Politik

Haushaltsberatungen starten mit Mahnungen zur Stärkung des Sozialstaats

  • Dienstag, 10. September 2024
/picture alliance, Zoonar, DesignIt
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Berlin – Zum Start der Haushaltsberatungen im Bundestag haben Sozialverbände die Ampelkoalition aufge­rufen, sich stärker auf sozialpolitische Fragen zu konzentrieren.

„Die Regierungsparteien müssen dringend gemeinsam und ohne öffentlichen Streit einen Haushalt auf den Weg bringen, der den Sozialstaat stärkt“, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Kürzungen im Sozialbereich und drohende Beitragserhöhungen bei Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung führten zu noch mehr Unzu­friedenheit bei vielen Menschen.

Der Haushaltsentwurf der Regierung „birgt die Gefahr, die Gesellschaft weiter zu spalten“, warnte Bentele. „Wir brauchen einen starken Sozialstaat, der alle unterstützt, die Unterstützung brauchen.“

Unter anderem müssten „Menschen mit geringen Löhnen und Arbeitssuchende, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sowie Menschen mit Behinderung auf die Solidarität der Gemeinschaft bauen können“, forderte die VdK-Präsidentin. „Das kann der derzeitige Bundeshaushalt leider nicht leisten.“

Streichungen im Sozialbereich „wären nicht nötig, würde sich die Regierung endlich nachdrücklich darum kümmern, Steuerhinterziehung und -vermeidung zu bekämpfen“, unterstrich Bentele zudem. Hier gehe es nach Schätzung von Fachleuten um jährlich rund 100 Milliarden Euro.

Ähnlich äußerte sich Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch. „Wir können Menschen, die auf Unterstützung ange­wiesen sind, und unseren Mitarbeitenden und Freiwilligen schon lange nicht mehr erklären, warum bei jeder Haushaltsdebatte die Finanzierung sozialer Aufgaben in Frage gestellt wird. Gleichzeitig wachsen die Vermögen einiger Weniger“, beklagte er.

Es müsse über eine gerechtere Besteuerung hoher Einkommen und eine Reform der Schuldenbremse gespro­chen werden, forderte Schuch. „Dies schafft Spielräume für Investitionen: in den sozialen Zusammenhalt, in die Demokratie und in die Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur.“ Das komme den Menschen und dem Standort Deutschland gleichermaßen zugute, zeigte sich Schuch überzeugt.

Gestern hatte sich der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU), für eine stärkere Steuerfinan­zierung der gesetzlichen Renten-, Pflege- und Krankenversicherung ausgesprochen. „Man muss überlegen, ob man das ganze System nur über den Faktor Arbeit finanzie­ren will“, sagte er.

In einem ersten Schritt müssten gesamtstaatliche Leistungen durch Steuergelder ausgeglichen werden, etwa die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldempfängern oder die Ausbildung von Pflegekräften. In einem zweiten Schritt müsse man andere Finanzquellen erschließen.

„Der Sozialversicherungsbeitrag hat eine andere Belastungswirkung als die Steuern“, betonte Laumann. „Man muss sich darüber im Klaren sein, welche Wirkung der Sozialversicherungsbeitrag auf die niedrigen Einkom­men hat. Das muss man lösen, statt immer zu sagen: Geht nicht.“

Der Bundestag beginnt heute mit den Beratungen über den Entwurf für den Bundeshaushalt 2025. Vorgese­hen sind Ausgaben von 488,61 Milliarden Euro. Dafür braucht der Bund 51,3 Milliarden Euro an frischen Krediten. Im Entwurf klafft zudem noch eine Finanzlücke von zwölf Milliarden Euro.

Größter Posten unter den Ministerien ist mit großem Abstand der Sozialetat. 179 Milliarden Euro sind dafür eingeplant, ein Großteil ist allerdings durch gesetzlich garantierte Leistungen – wie das Bürgergeld – auch schon gebunden.

Der Gesundheitsetat (Einzelplan 15) des Bundeshaushalts 2025 umfasst – wie bereits bisher geplant – Aus­gaben von 16,44 Milliarden Euro gegenüber 16,71 Milliarden Euro in diesem Jahr. An Einnahmen werden 106,18 Millionen Euro (2024: 104,32 Millionen Euro) veranschlagt.

Den größten Kostenblock macht wie in den Jahren zuvor der Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds aus, der 14,5 Milliarden Euro beträgt. Er dient als „pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben“.

Die Krankenkassen monieren seit Jahren, dass die Mittel nicht ausreichen. Ein Manko ist auch: Weder die steigenden Kos­ten in der Pflege, noch die durch die zahlreichen Gesetze zu erwartenden Mehrkosten für die GKV sind be­rücksichtigt. Wie schon im laufenden Jahr soll es auch 2025 keinen Bundeszuschuss zur sozialen Pflegeversicherung (SPV) geben. Dieser betrug 2023 noch eine Milliarde Euro.

may/dpa/kna/afp

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