Grüne fordern höhere Steuern für E-Zigaretten und Tabakerhitzer

Berlin – Die Grünen fordern eine Weiterentwicklung der EU-Tabaksteuerrichtlinie. Sie soll auch die bisher aus Sicht der Partei unzureichend besteuerten E-Zigaretten und Tabakerhitzer berücksichtigen. So sollen Kinder und Jugendliche noch effektiver davor geschützt werden, mit dem Rauchen anzufangen.
In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses nahmen gestern mehrere Experten dazu Stellung. Mediziner und Krebsforscher unterstützen den Vorstoß. Höhere Steuern auf Alternativprodukte könnten aber auch der Tabakzigarette oder dem Schwarzmarkt Vorschub leisten, wandten einige Wissenschaftler ein.
Die Tabaksticks für Tabakerhitzer und die Liquids für E-Zigaretten werden in Deutschland bisher deutlich niedriger besteuert als herkömmliche Tabakzigaretten. Für Liquids fällt bislang nur die Umsatzsteuer an, Tabaksticks fallen unter den niedrigeren Steuersatz für Pfeifentabak.
Steuerschlupflock für Tabaksticks
Damit hat Deutschland nach Angaben der Grünen die niedrigsten Steuersätze für neuartige Rauch- und Dampfprodukte in der EU. Tabakfreie Rauchprodukte sind in der EU-Tabakrichtlinie bisher gar nicht enthalten. 14 Mitgliedstaaten haben deshalb bereits nationale Steuern auf Liquids eingeführt.
Tabakerhitzersticks fallen auch in der EU-Richtlinie unter Pfeifentabak. Vielen Kritikern gilt diese Eingruppierung als Schlupfloch. Die Tabakindustrie hatte bei der Markteinführung der Sticks argumentiert, diese könnten ebenso wie Pfeifentabak nicht direkt, sondern nur mithilfe des Verdampfers geraucht werden.
Rein rechtlich handele es sich demnach nicht um Zigaretten. Entsprechend müssen auf die Verpackungen der Sticks auch keine abschreckenden Bilder gedruckt werden – und es fällt nur etwa ein Viertel der für Zigaretten üblichen Steuern an. 16 EU-Mitglieder haben daher für Tabakerhitzersticks eigene nationale Steuerkategorien geschaffen.
Es sei allerdings umstritten, ob diese mit dem EU-Recht vereinbar seien, so die Grünen. Eine bereits für 2019 angekündigte Überarbeitung der EU-Richtlinie, die dieses Problem beheben könnte, stehe immer noch aus.
Die Partei will den Vorgang beschleunigen und fordert die Regierung auf, sich im EU-Rat dafür stark zu machen, Rauch- und Dampfprodukte schnellstmöglich in die EU-Steuerrichtlinie aufzunehmen und nach ihrem jeweiligen Risikopotenzial zu besteuern.
Um dieses besser einschätzen zu können, soll die Regierung zudem eine Langzeitstudie beauftragen, um das bisher nicht gesicherte Wissen über mögliche Gefahren von E-Zigaretten und Tabakerhitzern zu vertiefen.
Unterstützung erhielten die Grünen dabei unter anderem von Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Studien würden darauf hinweisen, dass E-Zigaretten und Tabakerhitzer zwar nicht harmlos seien, aber das gesundheitliche Risiko niedriger sei als bei Tabakzigaretten. „Aus der Public-Health-Perspektive wäre es daher sinnvoll die Steuersystematik an der Schädlichkeit auszurichten“, so Mons.
Da Jugendliche über weniger Geld verfügten, würden sie bis zu drei Mal stärker auf Preissteigerungen reagieren als Erwachsene, womit der Konsum in dieser Altersgruppe reduziert werden könne. Zugleich würde ein Gateway-Effekt verhindert, also der Umstieg von Alternativprodukten auf Tabakzigaretten, wenn diese durch risikogebundene Besteuerung weiterhin teurer seien.
Forderung nach nationaler Steuer in Deutschland
Auch Tobias Effertz vom Institut für Recht der Wirtschaft der Universität Hamburg nannte „eine deutliche Erhöhung der Steuer auf Tabakerhitzer gesundheitsökonomisch wie finanzpolitisch dringend erforderlich“. Er forderte darüber hinaus, nicht auf die Änderung der EU-Richtlinie zu warten, sondern die Besteuerung zeitnah national zu regeln.
Ulrike Helbig-Schuster, Leiterin des Berliner Büros der Deutschen Krebshilfe und Mitglied im Aktionsbündnis Nichtrauchen, argumentierte, der Dampf auch von E-Zigaretten enthalte krebserregendes Formaldehyd. Zudem wiesen aktuelle Studien an Tiermodellen auf schädigende Wirkung am Lungengewebe und auf die Fertilität hin. Die Produkte müssten daher ebenso hoch besteuert werden, wie herkömmliche Tabakzigaretten.
Der Nutzen der alternativen Rauch- und Dampfprodukte in der Raucherentwöhnung sei zudem begrenzt, erklärte Wulf Pankow, ehemaliger Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Infektiologie am Vivantes Klinikum Neukölln und ebenfalls Mitglied des Aktionsbündnisses Nichtrauchen. Eine amerikanische Studie weise darauf hin, dass die Produkte nicht effektiver seien als andere Entwöhnungsmethoden.
Studien zum Risiko wurden teils wieder zurückgezogen
Gegen eine steuerliche Gleichbehandlung argumentierte unter anderem Martin Storck, Klinikdirektor der Gefäß- und Thoraxchirurgie am Städtischen Klinkum Karlsruhe. Das größte Risiko entstehe durch den Verbrennungsprozess, der bei E-Zigaretten gar nicht erfolge. Bei Tabakerhitzern werde der Tabak mit deutlich geringerer Temperatur als bei Zigaretten erhitzt statt verbrannt.
„Eine deutliche Risikoreduktion ist besser als Rauchen“, so Storck. Studien, die Risiken der Alternativprodukte gezeigt hätten, seien zum Teil wieder zurückgezogen worden, weil sie die bis zu zehn Jahre nachwirkenden Risiken des Tabakrauchens nicht berücksichtigt hätten.
Der Verband des E-Zigarettenhandels argumentierte 99,7 Prozent der deutschen Nutzer seien ehemalige Raucher. Unter anderem in den USA habe sich gezeigt, dass Steuererhöhungen auf Liquids wieder zu einem vermehrten Kauf von Tabakzigaretten führten.
Alternativprodukte für Jugendliche kaum interessant
Studien hätten zudem gezeigt, dass E-Zigaretten für Jugendliche kaum interessant sein. „Bei den Marketingmaßnahmen kann man nachsteuern“, so der Verbandsvorsitzende Michal Dobrajc. Verpackungen müssten nicht schreiend bunt oder mit Comics bedruckt sein. „Da gehen wir gerne ins Gespräch mit den Herstellern.“
Bernd Werse vom Zentrum für Drogenforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main bestätigte, dass der Anteil der Jugendlichen, die Alternativprodukte häufig nutzen, verschwindend gering sei. „Wir wollten eine Studie dazu machen und hatten Probleme überhaupt Probanden zu finden“, so Werse.
Die Ergebnisse hätten gezeigt, dass zwar die etwa die Hälfte der Jugendlichen schon einmal ein Alternativprodukt ausprobiert hätte, diese aber in der Jugendkultur eh keine große Rolle spielen würden.
Steuererhöhungen könnten Schwarzmarkt fördern
Berthold Wigger, Professor für Finanzwissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie wie darauf hin, dass eine Besteuerung von Alternativprodukten in Griechenland zum Ausweichen auf den Schwarzmarkt geführt habe, wo vor allem unkontrollierte Produkte vertrieben würden.
Auch Wolf-Dieter Heller vom Institut für Tabakforschung erklärte, massive Steuererhöhungen, wie etwa in Deutschland zwischen 2002 und 2005 bei Zigaretten, hätten in der Vergangenheit den Kauf im Ausland und auf dem Schwarzmarkt befördert.
Unter Einbezug der Expertenmeinungen folgen nun die Beratungen des Finanzausschusses. Über die finale Beschlussempfehlung wird voraussichtlich in den kommenden Wochen abgestimmt.
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