fassung war der Alkoholkonsum insbesondere „auf den öffentlichen Verkehrsflä­chen der Innenstädte“ verboten – die „konkret betroffenen Örtlichkeiten“ mussten aber die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden noch eigens festlegen. Dies entfällt nun – das Alkoholverbot in der Öffent­lich­keit gilt nun automatisch überall.

„Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass ein auf bestimmte, örtlich festgelegte Flächen und Plät­ze begrenztes Konsumverbot zu Ausweichverhalten führt und daher zur effektiven Eindämmung des Infektionsrisikos nicht ausreicht“, heißt es in der Begründung für die Änderung. In der aktuellen Infek­tions­lage sei ein weitergehendes und unmittelbar geltendes Verbot des Alkoholkonsums im öffentlichen Raum erforderlich, um die Weiterverbreitung des Virus einzudämmen.

Zudem hat die Staatsregierung die Regelungen zu den landesweiten Ausgangsbeschränkungen und zu den nächtlichen Ausgangssperren in Coronahotspots mit mehr als 200 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner binnen einer Woche nachgeschärft. Zunächst galt, dass die „eigene“ Wohnung jeweils nur noch bei Vorliegen bestimmter triftiger Gründe verlassen werden darf. Nun wurde an den entschei­den­den Stellen das Wort „eigene“ gestrichen.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat eindringlich zu bundesweit einheitlichen Corona­re­gelungen im Fall eines harten Lockdowns aufgerufen. Dabei gehe es vor allem um die mögliche Schlie­­ßung von Schulen und Geschäften sowie die Kontakte an Weihnachten, sagte Bouffier heute im hessi­schen Landtag in Wiesbaden. Gerade für ältere Menschen müsse sehr genau überlegt werden, ob es menschlich vertretbar sei, wenn diese gerade an Weihnachten überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie hätten.

Nach seiner Einschätzung komme für den Start des harten Lockdowns das Wochenende vor oder das Wochenende nach den Weihnachtsfeiertagen in Frage, sagte der Regierungschef. Er halte zunächst eine Frist bis zum 10. Januar für den richtigen Zeitraum. Es müsse aber immer die Möglichkeit gegeben sein, auf die aktuelle Coronaentwicklung mit neuen Entscheidungen zu reagieren.

Die Bevölkerung brauche eine entschlossene Antwort der Länder und der Bundesregierung auf offene Fragen zu den Wirtschaftshilfen, für die Schulen und die Kontaktregeln, betonte der Ministerpräsident.
Kleinpolitischer Streit sei dagegen das Letzte, was die Menschen in dieser Zeit brauchten.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mahnte in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“: „Das exponen­tielle Wachstum setzt wieder ein. Und das bedeutet: Wir müssen dringend handeln“. Der CDU-Politiker fügte an: „Wir müssen mehr handeln, als bisher geplant war“.

dpa/afp/may

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