Koalitionsausschuss tagt zu Sozialreformen

Berlin – Der Koalitionsausschuss will heute ab 17 Uhr im Kanzleramt unter anderem zu Haushalt und Sozialreformen tagen. Ganz oben auf der Agenda der ersten Sitzung nach der Sommerpause von CDU, CSU und SPD steht zwar das Bürgergeld. Dringend reformbedürftig sind aber vor allem auch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV).
Für die Regierung ist es die Quadratur des Kreises. Einsparungen sind dringend erforderlich. Das zeigen nicht nur die Haushaltspläne für die Jahre 2025 und 2026. Für 2027 klafft sogar ein 30-Milliarden-Euro-Loch im Bundeshaushalt. Die Kassen bei den Kranken- und Pflegekassen sind aber ebenso leer. Es drohen weitere Beitragssatzsteigerungen, die die Union aber gerne verhindern will.
Der bisherige Haushaltsplan von Union und SPD versucht das Dilemma bisher mit einem Trick zu lösen. Über die üblichen Zahlungen in Höhe von 14,5 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds hinaus soll es ein Darlehen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro für die GKV geben. 1,5 Milliarden Euro sind zusätzlich als Darlehen an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung vorgesehen. Beide Darlehen reichen aus Sicht von Krankenkassen und Beobachtern aber nicht aus, um Beitragserhöhungen in der GKV oder Pflege zu verhindern.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass sie die bisher eingeplanten Darlehen für GKV und Pflege für den Haushalt 2025 und auch 2026 nicht für ausreichend hält. Sie setze auf die weiteren Gespräche im Parlament, hatte sie erklärt. In der Bereinigungsvorlage für die morgige Sitzung im Haushaltsausschuss sind aber keine weiteren Mittel enthalten.
Mit in den Gesprächen im Kanzleramt sitzt auch Unions-Fraktionschef Jens Spahn (CDU). Ihm dürften die Themen bekannt vorkommen: Er hatte als damaliger Bundesgesundheitsminister die Krankenkassen zum Abschmelzen der Rücklagen gezwungen.
Auch die Leistungen der Pflegeversicherung wurde zu Zeiten von Spahn, aber auch noch zum Anfang des laufenden Jahres – in der Amtszeit von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) – deutlich ausgeweitet. Beides war damals auf heftige Gegenwehr gestoßen, aber dennoch politisch umgesetzt worden.
Die Ausweitung von Leistungen und damit auch höhere Kosten – 2023 lagen diese bei 306 Milliarden Euro – rund 100 Milliarden Euro mehr als 2015 –, die Demografie und die geringeren Rücklagen blieben nicht ohne Folgen. Viele Krankenkassen mussten ihre Zusatzbeiträge zum letzten Jahreswechsel anheben. Die durchschnittlichen Beiträge zur GKV inklusive Zusatzbeitrag stiegen damit von zuvor 16,3 Prozent auf 17,5 Prozent. Weitere Aufschläge drohen.
Die Kassen warnten daher heute erneut vor weiter steigenden Beiträgen zum Jahreswechsel 2026, sollte es keine baldigen Reformen geben. „Die Politik muss rasch handeln, denn sonst werden die Zusatzbeiträge zum 1. Januar die Drei-Prozent-Schwelle überspringen“, sagte der Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Oliver Blatt, der Augsburger Allgemeinen.
„Eigentlich ist die Sache doch recht einfach: Wir brauchen eine Gesetzgebung, die verhindert, dass die Krankenkassen immer wieder mehr ausgeben müssen, als sie einnehmen“, sagte Blatt weiter. „Der Kostenanstieg muss wieder auf ein Normalmaß zurückgeführt werden“, betonte er.
Durch so ein Ausgabenmoratorium – gegen das sich die Ärzteschaft immer wieder gewendet hat – müsste keine einzige Leistung gestrichen werden, aber die Beitragsspirale wäre durchbrochen. Blatt betonte, dass die Versicherten im Alltag von Reformen profitierten, zum Beispiel durch schnellere Arzttermine. Gerade bei den größten Ausgabenbereichen, wie Krankenhäusern und Arzneimitteln, müssten die Ausgabensteigerungen wieder zurückgeführt werden, forderte Blatt.
Auch AOK-Chefin Carola Reimann mahnte grundsätzliche Reformen an. „Dabei liegen schon lange konkrete Vorschläge auf dem Tisch“, betonte sie. „Den größten Hebel bieten Maßnahmen im Arzneimittelbereich wie die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent.“
Dies würde allein sieben Milliarden Euro bringen, sagte Reimann ebenfalls der Augsburger Allgemeinen. Bei den Klinikausgaben könnten dreieinhalb Milliarden Euro eingespart werden.
Die Koalition kündige zwar an, den Beitragsanstieg stoppen zu wollen. „Über konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der finanziellen Situation ist man sich aber uneins“, kritisierte sie. „Langsam entsteht der Eindruck von sozialpolitischer Ratlosigkeit und Untätigkeit“, fügte sie hinzu.
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