Politik

Immunologen und Ärzte werben für Astraze­neca-Impfstoff

  • Donnerstag, 18. Februar 2021
/Giovanni Cancemi, stock.adobe.com
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Berlin – In der Diskussion um die Wirksamkeit des Coronaimpfstoffs von Astrazeneca sind Ärzte und Im­munologen bemüht, Zweifel an dem Vakzin zu zerstreuen. Der Impfstoff sei gut und wirksam, beton­ten der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, und der Generalsekretär der Deutschen Gesell­schaft für Immunologie, Carsten Watzl.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte gestern für den Impfstoff geworben, der in der Europäischen Union als bislang einziges Vakzin neben denen von Biontech/Pfizer und Moderna zuge­lassen ist.

BÄK-Präsident Reinhardt appellierte an das medizinische Personal, sich mit dem Mittel impfen zu lassen. Das Vakzin schütze „nachweislich vor Ansteckung und es verringert das Risiko schwerer und tödlicher Verläufe“, sagte er gestern der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Deshalb rate ich allen impfberechtigten Be­schäftigten in Kliniken und Praxen, die Möglichkeit für eine Coronaschutzimpfung zu nutzen.“

Er könne nachvollziehen, dass viele Beschäftigte im Gesundheitswesen „wegen teilweise unkorrekter Presseberichte über die Wirksamkeit des Impfstoffes verunsichert sind“, sagte Reinhardt. „Und manche selbst ernannte Impfstoffexperten tragen mit ihren unüberlegten Äußerungen ganz erheblich zur Verun­sicherung bei.“ Nötig seien „viel mehr sachliche Informationen über die Sicherheit und die Wirksamkeit des Impfstoffes“.

In einer gemeinsamen Mitteilung wiesen mehrere große Ärzteverbände darauf hin, dass für jeden CO­VID-19-Impfstoff, für den eine Zulassung erteilt wird, Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in kli­nischen Prüfungen nachgewiesen und ein günstiges Nutzen/Risiko-Profil bescheinigt werden müssen.

Man werbe deshalb mit Nachdruck dafür, dass alle prioritär impfberechtigten Beschäftigten in der ambu­lanten und stationären Versorgung jetzt die Chance der Impfung gegen SARS-CoV-2 ergreifen. Jede Im­pfung stelle auch ein Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens dar, betonten unter anderem die BÄK, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), der Hartmannbund, der Marbur­ger Bund und der Virchowbund sowie mehre Fachgesellschaften und auch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften.

Um den Impfstoff von Astrazeneca war eine Diskussion aufgekommen – auch nach einzelnen Rückmel­dungen, dass Impfberechtigte Termine womöglich wegen Bedenken platzen ließen. Das Astrazeneca-Präparat hat eine geringere Wirksamkeit als die Mittel von Biontech/Pfizer und Moderna – bezogen da­rauf, wie viele Geimpfte in Studien im Vergleich zu Nicht-Geimpften erkranken.

Der Immunologe Watzl sagte der Augsburger Allgemeinen heute: „Das Mittel von Astrazeneca ist ein sehr guter Impfstoff, auch wenn die anderen noch ein bisschen besser sind.“ Durch den in Deutschland verlängerten Abstand zwischen erster und zweiter Dosis werde die Wirksamkeit von Astrazeneca mut­maßlich auf 80 Prozent erhöht. Der Impfstoff biete einen deutlichen Schutz vor einer Coronaerkrankung, der um ein Vielfaches besser sei, als wenn man nicht geimpft sei.

Das Astrazeneca-Vakzin unterscheide sich auch bei den Nebenwirkungen kaum von den anderen Wirk­stoffen, sagte Watzl weiter. „Ein Unterschied zwischen den Impfstoffen ist, dass diese Nebenwirkungen bei mRNA-Impfstoffen in mehr Fällen und stärker nach der zweiten anstelle der ersten Impfung auftre­ten. Bei Astrazeneca ist es genau umgekehrt.“ Reaktionen des Körpers bei Impfungen seien nicht über­raschend und in der Regel Ausdruck davon, „dass der Impfstoff das tut was er tun soll, nämlich eine Immunreaktion auszulösen“.

Watzl schlug zugleich eine spätere Nachimpfung mit einem anderen Mittel vor. „Man kann die Immu­nität, die man mit dem Astrazeneca-Impfstoff ausgelöst hat, ohne Probleme mit einem mRNA-Impfstoff später noch einmal verstärken“, sagte Watzl.

Spätestens ab dem vierten Quartal stünden mehr Impfdosen zur Verfügung als für eine zweifache Imp­fung der Gesamtbevölkerung nötig wären, argumentierte der Dortmunder Professor. „Es wäre deshalb kein Problem, eine dritte Impfung mit einem mRNA-Impfstoff nachzuholen.“

Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) äußerte Besorgnis, dass breite Vorbehalte gegen das Astrazeneca-Mittel den Impfzeitplan der Bundesregierung um mehrere Wochen zurückwerfen könnten. Das Institut hatte errechnet, dass bis Mitte September unter bestimmten Voraussetzungen allen Bürgern ein Impfangebot gemacht werden könnte. Ohne den Impfstoff von Astrazeneca könne es „bis zu zwei Monate länger dauern, bis dieses Ziel erreicht ist“, sagt ZI-Chef Dominik von Stillfried dem Handels­blatt.

Die Grünen warfen der Regierung im Zusammenhang mit dem Astrazeneca-Impfstoff „massive Kommuni­ka­tionsversäumnisse“ vor. Es werde zu wenig erklärt, über die Wirksamkeit des Impfstoffes würden „Schauergeschichten“ erzählt. Dabei sei eine Wirksamkeit von 70 Prozent für Impfstoffe keine Seltenheit, sagte die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche der Welt. Der Linke-Gesundheitspolitiker Achim Kessler forderte in derselben Zeitung Freiheit bei der Wahl des Impfstoffs – vorausgesetzt, es sei genug Impfstoff für alle vorhanden.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer schlug eine baldige Impfung von Bundespräsident und Kanzlerin vor, um das Vertrauen der Bürger in die Coronaschutzimpfungen zu stärken. „Es wäre sicherlich ein sehr positives Signal, wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Stein­meier zeitnah öffentlich impfen lassen würden. Das wirkt vertrauensbildend“, sagte Theurer der Bild heute.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach will demnächst als Impfarzt in einem Impfzentrum in Lever­ku­sen arbeiten, das in seinem Wahlkreis liegt. Er werde sich dort, wie alle Mitglieder des Impfzentrums, natürlich mit Astrazeneca impfen lassen, sagte er dem Tagesspiegel.

dpa/afp

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