Politik

Klimaschutz an Dringlichkeit nicht zu überbieten

  • Dienstag, 29. März 2022
/Pixel-Shot, stock.adobe.com
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Berlin – Der Geschäftsführer der Deutschen Allianz Klimaschutz und Gesundheit (Klug), Christian Schulz, hat alle Akteure des Gesundheitswesens dazu aufgerufen, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Auf den 33. Gaißacher Klima- und Gesundheitstagen im oberbayerischen Gaißach verwies er auf die Er­gebnisse des 2. Teils des 6. Sachstandsberichts, den der Weltklimarat Ende Februar vorgelegt hat.

„Sollte die globale Erwärmung in naher Zukunft 1,5 °C erreichen, würde sie unvermeidbare Zunahmen vielfältiger Klimagefahren verursachen und vielfältige Risiken für Ökosysteme und Menschen mit sich bringen“, heißt es darin.

„Zeitnahe Maßnahmen, die die globale Erwärmung auf etwa 1,5 °C begrenzen, würden die projizierten Verluste und Schäden, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel in menschlichen Systemen und Ökosystemen auftreten, im Vergleich zu höheren Erwärmungsniveaus erheblich verringern, können sie aber nicht alle beseitigen.“

Derzeit sehe es noch nicht danach aus, dass es der Menschheit gelinge, das 1,5-°C-Ziel noch einzuhalten, so Schulz. Wie das Umweltbundesamt vor kurzem dargestellt hat, sind die Treibhausgasemissionen auch in Deutschland im Jahr 2021 wieder angestiegen: um 4,5 Prozent auf 762 Millionen Tonnen. Der Gesund­heitssektor trägt selbst mit rund fünf Prozent der Emissionen dazu bei.

„Jedem muss klar sein: Das Thema ist an Dringlichkeit nicht zu überbieten. Das Fenster, die Katastrophe abzuwenden, schließt sich“, betonte Schulz. Deshalb müssten sich auch Ärztinnen und Ärzte auf den Weg machen, um in ihrem eigenen Umfeld – sei es in der Praxis oder in der Klinik – schnell die Treibhausgas­emissionen zu reduzieren. Nur so könnten sie Gesundheitsversorgung anbieten, ohne selbst Schaden anzurichten.

Der Weg zur Nachhaltigkeit ist bekannt

Schulz betonte, dass das Einsparen von CO2-Emissionen heute noch oft mit dem Verzicht auf ein gutes Leben assoziiert werde. „Treibhausgase führen zu Smog in den Großstädten, zu Luftverschmutzung und tödlichen Hitzeperioden“, sagte Schulz.

Auch der übermäßige Verzehr tierischer Produkte sei nicht gesund, darüber hinaus gehe er mit einem riesigen Bedarf an Flächen für Futtermittelanbau einher. Diese Flächen fehlen Schulz zufolge, um Hun­gersnöten aufgrund des Ukrainekriegs oder Dürren entgegenzuwirken.

„Das hat mit einem guten Leben nichts zu tun. Viel gesünder sei, wenn man den Ausstoß von Treibhaus­gasen verringere: durch eine pflanzenbasierte Ernährung oder durch mehr Bewegung mit dem Fahrrad“, sagte er.

„Wir leben in einer komplexen Welt. Dennoch: Das Reduzieren von Treibhausgasemissionen ist ohne Alternative – auch im Gesundheitswesen“, sagte Schulz. Der Weg dorthin sei bekannt. Beispielsweise im Rahmenwerk „Klimagerechte Gesundheitseinrichtungen“ werde detailliert dargelegt, wie Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen ihre Treibhausgasemissionen senken könnten.

Klimaneutral bis 2030

Als eines der ersten Krankenhäuser in Deutschland hat sich das Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe (GKH) auf diesen Weg begeben. Zwischen 1995 und 2020 habe das Krankenhaus 70 Prozent der Treib­haus­gasemissionen aus den Bereichen Scope 1 und 2 eingespart, wie der Koordinator des Transformati­ons­prozesses am GKH, Christian Grah, auf den Gaißacher Klima- und Gesundheitstagen erklärte.

Unter Scope 1 werden die Emissionen zusammengefasst, die aus Quellen stammen, die sich im Besitz des Krankenhauses befinden, wie das Heizsystem oder der Fuhrpark. Scope-2-Emissionen stammen aus der Energie, die das Krankenhaus einkauft, zum Beispiel Strom oder Erdgas.

Zudem habe das Krankenhaus seine eigene Ernährungswende eingeleitet, erklärte Grah. Heute stammten 40 Prozent der im Krankenhaus verwendeten Lebensmittel von Biohöfen aus der Umgebung. „Wir haben uns vorgenommen, bis zum Jahr 2030 nicht nur in den Bereichen Scope 1 und 2 zu 100 Prozent klima­neu­tral zu sein, sondern auch im Bereich Scope 3“, sagte Grah.

Scope 3 umfasst die Emissionen, die aus vor- und nachgelagerten Lieferketten stammen. „Bis 2030 wollen wir also komplett klimaneutral sein – so, wie es der Deutsche Ärztetag im vergangenen Jahr gefordert hat“, so Grah.

Der Pneumologe betonte, dass man auf dem Weg zur Klimaneutralität in jedem Bereich tätig werden müsse. Bei der Stromproduktion setzt das Krankenhaus zum Beispiel auf Photovoltaik und Windkraft, bei der Erzeugung von Wärme auf Wärmepumpen und Geothermie. „Unsere alte Heizungspumpe hat noch 400 bis 600 kWh verbraucht“, erklärte Grah.

„Bei neuen Wärmepumpen sind es 50 bis 100 kWh.“ Das spare nicht nur CO2, sondern auch Geld. In Zeiten, in denen viele Krankenhäuser rote Zahlen schreiben und die Preise für Strom und Erdgas in die Höhe schnellen, sei es für ein Krankenhaus gut, wenn es durch neue Technologien neben Treibhausgasen auch die Ausgaben reduzieren könne.

„Wir gehen den Weg der Transformation, indem wir uns mit lokalen Akteuren vernetzen – zum Beispiel in den Bereichen Strom, Energie und Ernährung“, sagte Grah. „Zudem haben wir ein Reallabor ins Leben gerufen, in dem wir die Erkenntnisse aus unserem Transformationsprozess evaluieren und der Allgemein­heit zur Verfügung stellen.“

Der Klimaschutz sei sehr komplex. Es könne schnell passieren, dass man sich überfordert fühle. „Wenn man sich aber auf den Weg macht, versteht man, dass Klimaneutralität machbar ist“, betonte Grah. „Es ist ein erhebendes Gefühl, ein wenig Verantwortung für die Gesundheit unseres Planeten mit zu übernehmen.“

fos

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