Politik

IQWiG übt Kritik an Regelungen für Arzneimittel gegen seltene Krankheiten

  • Donnerstag, 11. Mai 2023
/HYUNGKEUN, stock.adobe.com
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Köln – Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) übt Kritik an den Rege­lungen für Orphan Drugs, also für Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen. Im British Medical Journal fordert eine Arbeitsgruppe des Instituts zusammen mit italienischen Wissenschaftlern, den Orphan-Drug-Status vom Label „Zusatznutzen“ zu entkoppeln (BMJ; DOI: 10.1136/bmj-2022-072796).

In Deutschland gilt für diese Arzneimittel ein fiktiver Zusatznutzen – das heißt, für Orphan Drugs wird ein Zusatznutzen unabhängig von der konkreten Datenlage anerkannt, solange sie eine bestimmte Umsatz­schwelle nicht überschritten haben, bislang 50 Millionen Euro.

Der von der europäischen Zulassungsbehörde vergebene Status eines „Orphan Drug“ ist daher mit einem Vor­teil gegenüber den bereits vorliegenden Therapieoptionen verbunden. Dies ist bislang gesetzlich so vorge­sehen, um Anreize für die Entwicklung von Orphan Drugs zu schaffen.

Aber sind die neuen Orphan Drugs tatsächlich besser als existierende Behandlungsformen? Das IQWiG-Team um Philip Kranz, Natalie McGauran und Thomas Kaiser ist zusammen mit Rita Banzi vom Mario- Negri-Institut in Italien unter anderem der Frage nachgegangen, ob diese Annahme eines fiktiven Zusatznutzens gerecht­fertigt ist.

Sie kommen zu dem Schluss: Es ist oft nicht klar, weil der Orphan-Drug-Status ohne ausreichende Evidenz mit einem therapeutischen Zusatznutzen gleichgesetzt wird. Sie fordern daher, den Orphan-Drug-Status vom Label „Zusatznutzen“ zu entkoppeln. „Das Label „Zusatznutzen“ sollte nur vergeben werden, sofern tatsächlich robuste Evidenz im Vergleich zum Therapiestandard vorliegt, heißt es im BMJ-Artikel.

Die Autorengruppe betont, dass es auch für seltene Erkrankungen möglich sei, Evidenz über den möglichen Zusatznutzen von neuen Arzneimitteln zu gewinnen. Dazu sollten internationale Register für seltene Erkran­kungen aufgebaut werden, mit deren Hilfe entsprechende hochwertige Studien einfacher möglich wären.

„Robuste Evidenz im Vergleich mit dem Therapiestandard ist für rationale Therapie- und Erstattungsent­scheidungen unerlässlich – die frühzeitige Generierung dieser Daten, zum Beispiel parallel zum Zulassungs­prozess, sollte daher obligatorisch sein“, sagte IQWiG-Leiter Thomas Kaiser.

hil

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