Politik

Erneut Debatte um Misoprostol

  • Montag, 19. April 2021
/picture alliance, Jean-François FREY
/picture alliance, Jean-François FREY

Berlin – Gynäkologen beklagen den erschwerten Zugang in Deutschland zu einem Magenmittel, dessen Anwendung bei der Einleitung von Geburten zuletzt für Aufsehen gesorgt hatte. In einem Schreiben an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) führen mehr als ein ein Dutzend Organisationen aus dem Bereich der Frauengesundheit an, dass es für mehrere Einsatzbereiche zu dem Präparat Cytotec (Wirk­stoff Misoprostol) keine ausreichende Alternative gebe. Das Mittel werde unter anderem für medi­ka­men­töse Schwangerschaftsabbrüche gebraucht.

„Die Betreuung von Frauen in Notsituationen (insbesondere solchen, die tabuisiert sind) ist gefährdet!“, heißt es in dem Schreiben. Es sei für Deutschland nicht tragbar, den Zugang zu dem „essentiellen Medi­ka­ment“ deutlich zu erschweren.

Die Verbände fordern, die Versorgung der Frauen hierzulande mit dem Wirkstoff in den jeweils benötig­ten Dosierungen zu sichern und den Zugang wieder zu erleichtern. Unterzeichnet ist das Schreiben unter anderem vom Berufsverband der Frauenärzte, dem Deutschen Hebammenverband, dem Pro Familia Bundesverband und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG).

Cytotec wird in dem Brief an Spahn als etabliertes Standardmedikament in der Gynäkologie und Ge­burts­­hilfe beschrieben. Angewendet wird es allerdings im sogenannten Off-Label-Use. Im vergan­genen Jahr hatten mehrere Medien über schwere Komplikationen bei Mutter und Kind im Zusammen­hang mit dem Einsatz von Cytotec als Wehenauslöser berichtet, bis hin zum Tod von Babys.

Die DGGG hatte dazu erklärt, diese „Einzelfälle“ beträfen vor allem Geburten, bei denen zuvor eine Ope­ration der Gebärmutter erfolgt sei. „In dieser Situation darf Misoprostol nicht zur Geburtseinleitung ver­wendet werden“, hieß es. Das sei seit Jahren bekannt.

Cytotec konnte schon länger nur noch importiert werden, es wurde nicht mehr direkt von Pharmafirmen in Deutschland verkauft. Zuletzt gab es Änderungen, letztlich der Auslöser für die aktuelle Kritik der
Ver­bände: Auf Anregung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hätten drei Importeure auf ihre Parallelimportzulassungen verzichtet, teilte das BfArM mit.

Ein Import werde aber unter bestimmten gesetzlichen Regelungen weiterhin möglich sein, hieß es. Hin­tergrund für das Vorgehen ist laut BfArM das mit dem Off-Label-Use in der Gynäkologie, etwa zur Ge­burts­einleitung, verbundene Risiko „schwerwiegender gesundheitlicher Schädigungen für schwangere Frauen und ungeborene Kinder durch unsachgemäße Anwendung des dafür nicht zugelassenen Arznei­mittels“.

Zur Off-Label-Anwendung von Cytotec zur Geburtseinleitung in Deutschland liegen nach Angaben des BfArM in der europäischen Nebenwirkungsdatenbank Eudravigilance mit Stand 22. März 440 Berichte vor, die Meldungen zu Mutter und Kind umfassten.

Einschränkend hieß es, es handle sich um Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen, ein Kausalzusammenhang sei im Einzelfall nicht sicher belegt. In die Datenbank flössen Spontanmeldungen und Berichte aus systematisierten Untersuchungen ein.

Das BfArM betonte weiter: „Mit dem Arzneimittel „Angusta 25 Mikrogramm Tabletten“ ist zudem ein Arz­neimittel für die Geburtseinleitung zugelassen, das den Wirkstoff Misoprostol in der richtigen Stärke zur Verfügung stellt.“

Die Frauenärzte schreiben an Spahn, jenes Mittel sei für mehrere weitere Einsatz­bereiche zu niedrig do­siert. Ein weiteres Misoprostol-Präparat (MisoOne) sei für manche Eingriffe wiederum zu hoch dosiert. Zudem sei der bürokratische Aufwand bei dessen Anwendung sehr hoch, „was dazu führen kann, dass weniger Praxen den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch anbieten“.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung