Politik

Hebammen beklagen Webfehler bei Personalbemessung

  • Dienstag, 8. November 2022
Immer mehr Kliniken in Baden-Württemberg haben Probleme, offene Stellen für Hebammen und Fachärzte zu besetzen. /RioPatuca Images, stock.adobe.com
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Berlin – Das vor zwei Wochen verabschiedete GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat beim Thema Pflegepau­scha­len offenbar einen Webfehler, der besonders die Arbeit von Hebammen auf prä- und postnatalen Statio­nen betrifft.

Der Deutsche Hebammenverband hatte bereits in einem Brandbrief an die drei Koalitionsfraktionen deutlich gemacht, dass durch die Neuregelung im Pflegebudget ab 2025 die Möglichkeiten der Refinanzierung von He­bammenstellen auf Geburtsstationen ausgeschlossen wird.

Es sei „ein Irrtum, dass Hebammen, die Frauen und Neugeborene auf den Stationen pflegen und betreuen, zu­sätzlich zu den Pflegestellen vergütet“ und über die diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) ausgeglichen werden könnten, erklärte der Verband. Es wird befürchtet, dass es für Klinkbetreiber unrentabel wird, Hebam­men außerhalb des Kreißsaales einzusetzen.

Auch eine Onlinepetition auf der Plattform change.org hatte über das Wochenende sehr hohen Zulauf und inzwischen 1,3 Millionen Unterstützerinnen gefunden (Stand 17 Uhr, 8.11.2022). Besonders in sozialen Medien machen Hebammen aber auch Ärztinnen auf die drohende Unterfinanzierung, Unterversorgung von Frauen und Kindern und mögliche Kündigung von Hebammen aufmerksam.

In den Koalitionsfraktionen ist das Problem offenbar bekannt und teilweise auch unangenehm – setzen sich doch alle drei Fraktionen laut ihrem Koalitionsvertrag für mehr Geld für die Geburtshilfe sowie eine bessere Versorgung ein.

„Für eine gute Versorgung von Schwangeren sind Hebammen unverzichtbar. Niemand hat ein Interesse daran, dass sich die Situation in der Geburtshilfe weiter verschärft. Eine selbstbestimmte Geburt braucht eine Pers­pek­tive. Hier arbeiten wir an Lösungen", schreibt beispielsweise Saskia Weishaupt, die für die Bundestags­frak­tion der Grünen zuständige Fachpolitikerin für das Thema Geburtshilfe.

In dieser Woche soll dazu beraten werden, wie das entstandene Problem „geheilt" werden kann, hieß es aus Koalitionskreisen auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes.

Inzwischen soll das Problem auch im Bundesgesundheitsministerium angekommen sein. Dort wurde offenbar in Aussicht gestellt, dass Hebammen wieder unter das Pflegebudget fallen sollen. „Geburtshilfe und Kinder­heil­kunde dür­fen nicht dem Spardiktat des alten Krankenhaussystems unterworfen sein“, zitiert die Rheinische Post Bundes­gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu diesem Thema.

Der Deutsche Hebammenverband beklagt, dass sie zunächst nicht zu einer Stellungnahme zum Gesetz ein­geladen wurden. Im Laufe des Gesetzgebungsprozesses sei aber deutlich geworden, dass durch die durchaus wünschenswerte Differenzierung von Pflegeleistungen aus dem Pflegebudget ein Problem für die Hebammen auf prä- und postnatalen Stationen entstehen werde.

Man habe in der Anhörung des Gesetzes im Gesund­heits­ausschuss sowie in einer Stellungnahme dann auf das Problem erneut hinweisen können, aber kein Ge­hör gefunden. „Offenbar ist es in der Politik weiterhin nicht bekannt, dass Hebammen in Krankenhäusern nicht nur in Kreiß­sälen arbeiten“, sagte die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes Ulrike Geppert-Orthofer im Ge­spräch mit dem Deutschen Ärzteblatt.

Hebammen sollen nun zukünftig nicht mehr über das Pflegebudget refinanziert werden können, was dazu führen werde, dass Hebammenstellen auf Stationen abgebaut werden. Das gefährde nicht nur kurzfristig die Versorgung, sondern verschärfe langfristig auch den Hebammenmangel.

Denn Hebammen müssten in ihrer Ausbildung gewisse Zeiten auf den Stationen absolvieren und von Hebam­men ausgebildet werden. Wenn dort keine Hebammen mehr für die Praxisanleitung der Auszubildenden ver­fügbar seien, könne das Ausbildungsziel nicht mehr erreicht werden, so der Verband.

Außerdem: „Der Anspruch der gesetzlich Versicherten auf eine Betreuung einer Hebamme vor der Geburt so­wie im Wochenbett gilt ja nicht nur im häuslichen Umfeld, sondern auch im Krankenhaus“, stellte Geppert-Orthofer klar. Auch dies müsse in der Politik immer wieder kommuniziert werden.

Denn bereits mit der Pflegepersonaluntergrenzenverordnung für Pränatal- und Wochenbettstationen, die seit Januar 2022 gelten, können Hebammenstellen nur noch mit einem Stellenanteil von fünf bis zehn Prozent angerechnet werden. Schon durch diese Verordnung wird die Beschäftigung von Hebammen auf den Statio­nen für Klinikbetreiber unrentabel.

bee

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