Politik

Erste Länder ziehen Zügel in Coronakrise an

  • Dienstag, 8. Dezember 2020
/picture alliance, SvenSimon
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Berlin/Dresden – Wegen der anhaltend hohen Infektionszahlen mit SARS-CoV-2 mehren sich bundesweit die Forderungen, das öffentli­che Leben deutlich stärker als bisher einzuschränken. Als erstes Bundesland kehrt Sachsen nun zu einem harten Lockdown zur Bekämpfung der Pandemie zurück.

Ab Montag werden Schulen, Kindergärten, Horte und große Teile des Handels geschlossen, kündigte Mi­nisterpräsident Michael Kretschmer (CDU) heute in Dresden nach einer Kabinettssitzung an. „Wir müssen dieses Land zur Ruhe bringen, das bedeutet weniger Bewegungen“, sagte Kretschmer. Die Einschrän­kun­gen sollen bis zum 10. Januar 2021 gelten.

Sachsen hat derzeit die mit Abstand meisten Neuinfektionen mit dem Coronavirus unter den Bundeslän­dern. Es gibt 319 Infektionen je 100.000 Einwohner an sieben Tagen, dies ist mehr als doppelt so viel wie der deutschlandweite Durchschnitt. Aus diesem Grund gebe es nun die einschneidenden Maßnah­men, sagte Kretschmer. Dies sei die einzige Möglichkeit, das Infektionsgeschehen zu stoppen.

Für die Schulen gelte allerdings kein vorzeitiger Ferienbeginn. Die Kinder sollten zu Hause unterrichtet werden. Für Kleinkinder werde noch geprüft, welche Betreuungsmöglichkeiten vorhanden sind.

Obwohl die Lage schwieriger sei als im Frühjahr, würden die Menschen die Situation bei Weitem nicht so ernst nehmen, sagte Kretschmer. Auch deshalb müsse die Politik jetzt reagieren. Kretschmer sagte, er habe das Sozialministerium beauftragt, eine Kabinettsvorlage zu verfassen, die am Freitag beschlossen werden solle und ab Montag gelten solle.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sagte, die Lage sei dramatisch. Er kündigte ein Alkohol­verbot im öffentlichen Raum an. In Alten- und Pflegeheime solle es nur Zugang mit Maske und Schnell­tests geben, Sport in geschlossenen Räumen werde verboten.

Im Handel solle nur der Verkauf von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs erlaubt bleiben. Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser und Poststellen sollen neben Supermärkten geöffnet bleiben. Auch der Verkauf von Weihnachtsbäumen bleibe gestattet.

Rheinland-Pfalz kehrt direkt nach Weihnachten zu schärferen Regeln zurück

Rheinland-Pfalz kehrt angesichts der angespannten Lage direkt nach den Weihnachtstagen zu schärfe­ren Beschränkungen zurück. Für Silvester werde es keine Ausnahmen geben, teilte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in Mainz nach einer Sitzung des Landeskabinetts mit. An Silvester selbst würden zu­dem Feiern oder Ansammlungen mit Alkoholkonsum auf allen öffentlichen Straßen und Plätzen verbo­ten.

Gleiches gelte für Silvesterfeuerwerk. Das sonst übliche Geschehen zum Jahreswechsel sei in der derzei­ti­gen Situation „definitiv nicht zu verantworten“, erklärte Dreyer. Der Gesundheitssektor sei durch die Pandemie bereits „extrem belastet“ und müsse davor geschützt werden, in der Silvesternacht zusätzlich auch noch „alkoholisierte Patienten und Verletzte durch Feuerwerksverbrennungen" versorgen zu müssen.

Nach Einschätzung der Landesregierung gebe es die Infektionslage nicht her, den zwischen Bund und Ländern ursprünglich vereinbarten Rahmen für Lockerungen über die Zeit des Jahreswechsels vollstän­dig auszuschöpfen, betonte die Regierungschefin. Diese sollten daher nur vom 23. bis zum 27. Dezember angewandt werden. Danach gelte wieder die Regel, wonach sich nur fünf Menschen aus zwei Haushalten treffen dürfen. Unter 14-Jährige zählen dabei nicht mit.

Das benachbarte Saarland hat ein identisches Vorgehen beschlossen. Rheinland-Pfalz und das Saarland liegen mit Blick auf das Infektionsgeschehen mit Sieben-Tage-Inzidenzen um 140 in etwa im Bundes­schnitt. In Rheinland-Pfalz gibt es allerdings auch Städte und Landkreise mit Inzidenzwerten von mehr als 200. Dort gelten weit schärfere Maßnahmen, darunter unter anderem eine Ausgangssperre ab 21.00 Uhr. Menschen dürfen danach nur aus triftigen Gründen unterwegs sein.

Verschärfungen in Mecklenburg-Vorpommern

Mecklenburg-Vorpommern reagiert ebenfalls mit verschärften Schutzmaßnahmen auf die gestiegene Zahl von Infektionen. Das Kabinett beschloss in Schwerin, die Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen zu erweitern und Schüler ab der 7. Klasse nach den Weihnachtsferien zunächst per Internet zu Hause zu unterrichten.

Die Regelung für die Schüler der oberen Klassenstufen gilt laut Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) zunächst für die erste Schulwoche nach den Weihnachtsferien, also vom 4. bis 8. Januar. Der Unterricht für die Jahrgangsstufen 1 bis 6 soll demnach weiterhin in der Schule stattfinden und am 4. Januar nach Ende der Ferien beginnen. Lehrer sollen dort auch im Unterricht einen Mund-Nasen-Schutz tragen.

Im gesamten Bundesland soll die Maskenpflicht auch auf belebte Plätze ausgeweitet werden, wie Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ankündigte. Bewohner von Pflegeeinrichtungen dürfen nur noch von jeweils einem Angehörigen am Tag besucht werden. Außerdem soll Alkohol nicht mehr in der Öffentlichkeit ausgeschenkt werden dürfen. Damit entfällt fortan auch der beliebte Glühweinverkauf.

Zudem wird es dem Beschluss zufolge auch in Mecklenburg-Vorpommern Ausgangsbeschränkungen geben, sobald eine Stadt oder Region 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche er­reicht. Die noch Ende November von der Regierung erwogene Öffnung von Massagepraxen oder Kosme­tikstudios wurde angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens verworfen.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) schloss mögliche Lockerungen in seinem Bundesland bis Anfang nächsten Jahres aus. Dazu werde es bis zum 10. Januar „definitiv“ nicht kommen, sagte Günther in Kiel. Er rief alle Bürger eindringlich dazu auf, Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren und die Beschränkungen einzuhalten.

Alkoholverbot in Hessen

In hessischen Regionen mit dauerhaft hohen Infektionszahlen wird es eine nächtliche Ausgangssperre und ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit geben. Das kündigte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in einer Regierungserklärung im Landtag in Wiesbaden an. Als Grund nannte er die in den betroffenen Regionen weiter steigenden Infektionszahlen.

Diese Entwicklung sei etwa in der Stadt Offenbach, dem Landkreis Offenbach, dem Main-Kinzig-Kreis oder dem Kreis Groß-Gerau festzustellen, sagte der Ministerpräsident. In diesen Regionen werde der Wert von mehr als 200 Coronavirus-Neuinfektionen binnen einer Woche pro 100.000 Einwohner dauerhaft erheblich überschritten.

Die Landesregierung habe deshalb beschlossen, dass es in den betroffenen Gebieten eine Ausgangs­sperre von 21 Uhr abends bis 5 Uhr morgens geben werde, erklärte Bouffier. Ausnahmen seien nur in wichtigen Gründen erlaubt. Außerdem sei der Konsum von Alkohol im öffentlichen Raum ganztags un­tersagt. Die Regeln gelten nach Angaben des Ministerpräsidenten ab diesem Freitag (11. Dezember) bis vorläufig zum 10. Januar nächsten Jahres.

Wegen der anhaltend hohen Infektionszahlen sind in Hessen die Kontakte im öffentlichen Raum derzeit landesweit auf fünf Personen aus zwei Hausständen beschränkt. Dazugehörige Kinder unter 14 Jahren sind ausgenommen. Für die Weihnachtsfeiertage wolle die Landesregierung aber an der Ankündigung festhalten, dass sich Familien und Freunde wieder in einem etwas größeren Kreis treffen können, sagte Bouffier.

Gespräche auf Bundesebene

Ob sich die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Länder vor Weihnachten noch ein­mal wegen bundesweiter Regelungen zusammensetzen, ist noch unklar. Nicht alle Länder-Regierungschefs halten das für notwendig. Dem Vernehmen nach könnte es aber bereits übermorgen ein neues Trennen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Länderchefs geben. Bislang ist eine Minister­präsidentenkonferenz für den 4. Januar geplant.

Merkel hatte gestern in einer Videositzung der Unionsfraktion nach Angaben von Teilnehmern betont, mit den bisherigen Maßnahmen komme man von den auf einem viel zu hohen Niveau stagnierenden Infektionszahlen nicht herunter. Das heiße, man werde den Winter nicht ohne zusätzliche Maßnahmen durchstehen können. Was wo zu tun sei, müsse noch vor Weihnachten entschieden werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält schärfere Kontaktbeschränkungen für notwendig, sollten die hohen Infektionszahlen nicht zeitnah zurückgehen. „Der Ansatz, kurz und umfassender, um wirklich einen Unterschied zu machen, ist wahrscheinlich der erfolgreichere. Wenn wir nicht hinkommen mit der Entwicklung der nächsten ein, zwei Wochen bis Weihnachten, dann müssen wir das diskutieren“, sagte Spahn dem Fernsehsender Phoenix.

Der Minister schloss nicht aus, dass es auch einen erneuten Lockdown im Einzelhandel geben könnte. „Wir müssen das abhängig machen von den nächsten Tagen, ob es uns gelingt, die Zahlen runterzu­bringen.“

Die Politik ist besorgt, weil nach fünf Wochen Teillockdown kein Absinken der Zahl der Neuinfektionen in Sicht ist. Vom Ziel, die Zahl auf unter 50 pro 100.000 Einwohnern über sieben Tage zu bringen, ist Deutschland weit entfernt. Aktuell unterschreitet kein Bundesland die Marke.

dpa/afp/kna

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