Politik

Gesundes-Herz-Gesetz im Kabinett, noch Änderungen erwartet

  • Dienstag, 27. August 2024
/picture alliance, Bernd von Jutrczenka
/picture alliance, Bernd von Jutrczenka

Berlin – In der vergangenen Woche war das „Gesunde-Herz-Gesetz“ wegen fehlender Einigung in der Ampel noch von der Tagesordnung abgesetzt worden. Morgen (28. August) soll es nun im Bundeskabinett beschlossen werden. Offenbar hat es nun in letzter Minute noch Änderungen am Referentenentwurf gegeben.

Das Vorhaben war bisher in der Fachöffentlichkeit auf heftige Kritik gestoßen – vor allem beim geplanten Screening auf Familiäre Hypercholesterinämie (FH) und der Verordnung von Statinen an Kindern. Dazu wollte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bisher selbst eine Rechtsverordnung erlassen. Nun könnte das doch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) regeln.

Im Kabinettsentwurf könnten dem Vernehmen nach wissenschaftliche Erkenntnisse und medizinische Leitlinien eine größere Bedeutung als bisher erhalten, wenn es um die Vorbeugung schwerer kardiovaskulärer Ereignisse wie Herzin­farkte oder Schlaganfälle und die Verordnung von Statinen geht.

Damit würde sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den gestern vorgelegten Empfehlungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum kaskadengestützten Scree­ning annähern.

Bisher war ein Anspruch auf eine Untersuchung zur Früherkennung einer Fettstoffwechseler­krankung mit Fokus auf Familiäre Hypercholesterinämie für Kinder und Jugendliche gesetzlich vorgesehen. Dazu sollten die Kran­ken­kassen alle Kinder bei der J1-Untersuchung einladen. Das könnte nun im Kabinettsentwurf anders geregelt sein.

Die Änderungen dürften in jedem Fall den Fraktionen im Bundestag entgegenkommen. Diese hatten die bishe­rigen Pläne von Lauterbach in Teilen sehr kritisch gesehen oder zumindest genaue Prüfungen des Gesetzent­wurfs angekündigt, wie eine Abfrage des Deutschen Ärzteblattes unter den Fraktionen im Bundestag gezeigt hat.

„Wenn das Gesunde-Herz-Gesetz durch das Kabinett gegangen ist, werden wir im parlamentarischen Verfahren den Gesetzentwurf genau prüfen und dabei auch die Frage der Untersuchungen von Kindern und Jugendlichen noch einmal diskutieren“, teilte Johannes Wagner (Grüne), Mitglied des Bundestages, auf Nachfrage mit.

„Der aktuelle wissenschaftliche Forschungsstand muss Grundlage für unsere politischen Entscheidungen sein“, sagte der Mediziner. Noch mehr als bei Erwachsenen müssten bei Kindern und Jugendlichen die Nutzen und Risiken des FH-Screenings abgewogen werden, so Wagner. Dabei seien auch die möglichen psychologischen Auswirkungen der Untersuchung sowie eines möglicherweise falsch-positiven Ergebnisses zu berücksichtigen.

„Die Veröffentlichung des IQWiG ist zweifellos interessant und muss Teil der Überlegungen zum Gesunden-Herz -Gesetz sein“, betonte auch Nezahat Baradari (SPD), Mitglied des Bundestages. „In Zeiten steigender Beiträge sind wir natürlich dazu angehalten, den Nutzen neuer Leistungen ganz genau unter die Lupe zu nehmen.“

Der Grundgedanke des Gesunden-Herz-Gesetzes sei jedoch richtig, da die Prävention im deutschen Gesund­heits­system belegbar durchschnittlich sei, so Baradari. „Neue Wege, wie etwa Lipidscreenings zur Früherkenn­ung familiärer Hypercholesterinämie, sind dringend vonnöten, um sich auftürmende Folgekosten für das Ge­sundheitssystem zu vermeiden“, sagte die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin.

Die FDP schätzt die Intention des Gesunden-Herz-Gesetzes als gut und richtig ein. Im Koalitionsvertrag sei ver­einbart worden, die Prävention voranzubringen. „Aber wir müssen auch klare Grenzen in der Kompetenz des Gesetzgebers ziehen“, sagte Andrew Ullmann (FDP), Mitglied des Bundestages, dem Deutschen Ärzteblatt.

Der rechtliche Rahmen dürfe Ullmann zufolge nicht die medizinischen Maßnahmen im Detail bestimmen. „Wir werden die fachlich-praktische Ebene und den freien Beruf des Arztes nach Evidenz entscheiden lassen, wo immer es geht“, sagte er.

Die Opposition stellt sich deutlich hinter den Vorschlag des IQWiG, nur Kinder und Jugendliche zu unter­suchen, bei deren Familienangehörigen bereits eine FH aufgetreten ist. Dietrich Monstadt (CDU/CSU), Mitglied des Bundestages, kritisiert die noch mit dem Referentenentwurf geplanten, großflächigen Präventionsmaß­nahmen, die im Rahmen des Gesunde-Herz-Gesetzes verordnet werden sollen.

„Prävention muss wissenschaftlich fundiert sein und darf nicht durch eine flächendeckende, unreflektierte Ver­teilung von Medikamenten ersetzt werden“, sagte er. „Statt Eigenverantwortung und Gesundheitskompetenz zu fördern, setzt Lauterbach auf staatlich verordnete Präventionsmaßnahmen, die in ihrer jetzigen Form wissen­schaftlich fragwürdig und teuer sind.“

„Wenn eine familäre Vorbelastung besteht, ordnen in der Regel die Ärzte auch ein Kaskadenscreening an, so wie auch vom IQWiG empfohlen“, teilte Monstadt (CDU/CSU) dem Deutschen Ärzteblatt mit. „Ohne fami­liäre Dispo­sition oder andere Gründe ist diese Untersuchung nur teuer und unnötig.“

Der Gruppe Die Linke zufolge sollte die Empfehlung des IQWiG als Grundlage des politischen Handelns be­trach­tet werden. „Wir werden bei dieser Frage im Rahmen der parlamentarischen Beratung nachhaken und Druck ausüben, damit es zu einer Verbesserung kommt“, sagte Kathrin Vogler (Linke) dem Deutschen Ärzteblatt.

Gerade bei der Vorsorgemedizin hätten Untersuchungen einen fraglichen Nutzen von Screenings gezeigt, so Vogler. „Lauterbachs Geldverschwendung ist in Zeiten heftiger Haushaltsstreitigkeiten und rollender Beitrags­erhöhungen für die Versicherten unverantwortlich“, betonte sie.

Die AfD hält das Ziel, die Zahl kardiovaskulärer Erkrankungen und damit einhergehender Todesfälle zu senken und die Lebenserwartung zu erhöhen, für unterstützenswert. Auch in Hinsicht auf Präventionsmaßnahmen sollten die Nachweise aber von Evidenz, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht durch staatliche Verordnun­gen ersetzt werden, sagte Martin Sichert (AfD), Mitglied des Bundestages. Der Vorschlag des IQWiG sei „insofern grundsätzlich unterstützenswert“.

Das Gesunde-Herz-Gesetz soll die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Bevölkerung stärken und die Zahl kardiovaskulärer Erkrankungen senken. Geplant sind unter anderem Einladungen zu Check-Ups für Erwachsene im Alter von 25, 35 und 50 Jahren sowie Vorsorgeuntersuchungen für Kin­der und Jugendliche.

Inhalt des Gesetzes ist außerdem eine Aus­weitung der medikamentösen Therapie bei der Rauchentwöhnung: So soll der Anspruch der Versicherten künftig nicht mehr nur bei „schwerer Tabakabhängigkeit“ sondern auch häufiger als alle drei Jahre finanziert werden.

Den Einladungen zu den Check-Ups sollen Gutscheine beigelegt werden, mit denen auch in Apotheken Bera­tungen und Blutdruckmessungen sowie Messungen von Risikofaktoren bei Diabetes vorgenommen werden können.

nfs/may

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