Politik

Genomsequenzierung auf dem Weg in die Regelversorgung

  • Donnerstag, 10. Juli 2025
/Leigh Prather, stock.adobe.com
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Berlin – Die medizinische Versorgung in Deutschland befindet sich im Umbruch, denn innovative Technologien wie die Genomsequenzierung haben das Potenzial, Diagnosen zu präzisieren, Therapien zu personalisieren und Krankheitsverläufe besser zu verstehen. Dass die Genomsequenzierung bald Teil der Regelversorgung in Deutschland werden könnte, wurde heute beim 4. genomDE-Symposium in Berlin deutlich.

Im Rahmen des deutschlandweiten Modellvorhabens Genomsequenzierung wird jetzt erprobt, wie die Genommedizin systematisch in die klinische Versorgung integriert werden kann. Denn noch ist die Ganzgenomsequenzierung in Deutschland nicht flächendeckend Teil der Regelversorgung, obwohl genetische Tests bereits in bestimmten Fällen durchgeführt werden.

Basis des auf mindestens fünf Jahre angelegten Modellvorhabens ist die vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderte Initiative genomDE, die unter anderem das Dateninfrastrukturkonzept entwickelte. 

„Die nationale Strategie für Genommedizin des Bundesministeriums für Gesundheit zielt darauf ab, allen Patientinnen und Patienten in Deutschland die Vorteile der Genommedizin langfristig zugänglich zu machen“, sagte heute Georg Kippels (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im BMG. „Das Modellvorhaben ist ein wichtiger Baustein dieser Strategie.“

Die ersten Patienten seien bereits im Herbst 2024 in das Modellvorhaben aufgenommen worden. Aktuell seien mehr als 5.000 integriert, erläuterte Kippels. „Wir erwarten 10.000 Teilnehmende zum Ende dieses Jahres." Insgesamt rechne man mit 100.000 integrierten Patienten mit einer onkologischen oder einer seltenen Erkrankung während der fünfjährigen Laufzeit des Modellvorhabens.

Das Modellvorhaben Genomsequenzierung ermöglicht ihnen eine von der gesetzlichen (GKV) und privaten (PKV) Krankenversicherung finanzierte Ganzgenomsequenzierung. Dazu können die Betroffenen von behandelnden Ärztinnen und Ärzten an eine der 28 derzeit am Modellvorhaben teilnehmenden Unikliniken überwiesen werden.

„Das Modellvorhaben kann zur Blaupause für eine wissensgenerierende Versorgung werden“, meinte heute Jens Bussmann, Generalsekretär des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD).

Die im Pilotprojekt erhobenen und pseudonymisierten klinischen und genomischen Daten der Patienten werden in sicheren Verfahren gespeichert und sollen nämlich nicht nur für die Diagnoseunterstützung der Erkrankten, sondern perspektivisch auch für die Forschung verwendet werden.

„Das Modellvorhaben bringt neue Perspektiven für die Versorgung, aber auch für die Forschung. Das ist ein Kreislauf“, sagte Melanie Börries vom Universitätsklinikum Freiburg. „Wir müssen künftig die verschiedenen Varianten der Tumore besser interpretieren können.“

Bei den in das Projekt integrierten Krebspatientinnen und -patienten könnten dann etwa im Tumor spezielle Angriffspunkte identifiziert werden, die eine zielgerichtete, nebenwirkungsärmere Behandlung zur Lebensverlängerung oder im besten Fall eine Heilung erlauben würden.

Für bestimmte Versorgungsfragen soll zudem unter Umständen auch eine Fallidentifikation möglich werden, sodass in Zukunft neue Erkenntnisse zu spezifischen Konstellationen direkt mit den jeweils behandelnden Ärzten geteilt werden könnten.

Die sichere Datenübermittlung sei Kernbestandteil der vertraglichen Leistung, erläuterte Roland Schwarz vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. „Noch befinden wir uns in der Anlaufphase“, sagte er. Er zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass das Projekt ein Erfolg werden könne. Auch weitere Leistungserbringer könnten noch einen Antrag auf Beitritt zum Projekt stellen.

Das vor knapp einem Jahr gestartete Modellvorhaben Genomsequenzierung (offiziell: „Modellvorhaben zur umfassenden Diagnostik und Therapiefindung mittels Genomsequenzierung bei seltenen und bei onkologischen Erkrankungen“ gemäß Paragraf 64 e des Sozialgesetzbuchs V) hat bereits eine längere Vorgeschichte.

Zunächst verabschiedete der Bundestag 2021 das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung als rechtliche Grundlage. Es ermöglicht eine ausführliche Untersuchung und Behandlung von Patienten mit seltenen Krankheiten und Krebs mithilfe der Genomsequenzierung.

Die inhaltliche und strukturelle Vorbereitung erfolgte dann durch die Fachleute der Initiative genomDE, koordiniert von der Technologie- und Methodenplattform für die ver­netzte medizinische Forschung (TMF) gemeinsam mit dem genomDE-Konsortium.  

Die Plattform des Modellvorhabens Genomsequenzierung wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) betrieben. Sie sei so aufgebaut, dass klinische Daten in klinischen Datenknoten und genomische Daten in Genomrechenzentren gespeichert würden, erläuterte heute Andreas Till vom BfArM. Die Verarbeitung und Bereitstellung von Daten erfolge durch Datendienste.

Zur Datensicherheit würden alle genomischen und klinischen Daten pseudonymisiert gespeichert. Sie könnten also nicht direkt mit einer bestimmten Person in Verbindung gebracht werden. Für die Pseudonymisierung sei eine Vertrauensstelle am Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin eingerichtet worden, die dafür sorgt, dass die Daten nur unter hochsicheren Bedingungen miteinander verbunden werden können. 

ER

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