Internationale Cochrane Vereinigung in akuter Finanznot

London/Freiburg – 30 Jahre nach ihrer Gründung steht die Cochrane Collaboration vor einem Umbruch. Grund ist, dass das britische National Institute for Health and Care Research (NIHR) die Finanzierung von Cochrane Gruppen eingestellt hat. Diese Gruppen bilden die Arbeitsebene von Cochrane und erstellen unter anderem die bekannten Reviews. Bereits im März schlossen 19 der 52 Gruppen im Vereinigten Königreich (UK).
Im Juli gab zudem Cochrane UK in Oxford – wo die Gruppe gegründet wurde – bekannt, dass es im kommenden März schließen wird. Das ist auch von symbolischer Bedeutung: Die Cochrane Collaboration wurde dort 1993 auf einer von dem Arzt und Forscher Iain Chalmers einberufenen Tagung ins Leben gerufen.
Forscher weltweit sind besorgt, dass Cochrane nicht in der Lage sein wird, die Zahl der von ihm erstellten Übersichtsarbeiten aufrechtzuerhalten. „Was mit den Gruppen im Vereinigten Königreich passiert ist, ist sehr traurig. Wir wollen, dass Cochrane auch für die nächste Generation da ist“, sagte Karla Soares-Weiser, Chefredakteurin der Evidenzdatenbank der Organisation („Cochrane Library“) in London dem Fachmagazin Nature (2023, DOI: 10.1038/d41586-023-02741-z).
Die Arbeit von Cochrane Deutschland ist hingegen gesichert und von den aktuellen Entwicklungen im Vereinigten Königreich nicht unmittelbar betroffen. Das teilte die Organisation dem Deutschen Ärzteblatt mit. Cochrane Deutschland erhalte keine finanziellen Mittel von der internationalen Organisation, sondern werde als Cochrane Deutschland Stiftung des Universitätsklinikums Freiburg durch Zuwendungen des Bundesministeriums für Gesundheit gefördert.
Die Schließung der Cochrane Review Gruppen in Großbritannien stelle die internationale Organisation aber vor Herausforderungen – eröffne aber auch neue Möglichkeiten: „Die aktuelle Situation bietet auch die Chance, Cochrane zu einer Organisation weiterzuentwickeln, die noch stärker international geprägt ist und die globalen gesundheitlichen Herausforderungen adressiert. Wir sind zuversichtlich, dass Cochrane diese Transformation gelingen wird“, teilte Cochrane Deutschland dem Deutschen Ärzteblatt mit.
Laut Nature fehlen Cochrane im Vereinigten Königreich durch die verlorene NIHR-Finanzierung jährlich etwa 4,2 Millionen Pfund. Weitere rund 6,8 Millionen Pfund erhält die Organisation aus Abonnements für die Cochrane Library, aber Cochrane will bis 2025 alle seine Übersichten frei zugänglich machen, wodurch diese Einnahmen gefährdet sind.
Catherine Spencer, die Geschäftsführerin von Cochrane in London, sagte gegenüber Nature, dass die Gruppe ernsthaft prüfe, wie sie diesen Schritt „in einer Weise vollziehen kann, die sicherstellt, dass Cochrane auch in Zukunft lebensfähig ist“.
Das NIHR erklärte, dass es sich weiterhin für die Unterstützung einer evidenzbasierten Praxis in der Gesundheitsversorgung einsetze. Im Mai gab es bekannt, dass es im Rahmen eines neuen Evidenzsyntheseprogramms 22,5 Millionen Pfund über fünf Jahre an neun andere Gruppen vergeben habe.
Cochrane hat inzwischen mehr als 11.000 Mitglieder, die weltweit an der Synthese oder Verbreitung von Evidenz beteiligt sind. Die Organisation veröffentlichte bislang mehr als 16.000 Übersichtsarbeiten.
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