Politik

Haushalt: Die Regierung sucht acht Milliarden Euro

  • Dienstag, 16. Juli 2024
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Berlin – Die Bundesregierung will ihren heftig umkämpften Haushalt für 2025 morgen offiziell auf den Weg bringen – obwohl noch immer nicht ganz klar ist, wie ein Milliardenloch gestopft werden kann. Gelingt das nicht, muss unter Umständen nochmal neu verhandelt werden.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) muss mit weniger Mitteln auskommen als noch in diesem Jahr. Für 2025 sind 16,4 Milliarden Euro eingeplant. Im laufenden Jahr sind es noch 16,7 Milliarden Euro gewesen. Das sind rund 270 Millionen Euro weniger.

Die Einsparungen gehen weitgehend auf die geringeren Ausgaben nach der Coronapandemie zurück. Für die Finanzierung von Pandemiebereitschaftsverträgen werden 2025 etwa 150 Millionen Euro weniger ausgege­ben als noch 2024. Weitere rund 140,5 Millionen Euro entfallen, weil die Leistungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für durch die SARS-CoV-2-Pandemie verursachte Belastungen ganz gestrichen werden.

Der Bundeszuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bleibt wie sonst auch mit 14,5 Milliarden Euro der größte Ausgabenblock.

Erst einmal aber ist für morgen ein Beschluss im Kabinett geplant. Danach geht der Etatentwurf in den Bun­destag, wo er noch verändert werden kann und kurz vor Jahresende beschlossen werden soll.

Wochenlang hatten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) immer wieder über Stunden im Kanzleramt zusammengesessen. Sie sollen buchstäb­lich jeden Stein im Etat umgedreht haben, um ein mehr als 30 Milliarden Euro großes Finanzierungsloch zu stopfen.

Eine Aufgabe, die auf dieser Detailebene sonst eigentlich Staatssekretäre übernehmen – und die zeigt, wie ernst es zwischenzeitlich wohl um die Ampelkoalition stand. Anfang Juli dann die Grundsatzeinigung nach einer Marathonsitzung.

Für das laufende Jahr verschafft sich die Bundesregierung mit einem Nachtragshaushalt etwas mehr Spiel­raum. Weil die Konjunktur so schleppend läuft, darf sie 11,3 Milliarden Euro mehr Schulden aufnehmen als bisher gedacht. Das soll ausgenutzt werden. Damit steigt die Kreditaufnahme für 2024 auf 50,3 Milliarden Euro, wie Zahlen aus dem Finanzministerium (BMF) zeigen.

Das Geld soll zum großen Teil in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds fließen, aus dem unter anderem die Förderung von Ökostrom bezahlt wird. Außerdem wird ausgeglichen, dass es wegen der schlechten Wirtschaftslage mehr Bedarf an Bürgergeld gibt und die Steuereinnahmen geringer ausfallen. Anfang November soll der Nachtragshaushalt vom Bundestag beschlossen werden.

Auch der Etat für das kommende Jahr soll idealerweise im November durch den Bundestag. Doch hier hat die Koalition noch einiges an Arbeit vor sich – denn nach wie vor klafft ein Milliardenloch. Zwar ist es üblich, dass die Regierung eine sogenannte globale Minderausgabe einplant. Sie wettet damit darauf, dass die Ministerien es unter dem Strich nicht schaffen werden, das gesamte eingeplante Geld auch wirklich auszugeben. Doch dieses Mal ist die eingepreiste Lücke mit 17 Milliarden Euro besonders hoch.

Dafür, wie 8 von den 17 Milliarden Euro aufzutreiben wären, hat man in der Bundesregierung bereits Ideen – doch es ist noch nicht klar, ob diese verfassungsrechtlich und wirtschaftlich auch tragen. Unter anderem wird geprüft, ob milliardenschwere Zuschüsse an die Bahn und die Autobahngesellschaft durch Darlehen ersetzt werden können. So würde das Geld nicht auf die Schuldenbremse angerechnet. Sollten die Prüfungen negativ ausfallen, muss die Ampelkoalition womöglich noch einmal neu über Sparmaßnahmen beraten.

Dabei waren die Haushaltsverhandlungen in diesem Jahr bereits außerordentlich hart. Letztlich einigten sich Scholz, Habeck und Lindner, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einzuhalten – ein Punktsieg für die FDP, doch die SPD im Bundestag hat die Idee noch nicht völlig aufgegeben, wegen finanzieller Belastun­gen durch den Ukrainekrieg doch noch eine Ausnahmeregel zu ziehen.

Einschnitte mussten vor allem das Auswärtige Amt, das Wirtschaftsministerium (BMWK) und das Entwick­lungsministerium (BMZ) hinnehmen. Ein Plus dagegen gab es unter anderem für das Verteidigungsressort – allerdings mit 1,25 Milliarden lange nicht so deutlich, wie sich Minister Boris Pistorius das gewünscht hatte. Insgesamt sieht der Etatentwurf eine Neuverschuldung von 43,8 Milliarden Euro vor, der Spielraum der Schuldenbremse wird damit voll ausgeschöpft.

In den Jahren nach 2025, so heißt es im Finanzministerium, könnten die Etatverhandlungen sogar noch mehr Probleme machen. Lindners Ressort warnt vor einer „relativ hohen Versteinerung des Haushalts“.

Sehr viel Geld sei schon gebunden, durch gesetzliche Ansprüche der Bevölkerung, durch steigende Sozialaus­gaben einer alternden Gesellschaft und durch einzuhaltende Quoten wie bei den Verteidigungsausgaben.

Schon jetzt machten Sozialausgaben, Zinsen und Personal 62 Prozent des Bundeshaushalts aus – Geld, das man nicht mehr flexibel einsetzen kann. In der Finanzplanung für die Jahre 2026 bis 2028 klafft so eine Finanzierungslücke von zusammen 65 Milliarden Euro.

Helfen soll ein Paket, das die Wirtschaft in Deutschland wieder konkurrenzfähig machen und so zum Beispiel auch Steuereinnahmen bringen soll. Eckpunkte hierzu sollen ebenfalls morgen beschlossen werden. Es geht dabei nicht nur um beschleunigte Abschreibungen von Investitionen für Unternehmen und den Abbau von Bürokratie.

Arbeitnehmer sollen Anreize bekommen, mehr und länger zu arbeiten – etwa indem Beschäftigte im Renten­alter den Arbeitgeberbeitrag für die Arbeitslosenversicherung und teils auch für die Rentenversicherung aus­gezahlt bekommen. Für ausländische Fachkräfte ist in den ersten drei Jahren ihrer Tätigkeit in Deutschland ein Steuerrabatt geplant.

Außerdem will die Regierung Überstunden, die über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuer- und beitragsfrei stellen. Familien sollen einen höheren Kindersofortzuschlag und mehr Kindergeld bekommen. Außerdem sollen Freibeträge und andere Grenzwerte bei der Lohn- und Einkommensteuer so angepasst werden, dass Bürgerinnen und Bürger in zwei Jahren 23 Milliarden Euro Steuern sparen.

dpa/bee/may

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