Studie: Lockdown kann bei Kindern depressive Verstimmungen auslösen

Cambridge/England – Kinder, die bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 relativ selten an COVID-19 erkranken, leiden umso mehr unter den psychischen Folgen des Lockdowns. Eine Langzeitstudie aus England ermittelt in den Archives of Disease in Childhood (2020; DOI: 10.1136/archdischild-2020-320372) einen Anstieg depressiver Verstimmungen.
Der Lockdown hat im Frühjahr deutliche Einschnitte in das Leben von Kindern gebracht. Laut UNESCO wurden in 188 Ländern die Schulen geschlossen, 1,5 Milliarden Schüler blieben ohne Unterricht. Welche Auswirkungen dies auf die Psyche der Kinder hat, ist kaum untersucht. Für die Planung von Studien blieb im Frühjahr, als sich die Ereignisse überschlugen, keine Zeit.
Zu den wenigen Projekten, die die Kinder vor und während des Lockdowns begleitet haben, gehört die RED-Studie „Resilience in Education and Development“. Eigentlich wird dort nach Möglichkeiten gesucht, wie Kinder während der Schulzeit in ihrer persönlichen Entwicklung gestärkt werden können.
Zu den verwendeten Instrumenten gehören auch 3 Fragebögen, in denen die Eltern die mentale Gesundheit ihrer Kinder beurteilen sollen. Insgesamt 168 Eltern haben die Fragebögen vor und während des Lockdowns ausgefüllt. Ein Team um Duncan Astle von der Universität Cambridge hat jetzt die Antworten der Eltern ausgewertet, um nach Hinweisen auf die psychischen Folgen des Lockdowns zu suchen.
Die 3 Fragebögen betrafen das emotionale Wohlbefinden sowie Ängste und Depressionen der Kinder aus Sicht der Eltern. Die ersten beiden Fragebögen konnten keine negativen Auswirkungen des Lockdowns auf die Kinder ermitteln. Die emotionalen Probleme und eine eventuelle Ängstlichkeit waren sogar tendenziell schwächer ausgeprägt als vor dem Lockdown.
Im dritten Fragebogen gaben die Eltern jedoch eine häufigere depressive Verstimmung ihrer Kinder an, die zum Zeitpunkt des Lockdowns zwischen 7,6 und 11,6 Jahre alt waren. Die Eltern gaben sich bei 4 der 5 Fragen besorgt.
Dies waren: „Mein Kind hat das Gefühl, dass es sich nicht bewegen möchte“, „Mein Kind ist sehr müde“, „Mein Kind ist traurig oder leer“ und „Nichts macht meinem Kind mehr viel Spaß“. Nur die Ansicht „Mein Kind hat Probleme mit seinem Appetit“ wurde im Lockdown nicht häufiger bejaht.
Astle gibt die Effektgröße mit 0,74 an. Bei einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,46 bis 1,01 wurde das Signifikanzniveau verfehlt. Ein Zufallsergebnis ist nicht völlig auszuschließen. Das Ergebnis ist laut Astle jedoch mit der Annahme vereinbar, dass sich bei etwa 70 % der Kinder die depressiven Symptome während des Lockdowns verschlechtert haben.
Ob es bei einzelnen Kindern zu medizinisch relevanten Depressionen gekommen ist, lässt sich aufgrund der Ergebnisse nicht beurteilen. Dazu waren die Fragebögen zu allgemein gehalten. Außerdem wurden die Kinder nicht von einem Psychiater untersucht.
Zu den Einschränkungen gehört auch, dass nur etwa 1/3 der Eltern die Fragebögen beantwortet hat, was in Beobachtungsstudien schnell zu Verzerrungen führen kann. Dennoch dürfte die Studie zeigen, dass der Lockdown an den Kindern nicht spurlos vorübergegangen ist.
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