Kliniken beklagen Milliardenverluste und teure Zusatzkosten

Augsburg – Steigende Verluste und eine erhebliche Zunahme der Bürokratieauflagen lassen die Krankenhäuser nach Angaben ihrer Träger immer tiefer in die Krise stürzen. „Die Lage der deutschen Krankenhäuser ist so dramatisch wie noch nie“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, heute der Augsburger Allgemeinen.
„Abteilungen werden geschlossen, Personal wird eingespart, Standorte werden aufgegeben, bevor sie in die Insolvenz geraten“, sagte Gaß. „Die Konsequenzen bekommen leider auch die Patientinnen und Patienten zu spüren.“ Gerade die kleineren Häuser in ländlichen Regionen unter 300 Betten bewerteten ihre Lage besonders pessimistisch.
Das gesamte Defizit der Kliniken hat laut Berechnungen der DKG in diesen Tagen die Marke von 14 Milliarden Euro überschritten. „Inzwischen stecken laut dem Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) rund 80 Prozent der Krankenhäuser in den roten Zahlen“, sagte der Vorstandsvorsitzende.
Er machte vor allem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für die sich verschärfende Krise verantwortlich. Die Kliniken würden mit der Kostenexplosion der Inflation allein gelassen und müssten nun um ihr reines finanzielles Überleben kämpfen.
„Die Schließung von Standorten und Abteilungen folgt wegen der aktuellen Gesundheitspolitik oft nicht mehr der Logik, trotz Sparmaßnahmen die Versorgung in einer Region noch sicherstellen zu können“, sagte Gaß. „Jetzt geht es oft nur noch knallhart betriebswirtschaftlich darum, wie man schnell große Verlustbringer loswerden kann.“
Der Gesundheitsminister habe diesen kalten Strukturwandel trotz aller Warnungen billigend in Kauf genommen und in Teilen sogar bewusst verschärft. „Für die Bevölkerung bedeutet diese Politik in vielen Regionen eine schlechtere Versorgung in ihrer Nähe“, kritisierte Gaß. „Und generell erleben wir bereits jetzt den Beginn der Wartelistenmedizin.“
Zugleich verschärfe die Politik die Krise der Kliniken mit immer neuen bürokratischen Auflagen, sagte der Verbandschef. „Die Bürokratie allein im ärztlichen Bereich kostet Deutschland so viel wie 60.000 volle Klinikarztstellen“, sagte Gaß.
„Zum Beispiel verpflichtet das neue Medizinforschungsgesetz Krankenhäuser, ärztliches Personal minutengenau einzelnen Patienten und sogenannten Leistungsgruppen zuzuordnen. Ärzte müssen also dokumentieren, wie lange sie bei welchem Patienten waren – sogar in Mehrbettzimmern. Diese Regelung ist absurd.“
Sowohl das ärztliche als auch das pflegerische Personal verbringe inzwischen im Schnitt jeden Tag drei Stunden seiner Arbeitszeit mit bürokratischen Vorgaben. „Mit nur einer Stunde weniger Dokumentationsaufgaben hätten wir bundesweit über 20.000 Ärzte und fast 50.000 Pflegekräfte mehr, die sich um Patienten kümmern könnten“, rechnete Gaß vor.
Unterdessen teilte die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, mit, dass fast jedes sechste Krankenhaus in Trägerschaft ihres Verbandes insolvent sei. Betroffen seien fünf Standorte in Rheinland-Pfalz und einer in Hessen, sagte sie der Neuen Osnabrücker Zeitung. 38 Krankenhäuser betreibt das DRK.
„Auch bei anderen Einrichtungen ist die finanzielle Lage sehr schwierig“, sagte Hasselfeldt der Zeitung weiter. Zudem hätte in Bayern und Baden-Württemberg im vergangenen Jahr jeweils ein Krankenhaus geschlossen werden müssen.
Die Verbands-Chefin kritisierte, dass es bei der Krankenhausreform keine ausreichende finanzielle Übergangsregelung gegeben habe. „Nicht einmal Kostensteigerungen aus der Inflation werden abgedeckt“, sagte sie.
Hasselfeldt befürchtet, dass noch viele weitere Krankenhäuser von freien gemeinnützigen Trägern wie dem DRK und den Kirchen in die Zahlungsunfähigkeit rutschen werden. „Ausgerechnet den Häusern, die strikt gemeinwohlorientiert sind, droht als Erstes das Aus“, sagte sie. Denn die freien Träger müssten Überschüsse direkt wieder einsetzen und dürften nur begrenzt Rücklagen bilden. Privat und kommunal geführte Häuser hätten da mehr Sicherheit.
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