Politik

IQWiG kritisiert fehlende Daten zu Polatuzumab Vedotin

  • Mittwoch, 3. April 2024

Berlin – Polatuzumab Vedotin, ein Wirkstoff zur Behandlung des diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL), einer seltenen Erkrankung, ist im Rahmen der Dossierbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit „Zusatznutzen nicht belegt“ bewertet worden.

Wie das IQWiG mitteilte, fehlen in den eingereichten Unterlagen Analysen, die im statistischen Analyseplan explizit für Health Technology Assessments (HTA) wie der Nutzenbewertung in Deutschland vorgesehen ge­wesen sein sollten.

„Uns liegen zwei Fassungen des Studienprotokolls vor: aus dem Dossier die vollständige, in der spezielle Aus­wertungen für HTA vorgesehen sind, und daneben die veröffentlichte Fassung, in der ‚for HTA‘ geschwärzt wurde“, sagte Philip Kranz, Bereichsleiter im Ressort Arzneimittelbewertung des IQWiG. Einen Grund für dieses Vorgehen liefere der Hersteller nicht. „Eine ergebnisgesteuerte Berichterstattung liegt hier nahe,“ kritisierte Kranz.

Roche hat in seinem Dossier laut IQWiG Daten aus der Studie POLARIX eingereicht. In dieser noch laufenden doppelblinden randomisierten Kontrollstudie (RCT) seien eigene Auswertungen für HTA geplant gewesen, die getrennt vom primären Studienbericht berichtet werden sollten.

Darin sollte es um weitere Wirksamkeitsendpunkte und patientenberichtete Endpunkte gehen – etwa das voll­ständige Ansprechen zwei Jahre nach der Randomisierung. In den Studienunterlagen und den weiteren mit dem Dossier an das IQWiG übermittelten Unterlagen seien jedoch keine Auswertungen zu diesen End­punkten enthalten.

„So folgt der Freude über eine Studie, die nicht nur der Zulassung, sondern auch Nutzenbewertungen dienen sollte, die Enttäuschung auf dem Fuße“, kommentierte Kranz das Vorgehen.

Von der Roche Pharma AG hieß es auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes, den von Seiten des IQWiG geäußerten Vorwurf einer ergebnisgesteuerten Veröffentlichung von Studiendaten weise man ausdrücklich zurück. Dem G-BA und IQWiG lägen „sowohl das ungeschwärzte Studienprotokoll als auch alle vorhandenen Studienberichte vor“.

Es sei gängige Praxis, dass Studienprotokolle, die in Fachzeitschriften eingereicht würden und somit öffent­lich zugänglich seien, teilweise unkenntlich gemachte Stellen enthielten. Man werde im Rahmen des Stell­ungnahmeverfahrens der Nutzenbewertung „auf die Punkte des IQWiG eingehen und weitere Analysen – wie in jedem Verfahren üblich – vorlegen“.

Zum Hintergrund: Die frühe Nutzenbewertung wurde 2011 mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) eingeführt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat seitdem die Aufgabe, neue Arzneistoffe bei Markteintritt mit dem bisherigen Therapiestandard zu vergleichen – diese Bewertung führt das IQWiG durch. Nach Publikation der Dossierbewertungen erfolgen beim G‑BA ein Stellungnahmeverfahren und ein abschließender Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.

Für Orphan Drugs, also Medikamente zur Behandlung seltener Erkrankungen, gelten besondere Regelungen. Ihr Zusatznutzen gilt im AMNOG als belegt, der G-BA prüft, wie hoch der Zusatznutzen ist. Auf dieser Grund­lage finden dann Erstattungsbetragsverhandlungen statt. Diese speziellen Vorgaben gelten, bis die Medika­mente innerhalb von zwölf Monaten einen Umsatz von 30 Millionen Euro erzielen. Sobald ein Orphan Drug diese Schwelle überschreitet, stellt sich einer erneuten Nutzenbewertung mit anschließender Erstattungs­betragsverhandlung.

Da der Umsatz des Arzneimittels mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in den letzten zwölf Mona­ten einen Betrag von 30 Millionen Euro überschritten hatte, reichte Roche beim IQWIG ein Dossier zum Zu­satznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie ein.

In der frühen Nutzenbewertung untersuchte das IQWIG, ob Polatuzumab Vedotin in Kombination mit Rituxi­mab, Cyclophosphamid, Doxorubicin und Prednison bei erwachsenen, bislang unbehandelten Patienten einen Zusatznutzen gegenüber Rituximab in Kombination mit Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Predni­son bietet.

In den eingereichten Studiendaten zeigen sich laut IQWIG sowohl positive als auch negative Effekte von Pola­tuzumab Vedotin, insgesamt ist ein aus Sicht des IQWiG Zusatznutzen nicht belegt.

Um die angemessene Er­fassung von patientenrelevanten Endpunkten in Studien als Parameter für die Nutzenbewertung gibt es seit längerem Diskussionen.

mim/aha

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