Herzgesetz im Bundestag: Kritik bleibt bestehen

Berlin – Heute hat der Bundestag in erster Lesung den Gesetzentwurf zur Stärkung der Herzgesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz, GHG) beraten, mit dem die Bundesregierung eine verbesserte Früherkennung und Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorantreiben will. Die Vorlage wurde zur weiteren Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte, Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellten eine zunehmende „Last“ in Deutschland dar. Mit der geplanten Stärkung der entsprechenden Vorbeugung und der Etablierung von umfangreichen Screeningprogrammen stehe man „fest auf dem Boden der evidenzbasierten Medizin“.
Das Gesetz sei „überflüssig und teuer“, entgegnete Gesundheitspolitiker Dietrich Monstadt (CDU). Die Pläne des Bundesgesundheitsministers lösten bei vielen Akteuren des Gesundheitssystems „Kopfschütteln“ aus – dies betreffe insbesondere die drohende Mittelkürzung für bestehende Präventionsmaßnahmen. Statt „Aktionismus“ brauche es eine Stärkung der bewährten Präventionsprogramme, welche „echte Effekte“ erzielen würden.
Johannes Wagner (Grüne), Mitglied im Gesundheitsausschuss, verteidigte den Gesetzentwurf als notwendig und richtig. Er sprach aber auch davon, dass man das GHG im parlamentarischen Verfahren noch verbessern werde.
Ähnlich äußerten sich Nezahat Baradari und Herbert Wollmann (beide SPD). Die von verschiedenen Seiten vorgebrachte Kritik am Einfluss auf bestehende Präventionsstrukturen nehme sie sehr ernst, so Baradari. Wollmann betonte, man werde diesbezüglich noch „Korrekturen anbringen“.
Die Regelungen des GHG sehen unter anderem vor, einen gesetzlichen Anspruch auf erweiterte Leistungen zur Früherkennung einer Fettstoffwechselerkrankung im Rahmen der Untersuchungen für Kinder und Jugendliche (U/J) zu etablieren. Für Erwachsene im Alter von 25, 40 und 50 Jahren sind in Ergänzung der bestehenden Gesundheitsuntersuchung (GU) sogenannte Check-ups im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorgesehen.
Krankenkassen sollen außerdem dazu verpflichtet werden, ihren Versicherten strukturierte Behandlungsprogramme (Disease-Management-Programm DMP) anzubieten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) soll dazu Anforderungen für ein neues DMP für Versicherte mit hohem Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung beschließen.
Scharfe Kritik der Krankenkassen
Vom GKV-Spitzenverband hieß es zur den Plänen, man unterstütze das Ziel, die Herzgesundheit in Deutschland zu stärken. Allerdings seien die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen hierzu „insgesamt wenig geeignet“.
Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, betonte, eine wesentliche Rolle sollte ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz spielen. Der Konsum von Alkohol, Tabak und ungesunden Lebensmitteln müsse reduziert und gesundheitsfördernde Lebensumstände geschaffen werden.
„Primärprävention ist der wirksamste Hebel zur Senkung der Herz-Kreislauf-Mortalität, hat aber noch immer einen zu geringen Stellenwert in Politik und Gesellschaft“, so Stoff-Ahnis. Das zeige sich auch im Gesundes-Herz-Gesetz. Mit ihm setze die Bundesregierung einseitig auf eine zunehmende Medikalisierung von Krankheitsrisiken, verhältnispräventive Maßnahmen würden weitgehend ausgeblendet.
Zudem stelle die Einführung neuer Leistungen durch den Gesetzgeber einen Rückschritt im Vergleich zu den in den vergangenen Jahrzehnten erreichten Bewertungsstandards der evidenzbasierten Medizin im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) dar.
Auch die vorgesehene kostenneutrale Gegenfinanzierung sehen die Krankenkassen kritisch. Es handle sich beim GHG um ein „Präventionskürzungsgesetz, in dem die Mittel für die Primärprävention zugunsten einer weiteren Medikalisierung zusammengestrichen werden“, warnte Stoff-Ahnis.
„Im Entwicklungsplan Bewegung bezeichnet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Sport und körperliche Aktivität als beste Medizin gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Gleichzeitig gefährdet er mit dem ,Gesundes-Herz-Gesetz' die Finanzierung von 110.000 individuellen verhaltensbezogenen Präventionskursen“, kritisierte auch Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK-Dachverbandes. Das sei das Gegenteil eines modernen Verständnisses von Gesundheit und Gesunderhaltung.
Der Gesetzgeber nehme mit dem GHG „beträchtliche Kollateralschäden in gut funktionierenden Bereichen der Gesundheitsversorgung in Kauf“, warnte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann.
Trotz vehementer Kritik an der fragwürdigen Evidenz der vorgesehenen Maßnahmen bleibe es bei dem Motto „Pillen statt Prävention“. Wenn das GHG in der vorliegenden Form verabschiedet wird, „so wäre damit das Aus für die von den gesetzlichen Krankenkassen finanzierten individuellen Gesundheitskurse besiegelt“.
Stefan Willich, Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der Charité - Universitätsmedizin Berlin, bewertete das GHG im Vorfeld der Bundestagsdebatte als „zu limitiert“. Er erwarte „wenig Effekte“. Eine bloße Hochrisikoprävention bringe weniger Nutzen als ein bevölkerungsbezogener Ansatz und Verhältnisprävention.
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