Enquetekommission zur Coronapandemie nimmt Arbeit auf

Berlin – Mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Auslaufen der letzten Pandemieauflagen in Deutschland hat sich im Bundestag eine Enquetekommission zur Aufarbeitung der COVID-19-Krise konstituiert. Das Gremium aus Abgeordneten und Sachverständigen ist heute zum ersten Mal zusammengekommen und will sich nun über zwei Jahre auch mit Lehren für kommende Pandemien befassen.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) nannte die Konstituierung einen dringend notwendigen, überfälligen Schritt. Sie sprach von einer Aufarbeitung, die „sehr gründlich“, „transparent“ und „vor allen Dingen auch selbstkritisch“ sein solle.
Als Vorsitzende der Kommission wurde die CDU-Abgeordnete Franziska Hoppermann mit 25 Stimmen gewählt. Es gehe darum zu prüfen, was gut gelaufen sei und in welchen Bereichen man nach heutigem Kenntnisstand andere Entscheidungen treffen würde, sagte Hoppermann im Anschluss. Ihr persönlich liege es besonders am Herzen, wieder zu einer gesellschaftlichen Versöhnung zu kommen.
Monatliche Treffen geplant
Der Kommission sollen 28 Mitglieder angehören, darunter 14 Abgeordnete und 14 externe Sachverständige (über die Namen hatte das Deutsche Ärzteblatt bereits berichtet). Sie tagt in der Regel nicht öffentlich – aber auch öffentliche Anhörungen sind möglich, etwa von Experten, Interessenvertretern und Betroffenen.
Beleuchtet werden soll eine Vielzahl an Aspekten: von Früherkennung über Krisenmanagement und Coronamaßnahmen bis hin zu Impfungen und dem Beschaffen von Schutzausrüstung.
Hoppermann zufolge will die Kommission am 22. September zum nächsten Mal tagen, mit einer anschließenden öffentlichen Anhörung von Vertreterinnen und Vertretern von Landesparlamenten, in denen es bereits Enquetekommissionen und Untersuchungsausschüsse gab. Grundsätzlich seien Sitzungen einmal pro Monat vorgesehen.
„Ich bin überzeugt, dass eine konsequente Aufarbeitung eine große Chance auch für unsere Demokratie ist, wieder Vertrauen zurückzugewinnen“, sagte Klöckner. Diese Chance gelte es gemeinsam zu nutzen. Sie mahnte aber auch, dass ein Stück Fairness dazugehöre: „nicht mit heutigem Wissen damaliges Handeln einseitig zu beurteilen“.
Viele der Einschränkungen seien notwendig gewesen, „zum Teil auch, weil man nicht wusste, wie die Entwicklung sein wird“, erinnerte Klöckner. Aber man müsse auch festhalten, dass die Pandemie viele Wunden hinterlassen und Menschen von der Politik entfremdet habe. „Das sollten wir auch nicht schönreden, sondern auch schonungslos selbstkritisch thematisieren.“
AfD-Abgeordnete nicht gewählt
Die von der AfD-Fraktion vorgeschlagene Kandidatin für das Amt der stellvertretenden Vorsitzenden, Claudia Weiss, wurde nicht gewählt, sie erhielt nur sieben der abgegebenen Stimmen. Die Ausgrenzung der AfD sei nicht hinnehmbar, die Kommission lege somit einen „ganz schlechten Start“ hin, sagte die AfD-Abgeordnete Christina Baum.
SPD-Obfrau Lina Seitzl verwies auf eine Frage nach Gründen für dieses Ergebnis auf die geheime Wahl: Es sei die Entscheidung jedes einzelnen Mitglieds. Sie glaube aber, dass die AfD eine deutlich negative Rolle in der Pandemiezeit gespielt und wissenschaftliche Fakten ständig infrage gestellt habe. Deshalb könne sie verstehen, dass die Kandidatin nicht die nötigen Stimmen erhalten habe.
Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Helmut Frister, begrüßte den Arbeitsbeginn des Gremiums ausdrücklich. Zugleich mahnte er, dass bei einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Krisenbewältigung stets die damalige Situation und der damalige Wissensstand zu berücksichtigen seien. Auf keinen Fall dürften Gefahren im Nachhinein verharmlost werden. Heute seien die Folgen von COVID-19-Infektionen in einer in weiten Teilen geimpften Bevölkerung weit weniger schwerwiegend.
In der vergangenen Legislaturperiode hatten sich die Parteien nicht auf geeignetes Format für die Aufarbeitung der Pandemie einigen können. Rufe danach gab es schon länger, beispielsweise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der Bundestag hatte schließlich im Juli die Einsetzung der Enquetekommission zur Aufarbeitung der Coronapandemie beschlossen. Den Abschlussbericht soll die Kommission bis zum 30. Juni 2027 vorlegen.
Weiter Untersuchungsausschuss zu Masken gefordert
Grüne und Linke halten trotz Einsetzung der Enquetekommission an ihrer Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zu den umstrittenen Maskenkäufen des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zu Beginn der Pandemie fest.
Die beiden Oppositionsfraktionen haben dafür aber allein nicht genug Stimmen. Im Unterschied zur Enquetekommission sind bei einem U-Ausschuss Aussagen von Zeugen unter Eid möglich.
Die AfD hatte statt einer Enquetekommission zur Coronapandemie einen U-Ausschuss für eine „schonungslose“ Aufarbeitung der ganzen Coronazeit gefordert. Die akute Pandemie hatte 2020 begonnen, die letzten bundesweiten Auflagen endeten zu Ostern 2023.
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