Politik

Grüne fordern höhere Steuern für E-Zigaretten und Tabakerhitzer

  • Dienstag, 8. September 2020
In Tabakerhitzer (Bild) werden kurze Tabaksticks am oberen Ende eingesteckt. E-Zigaretten werden mit sogenannten Liquids befüllt. Die Flüssigkeit wird dann verdampft. /picture alliance, Sebastian Kahnert
In Tabakerhitzer (Bild) werden kurze Tabaksticks am oberen Ende eingesteckt. E-Zigaretten werden mit sogenannten Liquids befüllt. Die Flüssigkeit wird dann verdampft. /picture alliance, Sebastian Kahnert

Berlin – Die Grünen fordern eine Weiterentwicklung der EU-Tabaksteuerrichtlinie. Sie soll auch die bisher aus Sicht der Partei unzureichend besteuerten E-Zigaretten und Tabaker­hitzer berücksichtigen. So sollen Kinder und Jugendliche noch effektiver davor geschützt werden, mit dem Rauchen anzufangen.

In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses nahmen gestern mehrere Experten dazu Stellung. Mediziner und Krebsforscher unterstützen den Vorstoß. Höhere Steuern auf Alternativprodukte könnten aber auch der Tabakzigarette oder dem Schwarzmarkt Vorschub leisten, wandten einige Wissenschaftler ein.

Die Tabaksticks für Tabakerhitzer und die Liquids für E-Zigaretten werden in Deutschland bisher deutlich niedriger besteuert als herkömmliche Tabakzigaretten. Für Liquids fällt bislang nur die Umsatzsteuer an, Tabaksticks fallen unter den niedrigeren Steuersatz für Pfeifentabak.

Steuerschlupflock für Tabaksticks

Damit hat Deutschland nach Angaben der Grünen die niedrigsten Steuersätze für neuar­ti­ge Rauch- und Dampfprodukte in der EU. Tabakfreie Rauchprodukte sind in der EU-Tabak­richtlinie bisher gar nicht enthalten. 14 Mitgliedstaaten haben deshalb bereits nationale Steuern auf Liquids eingeführt.

Tabakerhitzersticks fallen auch in der EU-Richtlinie unter Pfeifentabak. Vielen Kritikern gilt diese Eingruppierung als Schlupfloch. Die Tabakindustrie hatte bei der Markteinfüh­rung der Sticks argumentiert, diese könnten ebenso wie Pfeifentabak nicht direkt, son­dern nur mithilfe des Verdampfers geraucht werden.

Rein rechtlich handele es sich demnach nicht um Zigaretten. Entsprechend müssen auf die Verpackungen der Sticks auch keine abschreckenden Bilder gedruckt werden – und es fällt nur etwa ein Viertel der für Zigaretten üblichen Steuern an. 16 EU-Mitglieder haben daher für Tabakerhitzersticks eigene nationale Steuerkategorien geschaffen.

Es sei allerdings umstritten, ob diese mit dem EU-Recht vereinbar seien, so die Grünen. Eine bereits für 2019 angekündigte Überarbeitung der EU-Richtlinie, die dieses Problem beheben könnte, stehe immer noch aus.

Die Partei will den Vorgang beschleunigen und fordert die Regierung auf, sich im EU-Rat dafür stark zu machen, Rauch- und Dampfprodukte schnellstmöglich in die EU-Steuer­richt­­linie aufzunehmen und nach ihrem jeweiligen Risikopotenzial zu besteuern.

Um dieses besser einschätzen zu können, soll die Regierung zudem eine Langzeitstudie beauftragen, um das bisher nicht gesicherte Wissen über mögliche Gefahren von E-Ziga­retten und Tabakerhitzern zu vertiefen.

Unterstützung erhielten die Grünen dabei unter anderem von Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Studien würden darauf hinweisen, dass E-Zigaretten und Tabak­erhitzer zwar nicht harmlos seien, aber das gesundheitliche Risiko niedriger sei als bei Tabakzigaretten. „Aus der Public-Health-Perspektive wäre es daher sinnvoll die Steuer­systematik an der Schädlichkeit auszurichten“, so Mons.

Da Jugendliche über weniger Geld verfügten, würden sie bis zu drei Mal stärker auf Preis­stei­gerungen reagieren als Erwachsene, womit der Konsum in dieser Altersgruppe redu­ziert werden könne. Zugleich würde ein Gateway-Effekt verhindert, also der Umstieg von Alternativprodukten auf Tabakzigaretten, wenn diese durch risikogebundene Besteuerung weiterhin teurer seien.

Forderung nach nationaler Steuer in Deutschland

Auch Tobias Effertz vom Institut für Recht der Wirtschaft der Universität Hamburg nannte „eine deutliche Erhöhung der Steuer auf Tabakerhitzer gesundheitsökonomisch wie fi­nanz­politisch dringend erforderlich“. Er forderte darüber hinaus, nicht auf die Änderung der EU-Richtlinie zu warten, sondern die Besteuerung zeitnah national zu regeln.

Ulrike Helbig-Schuster, Leiterin des Berliner Büros der Deutschen Krebshilfe und Mitglied im Aktionsbündnis Nichtrauchen, argumentierte, der Dampf auch von E-Zigaretten enthalte krebserregendes Formaldehyd. Zudem wiesen aktuelle Studien an Tiermodellen auf schädigende Wirkung am Lungengewebe und auf die Fertilität hin. Die Produkte müssten daher ebenso hoch besteuert werden, wie herkömmliche Tabakzigaretten.

Der Nutzen der alternativen Rauch- und Dampfprodukte in der Raucherentwöhnung sei zudem begrenzt, erklärte Wulf Pankow, ehemaliger Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Infektiologie am Vivantes Klinikum Neukölln und ebenfalls Mitglied des Aktionsbündnisses Nichtrauchen. Eine amerikanische Studie weise darauf hin, dass die Produkte nicht effektiver seien als andere Entwöhnungsmethoden.

Studien zum Risiko wurden teils wieder zurückgezogen

Gegen eine steuerliche Gleichbehandlung argumentierte unter anderem Martin Storck, Klinikdirektor der Gefäß- und Thoraxchirurgie am Städtischen Klinkum Karlsruhe. Das größte Risiko entstehe durch den Verbrennungsprozess, der bei E-Zigaretten gar nicht erfolge. Bei Tabakerhitzern werde der Tabak mit deutlich geringerer Temperatur als bei Zigaretten erhitzt statt verbrannt.

„Eine deutliche Risikoreduktion ist besser als Rauchen“, so Storck. Studien, die Risiken der Alternativprodukte gezeigt hätten, seien zum Teil wieder zurückgezogen worden, weil sie die bis zu zehn Jahre nachwirkenden Risiken des Tabakrauchens nicht berücksichtigt hätten.

Der Verband des E-Zigarettenhandels argumentierte 99,7 Prozent der deutschen Nutzer seien ehemalige Raucher. Unter anderem in den USA habe sich gezeigt, dass Steuerer­höhungen auf Liquids wieder zu einem vermehrten Kauf von Tabakzigaretten führten.

Alternativprodukte für Jugendliche kaum interessant

Studien hätten zudem gezeigt, dass E-Zigaretten für Jugendliche kaum interessant sein. „Bei den Marketingmaßnahmen kann man nachsteuern“, so der Verbandsvorsitzende Mi­chal Dobrajc. Verpackungen müssten nicht schreiend bunt oder mit Comics bedruckt sein. „Da gehen wir gerne ins Gespräch mit den Herstellern.“

Bernd Werse vom Zentrum für Drogenforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main bestätigte, dass der Anteil der Jugendlichen, die Alternativprodukte häufig nutzen, verschwindend gering sei. „Wir wollten eine Studie dazu machen und hatten Probleme überhaupt Probanden zu finden“, so Werse.

Die Ergebnisse hätten gezeigt, dass zwar die etwa die Hälfte der Jugendlichen schon ein­mal ein Alternativprodukt ausprobiert hätte, diese aber in der Jugendkultur eh keine große Rolle spielen würden.

Steuererhöhungen könnten Schwarzmarkt fördern

Berthold Wigger, Professor für Finanzwissenschaften am Karlsruher Institut für Technolo­gie wie darauf hin, dass eine Besteuerung von Alternativprodukten in Griechenland zum Ausweichen auf den Schwarzmarkt geführt habe, wo vor allem unkontrollierte Produkte vertrieben würden.

Auch Wolf-Dieter Heller vom Institut für Tabakforschung erklärte, massive Steuerer­höh­ungen, wie etwa in Deutschland zwischen 2002 und 2005 bei Zigaretten, hätten in der Vergangenheit den Kauf im Ausland und auf dem Schwarzmarkt befördert.

Unter Einbezug der Expertenmeinungen folgen nun die Beratungen des Finanz­ausschuss­es. Über die finale Beschlussempfehlung wird voraussichtlich in den kommenden Wochen abgestimmt.

alir

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