Politik

Entbudgetierung: Bundesrat gibt grünes Licht, Arbeit in der Selbstverwaltung beginnt

  • Freitag, 14. Februar 2025
Bundesrat am 14. Februar 2025 - Entbudgetierung Hausärzte ua /picture alliance, Kay Nietfeld
/picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Der Bundesrat hat heute die Entbudgetierung von hausärztlichen Leistungen gebilligt. Auf diese Regelung hatten sich die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP Ende Januar noch nach Bruch der Ampelkoalition verständigt, abgestimmt wurde dazu am 31. Januar.

Mit der Regelung werden auch eine Versorgungspauschale für die Versorgung chronisch kranker Patienten sowie eine Vorhaltepauschale eingeführt. Mit den Regelungen erwartet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun, dass es „einfacher wird, Termine zu bekommen“.

Denn: „Wenn leicht chronisch Kranke nicht mehr alle drei Monate für die Quartalspauschale des Arztes in die Praxis einbestellt werden müssen, wenn zusätzliche Patienten abgerechnet werden können, wird auch wieder mehr Zeit sein für neue Patienten", so Lauterbach nach der Entscheidung im Bundesrat.

Auch sieht er durch das Gesetz die Steuerungsfunktion von Hausärztinnen und Hausärzten gestärkt: „Und Hausärzte können ihre Lotsenfunktion besser und mit weniger Bürokratie wahrnehmen. Das senkt die Kosten, überflüssige Facharzttermine fallen weg.“

Zwei weitere Regelungen sind in dem Rumpf-Gesetz des ursprünglichen Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) ebenfalls enthalten: So wird das Bewilligungsverfahren für die Hilfsmittelversorgung für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche mit Behinderung vereinfacht. Darüber hinaus wird der Anspruch auf Notfallverhütungsmittel für Opfer sexualisierter Gewalt, die Pille danach, ausgeweitet. Sie wird künftig ohne Altersbegrenzung von den Krankenkassen erstattet.

Länder kritisieren gestrichene Themen

In der kurzen Aussprache im Bundesrat zu dem Einspruchs-, aber nicht Zustimmungsgesetz betonten die Gesundheitsminister aus Baden-Württemberg und Brandenburg, Manne Lucha (Grüne) und Bettina Müller (parteilos), ihre Enttäuschung über das GVSG. Im Vergleich zum ursprünglichen Gesetz sei „nicht mehr viel übrig geblieben“, so Müller.

Lucha attestierte dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein „handwerklich schlecht umgesetztes Gesetz“, da so viele Themen fehlten: der Einstieg in eine Primärversorgung, der Start von Gesundheitsregionen, die Regelungen für Investorengeführte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sowie der fehlende Einstieg in die sektorenübergreifende Versorgung.

All diese Themen hätten, so die beiden Landesminister, die Versorgung in ihren Ländern gestärkt. Es sei „bitter für Brandenburg“, dass all dies nicht komme, betonte Müller. Für Lucha ist bei dem Gesetz „der Mut zur Lücke der falsche Ansatz“.

Zur Erinnerung: Das GVSG war ursprünglich von der Ampelkoalition thematisch deutlich breiter angelegt. In den vergangenen zwei Jahren wurden unterschiedliche Entwürfe zu dem Vorhaben bekannt. Die ausführlichste Version wurde im Januar 2024 verschickt, im April noch einmal in einer abgespeckten Version, im Mai im Kabinett beschlossen und Ende Juni im Bundestag erstmals debattiert.

Allerdings – so erzählen es die inzwischen früheren Ampelkoalitionäre – waren viele Themen umstritten, phasenweise soll das Gesetz im Bundesfinanzministerium auf Eis gelegen haben. Das GVSG in einer kürzeren Version wurde eine Woche nach Bruch der Ampelkoalition im November 2024 angehört. Schon da war unklar, ob es das Gesetz in der Gänze abgestimmt wird.

Zuletzt hatte die FDP einen eigenen Antrag zur Entbudgetierung eingereicht. Anfang 2025 hatten sich dann die ehemaligen Koalitionäre noch einmal zusammengefunden und gemeinsam die nun vier beschlossenen Punkte in dem Gesetz beschlossen.

Auf weitere Themen und Inhalte konnten sich drei Parteien nicht einigen. Gemäß den parlamentarischen Abläufen des Bundestages konnten diese Regelungen so kurzfristig nur im bestehenden GVSG beschlossen werden.

Detailarbeit in der Selbstverwaltung beginnt

Für die Selbstverwaltung beginnt nach dem Bundesratsbeschluss nun die Detailarbeit. Die Regelungen sollen zum vierten Quartal 2025 in Kraft treten. Das Gesetz ist kleinteilig formuliert und hat innerhalb der ärztlichen Verbände in den vergangenen Wochen zu Missverständnissen geführt.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die nun mit dem GKV-Spitzenverband die Verhandlungen im Bewertungsausschuss führen wird, betonte: „Wir sind bereit, sofort mit den Verhandlungen zu beginnen“, so KBV-Vorstandsvize Stephan Hofmeister.

Der Zeitplan sei aus seiner Sicht „sehr sehr ambitioniert“, da die Kassenärztlichen Vereinigungen vor Ort dies auch noch pünktlich umsetzen müssen. Zudem sei der Prozess mit Komplikationen begleitet, die man „so nicht gebraucht hätte“. Besonders geht es dabei um die „innerärztlichen Umverteilungsmechanismen“.

Wichtigster Bestandteil des Gesetzes sind eine Strukturpauschale sowie eine Versorgungspauschale, die der Hausärztinnen- und Hausärzteverband immer wieder gefordert hat. Bei der Strukturpauschale geht es um die bisherige Gebührenordnungsposition 03040, die laut KBV knapp ein Drittel des hausärztlichen Fallwertes ausmachen.

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband beziffert es noch etwas weiter: Hier wird davon gesprochen, dass die Leistungen nach Kapitel 3 und die Hausbesuche entbudgetiert werden, diese „machen allerdings über 90 Prozent der hausärztlichen Honorare aus“.

Daher rechnet der Hausärzteverband – ebenso wie die Krankenkassen – mit insgesamt etwa 300 bis 500 Millionen Euro mehr pro Jahr in der Vergütung. Die psychosomatische Grundversorgung oder Sonographie  werden nicht entbudgetiert, so Hausärzteverband und KBV.

Neue Anforderungen an Praxen „stehen noch in den Sternen"

Für die Verhandlungen, was für die Abrechnung der Strukturpauschale künftig nachgewiesen werden muss, hat der Gesetzgeber einige Bedingungen festgeschrieben: dazu zählen die bedarfsgerechte Versorgung mit Haus- und Pflegeheimbesuchen, bedarfsgerechte Öffnungszeiten oder das vorrangige Erbringen von Leistungen aus dem hausärztlichen Fachgebiet.

„Das Gesetz schreibt vor, neue Anforderungen zu definieren, nach denen man entweder gleich viel, etwas mehr oder etwas weniger Geld im Vergleich zur bisherigen 03040 bekommt, abhängig von der Erfüllung der neuen Anforderung“, so Hofmeister von der KBV.

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband betont, dass die Kriterien für die Vorhaltepauschalen nicht genau definiert seien. „Welche Kriterien am Ende wirklich aufgenommen und wie diese dann gewichtet werden, steht aktuell noch in den Sternen“, schreiben die beiden Vorsitzenden, Markus Beier und Nicola Buhlinger-Göpfarth in einem Brief an die Mitglieder. Sprechstunden am Samstag gehörten nach ihren Aussagen allerdings nicht dazu.

Klar sei aber, dass bei dieser Strukturpauschale eine Verschiebung von Geldern innerhalb der Hausärzteschaft nötig werde. „Hier wird Geld umverteilt, denn der Gesetzgeber hat dazugeschrieben, dass es weder Mehr- noch Minderausgaben geben darf“, so Hofmeister von der KBV.

Ein „Minusgeschäft“ solle es aber nicht werden. „Richtig ist aber, dass Praxen, die klassische hausärztliche Versorgung anbieten, stärker als bisher profitieren sollen. Praxen, die keine klassische hausärztliche Versorgung leisten, sollen hingegen weniger als bisher profitieren“, schreiben Beier und Buhlinger-Göpfarth.

Weiterer Bestandteil des GVSG ist eine Versorgungspauschale, auch Chronikerpauschale genannt, die für Patientinnen und Patienten gelten soll, die eine chronische Erkrankung mit einem Medikament haben und wenig weiteren Betreuungsbedarf. Das stellt der Hausärztinnen und Hausärzteverband in dem Schreiben klar. Der Verband rechnet damit, dass dies etwa 1,5 Millionen Patienten betrifft. „Pro Praxis sind dies ungefähr zehn bis 15 Patientinnen und Patienten pro Quartal", heißt es.

Für die Versorgung von chronisch Kranken, wie beispielsweise Diabetikern, ändere sich nichts, so der Hausärzteverband. In den vergangenen Wochen hatten die Diabetologen mehrfach darauf hingewiesen, dass sie durch diese Regelung deutlich verlieren würden. Die KBV betont in diesem Zusammenhang, dass die neue Pauschale aus ihrer Sicht „weniger wert sei als die bisherige viermalige Abrechnung der alten Ziffer“, so Hofmeister.

Die KBV sowie der Hausärztinnen- und Hausärzteverband erwarten, dass besonders in den KV-Bereichen Berlin und Hamburg deutliche Honorarzuwächse entstehen werden. Keine Verbesserungen gebe es in Regionen, die annähernd 100 Prozent vergütet werden.

Der Hausärzteverband sieht aber auch Verbesserungen in Flächenländern wie Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. „Gleichzeitig schützt die Regelung auch vor zukünftigen Budgetierungen“, betont der Hausärzteverband.

bee

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