Initiative zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen im Bundestag

Berlin – Drei Monate vor der Bundestagswahl hat eine Gruppe von Abgeordneten eine Initiative zum Konfliktthema Schwangerschaftsabbruch im Parlament eingebracht.
Ein heute von Vertreterinnen von SPD und Grünen vorgestellter Gesetzentwurf sieht vor, dass der Abbruch bis zum Ende der zwölften Schwangerschaftswoche rechtmäßig sein soll. Die dreitägige Wartefrist zwischen Beratung und Abbruch soll dabei gestrichen werden. Und die Krankenkassen sollen zudem fortan die Kosten übernehmen.
Über die Vorlage soll nach dem Willen der Initiatorinnen noch vor der Neuwahl des Bundestags am 23. Februar abgestimmt werden. Demnach hatten bis heute 236 der aktuell 733 Bundestagsabgeordneten den Antrag unterschrieben. Unterstützung aus den Reihen von Union und FDP gab es aber vorerst nicht.
Sie wisse aber von „etlichen“ Abgeordneten, „die heute nicht unterschreiben, aber am Ende zustimmen werden – auch aus den anderen Fraktionen“, sagte die SPD-Angeordnete Leni Breymaier.
Sie rechtfertigte die kurzfristig eingebrachte Initiative, die eigentlich erst für kommendes Frühjahr geplant war, mit dem Bruch der Ampelkoalition. Dieser habe den Organisatorinnen „die Füße weggezogen“, da sie nach der Neuwahl nicht mehr mit einer „progressiven Mehrheit“ im Parlament rechneten.
Die geltenden Regelungen des Schwangerschaftsabbruchs stellten „eine erhebliche Einschränkung der Selbstbestimmung, der persönlichen Integrität und der körperlichen Autonomie Schwangerer" dar, heißt es in dem Gesetzentwurf. Sie könnten der körperlichen und seelischen Gesundheit Schwangerer „Schaden zufügen“.
Es werde angestrebt, dass das Bundestagsplenum in der ersten Dezemberwoche erstmals über die Vorlage debattiere, sagte die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge. Eine Abstimmung könnte dann im Januar erfolgen.
Es sei im Interesse der Initiatorinnen, „dass das nicht ein lautes Wahlkampfthema wird“, betonte die Grünen-Vertreterin Ulle Schauws. Es gebe die Chance, dass die nun vorgestellte „moderate Variante“ zur Änderung der Gesetzgebung eine Mehrheit finde. Schauws betonte dabei, es habe auch „gute Gespräche mit den Kolleginnen von der Union“ dazu gegeben.
Bei den Wünschen der Organisatorinnen an die Rechtsänderung seien die Ansprüche wegen der Kürze der Zeit nun heruntergeschraubt worden, sagte Breymaier. „Federn gelassen“ hätten die Initiatorinnen etwa bei der Frage, ob die Beratungspflicht nicht abgeschafft werden sollte. Auch die Zwölf-Wochen-Frist sei nicht angetastet worden. Die SPD-Abgeordnete verwies dabei auf andere europäische Länder mit deutlich längeren Fristen für den legalen Schwangerschaftsabbruch.
Die Gruppen-Vorsitzende der Linken, Heidi Reichinnek, sprach von einem „Schritt in die richtige Richtung“. Ihre Partei werde den Gesetzentwurf unterstützen. Sie wünsche sich aber "ein Recht auf Beratung" und keine Pflicht.
Bisher ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs verboten. Er bleibt allerdings bis zur zwölften Schwangerschaftswoche nach einer Pflichtberatung straffrei. Der nun vorgelegte Gesetzentwurf soll den Abbruch ausdrücklich entkriminalisieren. Die neuen Regelungen sollen nicht mehr im Strafrecht, sondern im Schwangerschaftskonfliktgesetz verankert werden.
Der Abbruch nach Ende der zwölften Woche soll demnach grundsätzlich rechtswidrig bleiben, kann jedoch - wie nach bisheriger Rechtslage - bei Vorliegen einer medizinischen Indikation bis zum Beginn der Geburt rechtmäßig sein. Voraussetzung dafür ist eine ärztliche Stellungnahme.
Die Abtreibung war bereits im Jahr 1871 in Deutschland als Straftat ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden. In der Bundesrepublik blieb die Abtreibung weiter illegal, während in der DDR seit 1972 die so genannte Fristenlösung galt: Dort entschieden Frauen in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft selbst, ob sie diese fortführen wollten.
Nach der Wiedervereinigung beschloss der Bundestag 1992 eine Fristenregelung nach Beratung für die Bundesrepublik. Diese Regelung wurde aber vom Verfassungsgericht gekippt. Daraufhin wurde der bis heute geltende Kompromiss ausgearbeitet, der den Schwangerschaftsabbruch nicht legalisiert, aber in den ersten zwölf Wochen auf Bestrafung verzichtet.
Eine Expertenkommission der Bundesregierung hatte im Frühjahr unter anderem empfohlen, Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen grundsätzlich zu erlauben. Bundesfrauenministerin Lisa Paus unterstützt den Gruppenantrag. Frauen müssten ihrer Meinung nach eigenständig und selbstbestimmt über den Umgang mit der Schwangerschaft entscheiden können – „und zwar ohne kriminalisiert zu werden“, betonte die Grünen-Politikerin.
Diese Haltung werde in der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung und über alle Parteigrenzen hinweg geteilt. Sie kritisierte, dass die Bundesregierung „nicht den politischen Willen gehabt hat, einen gemeinsamen Gesetzentwurf auf der Basis der von ihr eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin zu verabschieden.“
Neben dem Gesetzentwurf bringen die Abgeordneten auch einen Antrag in den Bundestag ein. Darin wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, mehr Möglichkeiten für Krankenkassen zur Kostenübernahme für Verhütungsmittel zu schaffen und mehr Forschungsmittel für Verhütungsmittel gerade auch für Männer zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollten Schwangerschaftsabbrüche besser in die medizinische Aus- und Weiterbildung integriert werden und ein verbindlicher Teil der Ausbildung werden.
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