Politik

Koalitionsverhandlungen: Streitpunkte und Ergebnisse erwartet

  • Montag, 24. März 2025
Friedrich Merz, CDU/CSU Fraktionsvorsitzender und CDU Bundesvorsitzender, wartet neben Christina Stumpp, stellvertretende Generalsekretärin, Carsten Linnemann, CDU Generalsekretär, Silvia Breher, CDU Vizevorsitzende, und Karin Prien CDU Vizevorsitzende, auf den Beginn der Sitzung des CDU Bundesvorstands im Konrad-Adenauer Haus. Bei den Gremiensitzungen will die CDU über den Fortgang der Koalitionsverhandlungen mit der SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung nach der Bundestagswahl beraten. /picture alliance, CHROMORANGE, Michael Bihlmayer
Friedrich Merz, CDU/CSU Fraktionsvorsitzender und CDU Bundesvorsitzender, wartet neben Christina Stumpp, stellvertretende Generalsekretärin, Carsten Linnemann, CDU Generalsekretär, Silvia Breher, CDU Vizevorsitzende, und Karin Prien CDU Vizevorsitzende, auf den Beginn der Sitzung des CDU Bundesvorstands im Konrad-Adenauer Haus. Bei den Gremiensitzungen will die CDU über den Fortgang der Koalitionsverhandlungen mit der SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung nach der Bundestagswahl beraten. /picture alliance, CHROMORANGE, Michael Bihlmayer

Berlin – Die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD gehen jetzt in eine neue Phase. Bis zum frühen Abend (17 Uhr) sollten die 16 eingesetzten gemeinsamen Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse in schriftlicher Form vorlegen. Ein erstes Ergebnispapier aus der Arbeitsgruppe Digitales ist bereits bekannt geworden. Bei zentralen Themen gibt es aber offenbar noch erhebliche Differenzen. Daher kündigte die Union an, Tempo aus den Beratungen herauszunehmen.

Es gebe „sowohl beim Migrationsthema als auch bei der Innenpolitik insgesamt unterschiedliche Sichtweisen“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, vor Beratungen der CDU-Spitze in Berlin. Für die Beratungen gebe es keinen festen Zeitplan. „Gründlichkeit ist eindeutig wichtiger als Schnelligkeit.“

Einige Arbeitsgruppen hatten dies bereits am Wochenende erledigt. In den nächsten Tagen wird dieses Material gesichtet und zusammengeführt. Alles, wozu noch keine Einigkeit erzielt ist, soll in der neuen Woche im kleineren Kreis besprochen werden.

In der Arbeitsgruppe Gesundheit sei man zuversichtlich, dass man bis heute Abend zu Ergebnissen komme, hieß es aus der Gruppe am Wochenende. Zuvor war bekannt geworden, dass man sich in der Arbeitsgruppe besonders um die Zukunft der Krankenhausreform gestritten hatte und möglicherweise zunächst einen „Prüfauftrag“ in den Vertrag schreiben werde. Außerdem soll es intensive Diskussionen über die künftige Pflegepolitik gegeben haben. Der Dachverband der Betriebskrankenkassen wies darauf hin, dass laut einer forsa-Umfrage für den Verband 85 Prozent der Deutschen glauben, dass das Thema „Gesundheit und Pflege“ in den Koalitionsverhandlungen zu kurz komme.

Auch die Arbeitsgruppe Digitales, in der unter anderem auch die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sitzt, ist offenbar zu ersten Einigungen gekommen. Das Papier der AG 3 Digitales mit Stand 19. März liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor. Konkret geht es darin zwar nicht um das Gesundheitswesen. Indirekt berühren die geplanten Digitalvorhaben allerdings auch das Gesundheitssystem.

Eigenständiges Digitalministerium auf Bundesebene geplant

Es solle ein eigenständiges Bundesministerium für Digitales (BMD) geschaffen werden, heißt es etwa in dem fünfseitigen Papier. Dies soll die Verwaltungsdigitalisierung, digitale Identitäten, IT-Sicherheit und Plattformregulierung koordinieren. Es soll künftig als zentraler Ansprechpartner für die Digitalwirtschaft und Start-ups sein. Und: Alle IT-Ausgaben müssten künftig vom Digitalministerium genehmigt werden.

Zudem will die Koalition von Union und SPD die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung erhöhen und in Forschung und Entwicklung, insbesondere in KI und Cybersicherheit investieren. Dies solle die digitale Souveränität Deutschlands erhöhen. Weiter soll die IT-Sicherheit Deutschlands, insbesondere bei kritischen Infrastrukturen, erhöht werden. Dafür ist eine deutliche Investition in Sicherheitstechnologien, die Unterstützung von Resilienzforschungseinrichtungen und der Einsatz von europäischen Sicherheitsstandards vorgesehen.

Ziel sei auch, dass offene Schnittstellen und Standards sowie Open Source vorangetrieben werden. Dies ist auch für das Gesundheitswesen relevant, oft hapert es an einer sinnvollen Digitalisierung weil Produkte verschiedener Hersteller mangels offener Schnittstellen nicht miteinander kommunizieren können.

Geplant ist auch eine Reform der Datenschutzaufsicht. Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) soll in „Beauftragte für Datennutzung“ umbenannt werden. Die Datenpolitik solle zu einer „echten Datennutzungspolitik“ entwickelt werden. Bestehende Regelwerke sollen dafür etwa in einem Datengesetzbuch zusammengefasst werden.

Darüber hinaus will die künftige Koalition die Mobilfunkabdeckung in Deutschland verbessern, weiße und graue Flächen sollen zügig geschlossen werden und der Glasfaserausbau soll bis 2030 flächendeckend vorangetrieben werden.

Offene Punkte Stück für Stück abarbeiten

Der CDU-Politiker Frei betonte heute weiter, man könne durchaus zu Kompromissen bei noch offenen Fragen kommen. „Es wäre also völlig verfrüht, jetzt da etwas Konkretes zu sagen. Wir sind mitten in den Verhandlungen und die werden uns vermutlich auch noch einiges abverlangen.“ Man werde „jetzt die offenen Punkte Stück für Stück abarbeiten“. „Das soll zügig passieren, aber nicht unter Zeitdruck. Es ist wichtiger, dass wir jetzt eine gute Grundlage schaffen für eine erfolgreiche Regierung für Deutschland.“

Für die Arbeitsgruppen war Stillschweigen über das Fortschreiten der Verhandlungen und die Ergebnisse vereinbart worden, woran sich die rund 260 Verhandler auch weitgehend hielten. Größere Differenzen gab es dem Vernehmen nach zu den Themen Steuern, Sozialpolitik und Eindämmung der irregulären Migration. Umstritten war etwa auch die von der SPD geforderte Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten zwölf Wochen.

Übereinstimmung in verschiedenen Punkten

Zumindest in der Zielbeschreibung war man sich in der Gruppe einig, die sich mit Staatsmodernisierung und Bürokratieabbau beschäftigt hat. Generelle Einigkeit besteht nach Angaben aus Teilnehmerkreisen etwa auch, was die Notwendigkeit angeht, das Bundespolizeigesetz zu reformieren, eine rechtssichere Verpflichtung zur Speicherung von IP-Adressen zu schaffen und – wie von der Europäischen Union gefordert – Maßnahmen zum Schutz von Einrichtungen der kritischen Infrastruktur festzulegen.

Angesichts der stockenden Verhandlungen mit der SPD bestehen führende Unionspolitiker auf der im Wahlkampf versprochenen Wende in der Migrations- und Wirtschaftspolitik. „Wir brauchen einen Politikwechsel in der Migrationspolitik, insbesondere auch in der Wirtschaftspolitik, damit die Jobs wieder sicher sind“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst in Berlin vor Beratungen der CDU-Führung. Ein Politikwechsel vollziehe „sich im Allgemeinen nicht in Arbeitsgruppen oder Unterarbeitsgruppen.“

Dass derart „fundamentale Änderungen, wie wir sie brauchen, in der Chefrunde verhandelt werden, ist, glaube ich, nicht verwunderlich“, sagte Wüst. Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) erklärte: „Die Menschen haben bei der Bundestagswahl Veränderung gewählt und nicht ein Weiter so.“ Alle Verhandlungspartner müssten „begreifen, dass es wirklich ein fokussiertes Angehen der Alltagssorgen der Menschen braucht“.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende und schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien sagte, es sei noch eine Menge Zeit bis Ostern. „Unser Land braucht eine neue Regierung. Aber wir werden uns auch nicht drängen lassen zu schlechten Ergebnissen, sondern wir wollen gute Ergebnisse für unser Land.“ In der von ihr von Unionsseite geleiteten Arbeitsgruppe Bildung, Forschung und Innovation habe man ein sehr gutes Papier erarbeitet.

 Weiterer Zeitplan – Merz will Abschluss bis Ostern

Noch vor dem kommenden Wochenende berät die sogenannte 19er Runde. Ihr gehören neben den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) sowie Friedrich Merz (CDU) unter anderem auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an. Die Runde spricht vor allem darüber, wie die größten Meinungsverschiedenheiten gelöst werden könnten.

Ursprünglich war vorgesehen, dass abschließende Fragen in der ersten Aprilwoche final geklärt werden sollen. CDU-Chef Merz hatte bis spätestens Ostern die Bildung der geplanten schwarz-roten Regierung angepeilt. Auch Politikerinnen und Politiker der SPD mahnten zuletzt Tempo an. Um Ministerien und Personalien geht es erst zum Schluss.

Erst wenn die inhaltlichen Fragen weitgehend geklärt sind, soll entschieden werden, wie der künftige Zuschnitt der Ministerien aussieht und welche Partei welchen Posten besetzen darf. Spekuliert wird weiter über eine etwaige Eingliederung des Entwicklungsministeriums (BMZ) ins Auswärtige Amt.

dpa/bee/cmk

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