Expertengruppe warnt vor gesundheitlicher Unterversorgung

Berlin – Mit einer Unterversorgungskrise im Gesundheitssystem haben sich Fachleute der Autorengruppe Gesundheit beschäftigt. Sie sehen Anzeichen dafür und rufen die Politik zum Handeln auf.
„Fehlende Facharzttermine, Krankenhausschließungen, Lieferengpässe von Arzneimitteln – und die Kosten steigen rasant“, schreibt die Gruppe im Monitor Versorgungsforschung. Die Autorengruppe fordert daher, das Thema ins Zentrum der gesundheitspolitischen Debatte zu rücken.
Die Autorengruppe sieht drei Hauptformen der Unterversorgung: An erster Stelle steht die Zugangsproblematik, bei der Leistungen gar nicht oder nur schwer erreichbar sind. Zweiten gebe es eine Kombination aus Unter- und Fehlversorgung, bei der Leistungen zwar angeboten, aber qualitativ unzureichend erbracht würden, und drittens eine strukturell verursachte Verknappung von Leistungen trotz grundsätzlicher Verfügbarkeit.
Besonders auffällig ist die Zugangskrise. So fehlt es zum Beispiel bei der hausärztlichen Versorgung zunehmend an Nachwuchs, vor allem in ländlichen Regionen. Der demografische Wandel mit einer alternden, multimorbiden Bevölkerung verstärkt nach Ansicht der Autoren diesen Druck. Chronisch Kranke erleben demnach besonders häufig Versorgungsprobleme.
Im stationären Sektor verstärken Reformen wie das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz nach Auffassung der Gruppe die bestehenden Probleme. Sie befürchten eine systematische Risikoselektion zulasten schwerkranker Patientinnen und Patienten.
Ein weiteres Feld manifest gewordener Unterversorgung sei die Arzneimittelversorgung. Die Autorengruppe verweist auf marktökonomische Fehlanreize und kritisiert die unzureichende Wirkung politischer Gegenmaßnahmen.
Ein besonders schwieriger Bereich ist dem Papier nach die strukturell verursachte Verknappung von Leistungen trotz grundsätzlicher Verfügbarkeit.
Diese Leistungen sind zwar theoretisch vorhanden und finanziell abgesichert, kommen aber aufgrund von systemischen Mängeln im Aufbau und in der Organisation des Gesundheitssystems nicht oder nicht ausreichend bei den Patienten an.
Solche Fehlstrukturen sind zum Beispiel die Sektorentrennung von ambulanter und stationäre Versorgung, die zu Koordinationsproblemen und Bruchstellen im Behandlungsverlauf führt.
Außerdem sei die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe oft schlecht, was dazu führe, dass Kapazitäten ungenutzt blieben. Darüber hinaus führten Bürokratie und fehlende Navigation dazu, dass viele Patienten sich im komplexen Gesundheitssystem nicht zurecht fänden – auch das ist laut der Autorengruppe eine Form der strukturellen Barriere.
„Unterversorgung ist folglich nicht allein durch die Erhöhung der Kapazitäten zu vermeiden beziehungsweise zu beseitigen, sondern es bedarf eines strategischen Ansatzes, der regionale Bedürfnisse berücksichtigt, die Bürokratie reduziert und die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Fachärzten, den verschiedenen Berufsgruppen und den Patienten selbst fördert“, so die Autorengruppe.
Die Autorengruppe Gesundheit besteht aus Matthias Schrappe, Hedwig François-Kettner, Franz Knieps, Klaus Kraemer, Hartmut Reiners, Martin Scherer und Thomas Voshaar. An dem Papier hat außerdem Jürgen Windeler mitgearbeitet.
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